Als Präsident Hoover 1930 die Zölle drastisch erhöhte, führte das zu einem globalen Handelskrieg. Donald Trump droht nun das historische Desaster zu wiederholen.
Donald Trump katapultiert die USA zurück in die Vergangenheit, zurück in die 1930er Jahre. Diesen Eindruck gewinnt, wer die Zollpolitik des Präsidenten historisch einzuordnen versucht. Denn auch zu Beginn der 1930er Jahre – um genau zu sein: am 17. Juni 1930 – unterzeichnete der damalige republikanische US-Präsident Herbert Hoover ein Zollgesetz, das einen Wendepunkt in der amerikanischen Handelspolitik markierte: die Smoot-Hawley Tariff Act.
Damals Krise, heute Vollbeschäftigung
In zahlreichen Kommentaren zu Trumps Zollplänen wird der Vergleich mit der Smoot-Hawley Act gezogen. In der Tat gibt es viele Parallelen: Damals wie heute kam es zu einem nationalistischen Bruch mit der Vergangenheit; die Politik versprach die Rückgewinnung ökonomischer Kontrolle; die Zölle fielen höher aus als erwartet; die Finanzmärkte reagierten mit Kurseinbrüchen; und die Handelspartner waren verärgert und kündigten Gegenmassnahmen an.
Doch es gibt auch Unterschiede. Der wichtigste ist der wirtschaftliche Kontext. Die Verabschiedung der Smoot-Hawley Act fiel mitten in die Weltwirtschaftskrise. Diese begann 1929 in den USA und griff schnell auf andere Länder über. Ganz anders die Ausgangslage für Trump: Noch zu Beginn dieses Jahres wurde der amerikanischen Wirtschaft eine hervorragende Verfassung attestiert: niedrige Arbeitslosigkeit, hoher Konsum, boomende Börse – von Krisenstimmung keine Spur.
1930 ging es anfänglich nur um den Schutz der amerikanischen Farmer, die damals noch einen Fünftel der Bevölkerung ausmachten. Denn der Agrarsektor litt besonders unter der Wirtschaftskrise. Der Grund: In den 1920er Jahren hatten sich Europas Bauern von den Folgen des Ersten Weltkriegs erholt. Vor dem Hintergrund einer «globalisierten Euphorie» (Harold James) verschärfte sich der Wettbewerbsdruck, es kam zu Überproduktionen, die Bauernlobby rief nach staatlichem Schutz.
Zuerst die Farmer, dann der Rest
Diese Forderung stiess bei den beiden republikanischen Parlamentariern Reed Smoot aus Utah und Willis Hawley aus Oregon, die das Zollgesetz initiierten und ihm ihren Namen gaben, auf offene Ohren. Doch wie so oft, wenn eine einzelne Branche geschützt werden soll, forderten bald Lobbyisten anderer Branchen den gleichen Schutz. Und so kam es denn auch. Gegen den Widerstand der meisten demokratischen Abgeordneten wurde das Gesetz auf alle Sektoren der amerikanischen Wirtschaft ausgeweitet.
Auch ein Protestschreiben von über tausend Ökonomen, die vor den Folgen des Protektionismus warnten und Hoover zum Veto aufforderten, änderte nichts daran: Anstelle eines selektiven Agrarschutzes resultierte ein branchenübergreifendes Zollsystem, das sich primär gegen Europas Exporte richtete. Der durchschnittliche Zoll stieg abrupt auf rund 20 Prozent, wobei einige Zölle auf über 60 Prozent erhöht wurden.
Wie sind diese Zahlen im Vergleich mit heute einzuordnen? Sie dürften unter jenem Niveau liegen, das bei einer Umsetzung von Trumps Plan resultieren würde. Gemäss Schätzungen von Fitch Ratings ist in den USA für 2025 mit einem durchschnittlichen Zollsatz von 25 Prozent zu rechnen, was dem höchsten Zoll seit über 115 Jahren gleichkäme. Zu einem ähnlichen Resultat kommen die Ökonomen der UBS.
Der Nachbar als Bettler
20 contra 25 Prozent: Ein Unterschied von 5 Prozentpunkten mag klein erscheinen. Doch ein wesentlicher Unterschied ist das Ausgangsniveau. So waren die USA schon vor Einführung der Smoot-Hawley Act sehr protektionistisch; der Zoll lag im Schnitt bei knapp 14 Prozent und wurde dann auf 20 Prozent erhöht. Vor Trumps Wahl lag der effektive Zoll hingegen bei nur 2,5 Prozent – und soll nun verzehnfacht werden. Der Sprung ist ungleich grösser.
Noch ist schwer abschätzbar, wo die Zölle landen werden. Viel hängt davon ab, wie das Ausland reagiert und ob es zu einer Eskalation wie in den 1930er Jahren kommt. Ökonomen sprachen damals von einer «Beggar thy neighbour»-Politik. Gemeint sind Massnahmen wie Gegenzölle, Importquoten, Devisenkontrollen und Währungsabwertungen, die den Nachbarn zum Bettler machen sollen. Die Erfahrung zeigte jedoch, dass die Eskalation letztlich beide Seiten zu Bettlern machte.
