Für die Ukraine-Friedenskonferenz übernimmt im Juni der Bundesrat das Kommando für die sichere Unterbringung der Staatschefs.
Zum Glück ist sich Chris Franzen nach über drei Jahrzehnten in der internationalen Luxushotellerie einiges gewöhnt. Denn auf dem Bürgenstock gibt es für den gebürtigen Walliser keine Eingewöhnungszeit. Knapp eine Woche nachdem er am 1. April den Posten als Managing Director des Luxusresorts angetreten hatte, informierte ihn der Bundesrat, dass bald bis zu hundert Staatschefs bei ihm ein und aus gehen würden. Denn Mitte Juni findet auf dem Hotelberg die von der Schweiz organisierte Ukraine-Friedenskonferenz statt.
Der gebürtige Walliser lässt sich von der Nachricht nicht aus der Ruhe bringen. Die Verhandlungen zwischen den Verantwortlichen des Resorts und der Eidgenossenschaft hätten bereits vor seiner Ankunft stattgefunden. «Natürlich freue ich mich, dass wir bald die politische Prominenz aus aller Welt auf dem Bürgenstock empfangen dürfen. Das ist ein Traumstart für mich», sagt der 53-Jährige.
Stressige Situationen gewöhnt
Als Managing Director, der Luxushotels vor allem in der Golfregion, aber auch in Russland, Australien und Indien geleitet hat, lässt sich Franzen nicht so schnell aus der Ruhe bringen. «Immerhin haben wir hier oben die perfekte Infrastruktur mit funktionierenden Hotels und Nebenbetrieben. Das war vor zwei Jahren in Katar noch ganz anders», so erinnert er sich. Franzen übernahm damals pünktlich zur Fussball-WM in Doha die Leitung des neu gebauten Hotels Waldorf Astoria Lusail. Dieses Haus führte er bis zu seinem Wechsel auf den Bürgenstock.
Ein Blick aus der Lakeview Bar & Cigar Lounge, in der Franzen am Montag die Medienschaffenden zu einem Lunch willkommen heisst, zeigt, dass er sich um die Sicherheit seiner prominenten Gäste, unter denen auch US-Präsident Joe Biden sein könnte, keine Sorgen machen muss. Das Resort hoch über dem Vierwaldstättersee lässt sich leicht absperren.
Auch alles andere kann der sonst allgegenwärtige Manager getrost dem Bund überlassen. Denn am 15. und 16. Juni übernimmt der Bund das Kommando über die 360 Zimmer in den vier Luxushotels. Normale Gäste können an diesem Wochenende und kurz davor nicht auf dem Bürgenstock übernachten. Auch ein Teil der hochrangigen Politikerinnen und Politiker und ihre Mitarbeiter werden in anderen Hotels in der Zentralschweiz übernachten müssen. Wie die Sicherheitsüberprüfungen aussehen, denen sich das Hotelpersonal unterziehen muss, weiss Franzen noch nicht. «Das alles werden wir in den nächsten Tagen und Wochen erfahren. Eine so grosse und wichtige Konferenz ist für uns alle etwas Einmaliges», sagt er.
Über den Preis, den der Bund für die kurzfristige Übernahme der Hotels zahlt, wurde Stillschweigen vereinbart. «Von der Friedenskonferenz erhoffe ich mir vor allem einen Prestigegewinn», erklärt Franzen. «Der Bürgenstock soll in aller Welt bekannt werden als Ort, an dem man Frieden schaffen kann.» Gleichzeitig verspricht er sich, dass das Resort an die 1950er und 1960er Jahre anknüpfen kann, als der Hotelberg ein Treffpunkt für Politiker sowie Show- und Filmstars aus aller Welt war.
Vielleicht lohnt es sich für Bundespräsidentin Viola Amherd und Aussenminister Ignazio Cassis, vor dem Beginn des Friedensgipfels das Gespräch mit Franzen zu suchen. Nicht um die Historie aufzuwärmen. In seinen Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Oman und in Katar hat er die Mentalität der Bürgenstock-Eigentümer, der Katara Hospitality, bestens kennengelernt. Die Tochter des Staatsfonds Qatar Investment Authority des Emirats Katar hat die historische Anlage in den letzten Jahren für 550 Millionen Franken renoviert und teilweise neu gebaut.
Etwas gestaunt hat Chris Franzen darüber, dass es die Verurteilung des katarischen Scheichs Nawaf bin Jassim bin Jabor Al Thani am Wochenende auf die Frontseite der «Sonntags-Zeitung» schaffte. Der Scheich hatte das neue Bürgenstock Resort 2018 zusammen mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann eröffnet. Der entsprechende Prozess hatte laut Franzen bereits Ende des vergangenen Jahres in Katar stattgefunden und hohe Wellen geworfen. Inzwischen sei es jedoch ruhig geworden in dieser Angelegenheit.
Profilierungschance nutzen
Scheich Nawaf wurde im grossen Korruptionsprozess wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder zu sechs Jahren Haft und einer Geldstrafe von 207 Millionen Franken verurteilt. «Ich kenne Scheich Nawaf nicht», sagt Franzen. «Soviel ich weiss, war er auch nicht in die Leitung der Katara Hospitality Group eingebunden.» Jedenfalls würden das Bürgenstock Resort Lake Lucerne sowie die Hotels Royal Savoy in Lausanne und Schweizerhof in Bern, die ebenfalls zu der Gruppe gehören, von der Schweiz aus geleitet.
Wenn sich der grösste Rummel etwas gelegt hat, kann sich Franzen seiner eigentlichen Berufung widmen: der Gastfreundschaft. Die ersten Wochen will der Sohn einer Zermatter Hotelierfamilie vor allem nutzen, um sich umzuschauen und umzuhören. «Ich will sehen, wo wir unsere Stärken und Schwächen haben.» Er ist überzeugt, dass der Bürgenstock als Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor noch besser in der lokalen Bevölkerung verankert werden kann.