Auf Whatsapp, auf Slack, bei der Google-Suche: Seit einigen Tagen antworten einem überall künstliche Intelligenzen. Dass man sie Assistenten nennt, ist eine Beleidigung für jeden Menschen mit diesem Job.
Es begann vor ein paar Tagen auf der Plattform Slack, dem Chatprogramm für Kommunikation am Arbeitsplatz. Plötzlich meldete sich eine neue Stimme. «KI-Übersicht» heisst sie, und sie fasst zusammen, was in verschiedenen Gruppen geschrieben wurde, während man mit anderem beschäftigt war.
Das liest sich zum Beispiel so: «Der Newsroom hat das Unwetter in den USA auf dem Radar, und X. berichtet, dass der Text von Y. bereits aktualisiert wurde.» Oder: «A. bleibt wegen eines kranken Kindes zu Hause, woraufhin B., C., D. und E. Genesungswünsche aussprechen und F. einen ‹Happy Sick Day› wünscht.» Wer sich durch alle Meldungen des Bots scrollt, es sind etwa 15, wird mit einem Feuerwerk aus Pokal-Emojis belohnt.
Auch in anderen Apps drängen sich diese künstlich intelligenten Helfer auf. Mehr und mehr Firmen bauen sie ungefragt in ihre Dienste ein. Auf Whatsapp ist der Meta-Chatbot aufgetaucht, eine künstliche Intelligenz (KI) die, gleich wie Chat-GPT, Fragen beantworten kann, nur direkt im Whatsapp-Chat. Und selbst wer seine Fragen ganz altmodisch auf Google eintippt, entkommt der KI nicht. Noch vor den normalen Suchergebnissen erscheint eine KI-Zusammenfassung.
Die Mär von der KI-Sekretärin
KI-Assistenten werden diese Programme oft genannt. Mehr Effizienz, mehr Zeit für das wirklich Wichtige, versprechen die Hersteller. Die Routine erledige von nun an die KI. Jeder darf sich wie ein Chef fühlen, der sich mit halb geschlossenen Augen im Ohrensessel zurücklehnt, während die Sekretärin die wichtigen Dinge rapportiert. Ein Zug an der Zigarre, dann wird entschieden, unterschrieben.
Die Vorstellung ist natürlich illusorisch. Das spürt man bereits am Ton der Slack-KI: «Weiter geht’s. Du hast etwa 6 Minuten gespart, indem du 48 Nachrichten in 3 Channels aufgeholt hast», treibt sie einen an. Redet so jemand mit seiner Chefin?
Zudem ist fragwürdig, ob Zusammenfassungen wirklich produktiver machen. Die Nachricht einer Kollegin über ihr krankes Kind überfliegt man mühelos, vor allem wenn sie schon wieder am Schreibtisch nebenan sitzt. Die umständliche Zusammenfassung der KI hingegen ist anstrengend fürs Gehirn. Oder E-Mails: Manche muss man gar nicht erst öffnen, um sie als unwichtig zu erkennen. Bei anderen wiederum kommt es auf jedes Detail in der Formulierung an.
Von einem menschlichen Assistenten würde man genau diese Unterscheidung erwarten: dass er einem Unwichtiges vom Leib hält und einen an Wichtiges erinnert. KI ist davon weit entfernt.
Sie kann noch nicht einmal verlässlich zusammenfassen. Das wissen die Hersteller. Slack warnt vor möglichen «ungenauen Informationen» in den Zusammenfassungen, Meta vor «falschen» und «unangemessenen» Nachrichten. Google sagt ganz lapidar: «Generative KI ist experimentell.» Tech-Firmen schliessen so ihre Haftung aus. Ein Mensch mit dieser Arbeitsmoral wäre seinen Job bald wieder los.
Jede ungebetene Zusammenfassung verbraucht Energie
Am ehesten verzeiht man das alles noch der KI von Meta. Denn die tut mindestens nicht so, als würde sie einem dabei helfen, produktiver zu sein. Sie bietet sich einfach für einen Plausch an. Sie drängt sich auch nicht ungefragt auf, sondern reagiert nur auf Fragen. Ganz anders als die künstlichen Intelligenzen von Slack und Google, die KI-Zusammenfassungen automatisch erstellen, ohne dass man sie darum gebeten hat. Das ist nicht nur nervig, sondern auch ein Umweltproblem. Denn jede Antwort der KI verbraucht in irgendeinem Cloud-Datenzentrum Strom – je länger der zusammengefasste Text, desto mehr.
Anvertrauen aber sollte man sich auch der Meta-KI nicht. Sie warnt einen sogar selbst davor, sensitive Informationen preiszugeben, weil diese mit anderen Firmen geteilt werden könnten, wahrscheinlich zu Werbezwecken. Auch das ist ein relevanter Unterschied zu einem kompetenten Chefsekretär. Der erzählt keine Geheimnisse weiter.