Schon 1929, noch während der Vorbereitung der Smoot-Hawley Act, deutete das europäische Ausland mögliche Retorsionsmassnahmen an. In Washington wurde dies ignoriert. Doch das Ausland machte Ernst: Es kopierte den Wirtschaftsnationalismus der USA, errichtete ebenfalls Zollschranken, bildete regionale Handelsblöcke und versuchte, die amerikanischen Exporteure vom eigenen Markt fernzuhalten. Die Volkswirtschaften schotteten sich ab.
Kehrtwende durch Roosevelt
Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen waren verheerend. Zwar geht die Behauptung, Smoot-Hawley habe die Weltwirtschaftskrise ausgelöst, an der Realität vorbei. So fand der New Yorker Börsencrash, der den Roaring Twenties ein jähes Ende bereitete, schon im Oktober 1929 statt, also mehr als ein halbes Jahr vor der Verabschiedung der Zollerhöhungen. Unbestritten ist aber, dass der Zollkrieg die Wirtschaftskrise verschärfte.
Einige Zahlen dazu: Die Einfuhren aus Europa in die USA schmolzen zwischen 1929 und 1932 von 1134 Millionen auf 390 Millionen Dollar. Die Ausfuhren der USA nach Europa sanken im gleichen Zeitraum von 2341 Millionen auf 784 Millionen Dollar. Insgesamt brach der Welthandel zwischen 1929 und 1934 um zwei Drittel ein. Das war nicht nur, aber doch zu einem grossen Teil mit der «Mutter aller Handelskriege», wie die Smoot-Hawley-Krise oft bezeichnet wird, zu erklären.
Erschwerend kam der zu Beginn der 1930er Jahre geltende Goldstandard dazu. Die Währungen standen also in einem fixen Umtauschverhältnis zum Gold. Die Wechselkurse konnten deshalb nicht so flexibel auf die Veränderung der weltwirtschaftlichen Nachfrage reagieren, wie dies heute möglich ist. Das verschärfte die Deflation. Die sinkenden Preise führten dazu, dass die Zölle preisbereinigt immer stärker ins Gewicht fielen, auch wenn die Zollsätze gar nicht stiegen.
Abwahl der Protektionisten
Die gute Nachricht: Der Protektionismus machte sich politisch nicht bezahlt. 1932 verlor Herbert Hoover die Präsidentschaft an Franklin D. Roosevelt. Auch Smoot und Hawley wurden abgewählt. Roosevelt machte sich schnell daran, die Zollerhöhungen seines Vorgängers rückgängig zu machen. 1934 wurde die Reciprocal Trade Agreements Act (RTAA) verabschiedet. Das Gesetz ermächtigte den Präsidenten, auch ohne Zustimmung des Kongresses über Handelsabkommen und Zölle zu verhandeln.
Anders als 1930, als die Smoot-Hawley Act verabschiedet wurde, war nach dem Inkrafttreten der RTAA nicht länger der Kongress, sondern der Präsident der wichtigste Akteur in der Handelspolitik. Ähnliches gilt heute mit Trump. Doch während Roosevelt seine neu erlangte Macht für eine Liberalisierung des Handels nutzte, tut Trump das Gegenteil. Ein starker Präsident in Handelsfragen kann ein Vor- und ein Nachteil sein.
Die RTAA als Teil von Roosevelts New Deal führte dazu, dass die USA in den nächsten fünf Jahren fast zwei Dutzend Handelsabkommen mit Zollsenkungen aushandelten, etwa mit Kanada und Grossbritannien. Dabei setzte man nicht nur auf Reziprozität, sondern auch auf das Prinzip der Meistbegünstigung. Das heisst: Die mit einem Land ausgehandelten Zollsenkungen wurden automatisch auf andere Länder ausgedehnt.
Rückeroberung von Vertrauen braucht Zeit
Ab 1934 setzten sich die USA somit wieder für offene Märkte ein. Doch die Regierung musste feststellen: Ist Protektionismus einmal installiert, lässt er sich nur schwer wieder entfernen. Verlorengegangenes Vertrauen zwischen ehemaligen Handelspartnern muss wieder aufgebaut werden. Und Branchen, die sich bequem hinter Zollmauern eingerichtet haben, müssen erneut vom Nutzen einer Marktöffnung überzeugt werden.
Es dauerte denn auch bis nach dem Zweiten Weltkrieg, bis die letzten Spuren von Smoot-Hawley beseitigt werden konnten. Das 1948 in Kraft getretene Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) und die 1995 daraus entstandene Welthandelsorganisation (WTO) spielten dabei eine zentrale Rolle. Das Gatt und die WTO trieben die Liberalisierung des Handels jahrzehntelang voran, mit den USA als einer treibenden Kraft.
Diese multilaterale Ordnung ist mit Trump massiv geschwächt und allenfalls sogar zerstört worden. Selbst wenn Trump wieder Abstand nähme von seinen Zollplänen, wofür es keine Anzeichen gibt: Die USA würden nicht mehr als verlässliche Supermacht wahrgenommen, eine rasche Rückkehr zum Status quo ante wäre schwer vorstellbar. Vielmehr nähme der Wiederaufbau von internationalem Vertrauen viele Jahre in Anspruch, wie dies auch nach dem Ende von Smoot-Hawley der Fall war.