Eine IG überzieht den Schulpräsidenten mit Kritik auf allen Kanälen. Dann interveniert der Regierungsrat.
Die Nachricht war bereits mehrere Wochen alt, doch die Leserschaft des «Zürcher Oberländers» erfuhr erst Ende März davon: Eine Hinwiler Primarklasse durfte ihren geplanten Skitag im Februar nicht durchführen, da die Oberländer Schulgemeinde seit Anfang Jahr mit einem Notbudget operierte und Exkursionen bis auf weiteres gestrichen waren.
Bemerkenswert war der Entscheid vor allem deshalb, weil die betreffende Klasse ihren Tag auf der Skipiste selber bezahlt hätte: Das Geld für den Ausflug wäre aus der Klassenkasse der Mittelstufenschüler gekommen. Diesem Topf waren seit über 20 Jahren immer wieder Mittel zugeflossen, aus Schoggitalerverkäufen, Putzeinsätzen oder Konzertauftritten früherer Schülerinnen und Schüler zum Beispiel, wie die Lehrerin der altersdurchmischten vierten bis sechsten Klasse auf Anfrage der NZZ sagte. Das Geld hätte gereicht, um den Skitag der Klasse komplett zu finanzieren.
Aber eben: Notbudget ist Notbudget. Die Kinder des Schulhauses Girenbad durften nicht auf die Piste, zumindest nicht während der Schulzeit. Denn in einem solchen Regime sind nur unerlässliche Ausgaben erlaubt, «die für den Schulbetrieb zwingend notwendig sind». So steht es auch in einem Brief der Schule Hinwil an Eltern und Schüler von Ende März.
Dem Leiter Bildung der Schulgemeinde fiel dann die undankbare Aufgabe zu, der Öffentlichkeit beziehungsweise dem «Zürcher Oberländer» zu erklären, dass Aktivitäten wie Schulreisen, Exkursionen oder eben Skitage «nicht mit privaten Geldern finanziert werden dürfen». Das wäre so, «als würde man Schulbücher privat finanzieren».
Schulgemeindeversammlung sagt zweimal Nein
So weit, so unnachsichtig die Hinwiler Behörden, die mit ihrem Nein zum Skitag der Girenbad-Klasse offenbar nicht riskieren wollten, dass sich andere Schulklassen in der Gemeinde mit weniger üppig gefüllten oder gar keinen Klassenkassen benachteiligt fühlen könnten.
Aber das war nur die Spitze des Eisbergs. Die Budgetkrise der Hinwiler Schulgemeinde lässt weit tiefer blicken, als abgesagte Skitage vermuten liessen. Die Stimmberechtigten haben die Finanzvorlage der örtlichen Schule zweimal abgelehnt, am 11. Dezember 2024 und am vergangenen 19. März. Hinwil ist unter Druck. Die Schulgemeinde muss sparen, da sie nach eigenen Angaben Jahr für Jahr mit weniger Mitteln auskommen muss. Gegenmassnahmen sind unpopulär. Im Dezember hatte die Schulpflege eine Steuererhöhung von 10 Prozent vorgeschlagen, im März eine solche von 7 Prozent. Beide Anträge wurden an der Schulgemeindeversammlung zurückgewiesen.
Dies, obwohl nach Angaben der Schulpflege im März alle grösseren Hinwiler Parteien das Budget und eine Steuererhöhung von 7 Prozent unterstützt hatten. «Offenbar schätzt die Mehrheit des Souveräns die Sparbemühungen der Schulgemeinde nicht», schreibt der parteilose Schulpräsident Thomas Ludescher in der vergangenen Woche auf eine Anfrage der NZZ.
An dieser zweiten Schulgemeindeversammlung machte auch eine kleine Interessengemeinschaft ihrem Ärger über die Hinwiler Schulbehörden Luft: die IG Unterbach. Diese Gruppe setzt sich für den Erhalt der Schule Unterbach ein, für eine von mehreren sogenannten Aussenwachten auf dem weitverzweigten Gemeindegebiet von Hinwil. Dort gehen derzeit 20 Kinder zur Schule, 4 davon wohnen in der Gemeinde Wald.
