Beim Brustkrebs ist die Selbstuntersuchung zwar umstritten. Denn Frauen, die ihre Brüste abtasten, leben dadurch nicht länger. Warum es trotzdem sinnvoll sein kann, ein gutes Gespür für den eigenen Körper zu haben. Ein Beitrag in der Rubrik «Hauptsache, gesund».
Es war ein Schock. Megan, eine gute Freundin meiner Frau, rief an, um es ihr mitzuteilen: Gerade war bei ihr Brustkrebs diagnostiziert worden. Erblich belastet, hatte Megan schon lange die Sorge mit sich getragen, dass es auch sie eines Tages treffen könnte, so wie andere Frauen in ihrer Familie.
Sich abzutasten, zum Beispiel nach dem Baden oder beim Eincremen, war für sie deshalb selbstverständlich. Und als sie die kleine, gerade eben tastbare Verhärtung spürte, ging sie sofort zur Mammografie, die turnusmässig erst in knapp einem Jahr wieder angestanden hätte. Jetzt hoffen wir alle mit Megan und ihrer Familie, dass der noch sehr begrenzte Tumor gut behandelbar ist und die benachbarten Lymphknoten nicht betroffen sind.
Megan ist kein Einzelfall. Jeder Frauenarzt kennt Patientinnen, die bei sich selbst das erste Anzeichen dieser häufigsten Krebserkrankung bei Frauen entdeckt haben. Allerdings: Wenn frau eine «kleine Verhärtung» ertasten kann, ist diese aus Sicht von Krebsspezialisten gar nicht mehr so klein, sondern bereits einen bis zwei Zentimeter gross. Bildgebende Techniken wie die Mammografie erkennen viel kleinere Tumoren, bei denen eine grössere Heilungschance besteht.
Bemerkenswerterweise hat in den USA eine wichtige Expertenkommission schon vor einigen Jahren gefordert, die Selbstuntersuchung nicht länger zu propagieren. Denn in zwei grossen Studien war die Krebssterblichkeit bei Frauen, die ihre Brust regelmässig selber abtasteten, nicht geringer als bei Frauen, die sich «nur» auf gynäkologische und radiologische Untersuchungen verliessen.
Zudem führten die Ärzte bei den sich selbst untersuchenden Frauen häufiger Biopsien durch, die den ertasteten Befund in den meisten Fällen als gutartig identifizierten. Die psychische Belastung der Betroffenen in der Wartezeit, bis das mit Erleichterung aufgenommene Resultat vorlag, wurde gegen die Selbstuntersuchung ins Feld geführt. Wie auch die höheren Kosten.
Den fehlenden Effekt auf die Brustkrebssterblichkeit erkennt auch die Deutsche Krebsgesellschaft an. Wie andere Fachgesellschaften weist sie jedoch darauf hin, dass «das Abtasten und In-Augenschein-Nehmen der eigenen Brüste» das Gespür für den eigenen Körper erhöht. «Frauen lernen dabei Besonderheiten der eigenen Brust kennen und können Unregelmässigkeiten besser einordnen.»
Das Gespür für den eigenen Körper sollten Frauen – wie auch Männer – auch wegen anderer Gefahren für die eigene Gesundheit hochhalten. Sie müssen ja nicht gerade zu Hypochondern werden. So sollte es selbstverständlich sein, die sonnenexponierten Hautstellen wie das Gesicht hin und wieder genau zu betrachten. Denn auch für das Melanom, den bösartigen und von UV-Strahlen ausgelösten Hautkrebs gilt: Je früher er entdeckt wird, desto besser kann er behandelt werden.
Was speziell die Männer angeht: Auch wenn viele ungern darüber sprechen, wird das regelmässige Abtasten der Hoden von Urologen als sinnvolle Massnahme zur Früherkennung von Hodenkrebs angesehen. Dieser Krebs tritt vorwiegend in der Altersgruppe der 15- bis 45-Jährigen auf und ist insgesamt deutlich seltener als Brustkrebs. Übrigens: Auch Brustkrebs können Männer kriegen. Die Fälle bei ihnen machen jedoch nur etwa ein Prozent aller Brustkrebserkrankungen aus.