Immer weniger Schüler
Das Problem aus Sicht der IG: Die Schule Unterbach soll nach den Sommerferien 2026 geschlossen werden. Die verbleibenden Primarschülerinnen und -schüler würden dann mit dem Schulbus nicht nur zum Turnen und Schwimmen in andere Schulen der Gemeinde gefahren, sondern auch für den übrigen Unterricht. Doch die IG will das nicht hinnehmen. «Die Schule Unterbach muss erhalten bleiben!», stand auf einem Flyer, den die Lobbygruppe an der Schulgemeindeversammlung von Ende März verteilte – und mit dem sie sich für eine abermalige Ablehnung des Budgets starkmachte. Sie betreibt sogar einen eigenen Youtube-Kanal.
Die IG behauptet, dass die Zahl der Schüler in Unterbach mittelfristig konstant bleiben werde. Die Schulgemeinde hingegen operiert mit anderen Zahlen: Demnach würden in Unterbach ab dem Schuljahr 2026/27 nurmehr 11 Kinder zur Schule gehen, eines davon aus der Nachbargemeinde Wald. «Wir gehen nicht davon aus, dass aus dem Einzugsgebiet Unterbach in den kommenden Jahren die nötige Anzahl Kinder für eine erste bis sechste Klasse über eine längere Zeit erreicht werden wird», schreibt Ludescher.
Noch weiter auseinander gehen die Meinungen bei den Finanzen, die beim Subthema Unterbach ebenfalls eine Rolle spielen: Das Schulhaus müsste saniert werden. Die IG hat nach eigenen Angaben ein Gutachten bei einer Baufirma eingegeben; laut dieser Schätzung stünden Investitionen in der Höhe von 287 000 Franken an.
Die Schulpflege indes rechnet mit einem Betrag von 720 000 Franken. Demnach müsste das Gebäude bis spätestens 2029 saniert sein. Die Schulgemeinde hält gegenüber der NZZ fest, dass das Schulhaus Radon-saniert werden müsse. Radon ist ein Edelgas, das nach Angaben der kantonalen Baudirektion Lungenkrebs hervorrufen kann. Die weitaus günstigere Offerte der IG Unterbach liege der Schulgemeinde nicht vor, schreibt Schulpräsident Ludescher auf Anfrage.
Regierungsrat stützt den Entscheid der Schulgemeinde
Doch davon lassen sich die Unterstützer der Schule Unterbach nicht beirren. Der Medienverantwortliche der IG behauptet, dass Schulkinder aus Unterbach künftig bis zu einer Stunde täglich im Bus verbringen würden. Und er wirft dem Schulpräsidenten vor, intransparent zu politisieren, die Kommunikation zu verweigern und die Bevölkerung (der Aussenwacht Unterbach) vor vollendete Tatsachen stellen zu wollen. Ludescher widerspricht dieser Darstellung, ohne die Contenance zu verlieren.
Das zeigt sich in einem Telefonat, das die NZZ am Montag mit dem parteilosen Schulpolitiker geführt hat. Eine Fahrt mit dem Schulbus von Unterbach hinunter ins Dorf dauere zehn bis fünfzehn Minuten. Dass sich Eltern gegen die Schliessung der Schule ihrer Kinder zur Wehr setzten, sei legitim. Dass sie angehört werden wollten, ebenso. «Aber der Entscheid über Schulstandorte liegt von Gesetzes wegen in der Kompetenz der Schulpflege», sagte Ludescher. Aus seinen schriftlichen Antworten geht zudem hervor, dass die Schule Hinwil frühzeitig auf betroffene Eltern zugegangen ist und vorhat, dies auch weiterhin zu tun.
Die IG Unterbach hat beim Bezirksrat Rekurs eingelegt gegen den Entscheid, das örtliche Schulhaus ab dem übernächsten Schuljahr zu schliessen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens könne er keine weitere Angaben zu den Argumenten der IG machen, schreibt Ludescher. Und: «Wir verstehen, dass die Schliessung eines Schulhauses Fragen aufwirft.»
Keine weiteren Fragen indes gibt es zum Budget und zum künftigen Steuerfuss der Schulgemeinde Hinwil. Der Regierungsrat hat kraft seiner Kompetenz in einer budgetlosen Lage am vergangenen Freitag entschieden, den Vorschlag der Schulgemeinde vom März zu genehmigen. Das Budget 2025 wird somit einen Aufwandüberschuss von einem Prozent ausweisen. Der Steuerfuss der Schulgemeinde wird wie von der Schulpflege beantragt um 7 Prozent erhöht. Das Notbudget wird per sofort aufgehoben.
Damit wären Skitage wieder möglich – sofern in den Bergen noch Schnee liegt.