In Los Angeles hat der deutsche Auswanderer Rudi Klein einen Blechfriedhof mit Tausenden europäischen Luxusautos zusammengetragen. Jetzt kommen die letzten 200 Wracks von Mercedes, Porsche, BMW und Lamborghini unter den Hammer.
Eine baufällige Bretterwand in einer weniger feinen Gegend im Süden von Los Angeles, ein rostiges Tor aus Wellblech, eine vergitterte Tür und unter einem Schild, von dem die Buchstaben blättern, eine kleine Klingel – ausser dem Stacheldraht und den vielen Kameras darüber gibt es keinen Hinweis auf das, was einen hier erwartet.
Doch wer durch das Tor zu «Porche Foreign Auto» schlüpft, der traut seinen Augen kaum: Auf einer Fläche, grösser als ein Fussballfeld, stapeln sich hier Dutzende, nein Hunderte Autos in einem beklagenswerten Zustand. Nur, dass die fensterlosen Rostlauben mit den hohlen Augen, den leeren Motorräumen und den zerzausten Kabinen keine Chevys sind, keine Chryslers, Jeeps oder Cadillacs.
Sie waren in ihrem ersten Leben ausnahmslos europäische Luxusautos, und keines der Wracks ist jünger als 20 Jahre, sondern eher 30, 40 oder gar 80 Jahre alt: Porsche 356 und 911 aus allen Generationen, Mercedes 300 SL und seine Nachfolger Pagode oder R107, alte S-Klassen, 600er auch als Pullmann, dazu ein paar Audis und BMWs und nebenbei noch einige Rolls-Royce, Lamborghinis oder Ferraris.
Zusammengetragen hat diese ausgeblichenen und von der gnadenlosen Sonne Kaliforniens oft bis aufs nackte Blech verbrannten Klassiker der deutsche Emigrant Rudi Klein. Mit 18 von Rüsselsheim aus der Einfachheit halber erst einmal nach Kanada ausgewandert, hat er dort das Metzgern gelernt. Irgendwann hatte er sich ein Ticket nach Los Angeles zusammengespart und, in Kalifornien angekommen, erkannt, dass mit dem Ausschlachten von Autos womöglich mehr zu verdienen ist als mit dem Ausbeinen von Rindern und Schweinen.
Also tauschte Klein Messer und Knochensäge gegen Schraubenschlüssel und Schweissbrenner. 1966 eröffnete er hier in der gefährlichen Gegend für ganz kleines Geld seinen ersten Schrottplatz. Und weil er Deutscher war, kümmerte er sich in erster Linie um deutsche Autos.
Den Nachschub für sein gewaltiges Gebrauchtteilelager besorgte sich der Auswanderer im ganzen Land und später sogar in Übersee bei Versicherungen, die Unfallautos – lange vor der Erfindung des Internets – en Block und meist nur für den Schrottwert versteigerten.
War damals selbst ein Mercedes-Flügeltürer nur ein Haufen billigen Altmetalls, sind die erlesenen Rostlauben heute die begehrte Basis für eine millionenschwere Restaurierung. So bildeten sich auf Kleins Hof immer längere Reihen mit Hochregalen voller Abbruchautos. Hunderte, wahrscheinlich Tausende Porsches hat er hier gelagert, genauso viele Mercedes, ein paar Maybachs und Audis und auch ein paar andere Exoten aus Europa. Die Mauern zum Schutz der Ware vor Oldtimer-Dieben wurden mit der Zeit immer höher.
Denn während vorne im Büro die Geschäfte florierten und sich Klein als umtriebiger Krämer erwies, hielt er hinten eisern dicht und liess kaum je einen Fremden auf den Platz. Erst recht nicht, seitdem er auch ein paar komplette Autos behielt und für eine spätere Sammlung auf die Seite stellte.
So wurde die «Klein Collection» zu einem Mythos in der Sammlerszene, von der zwar jeder wusste, die aber kaum jemand mit den eigenen Augen gesehen hatte. Und selbst wer ihn – bevorzugt auf Deutsch und am besten natürlich auf Hessisch – tatsächlich zum Einlass überreden konnte, der wollte nicht glauben, was es da zu sehen gab. Und Beweisfotos gab es nicht, denn Fotografieren war verboten.
«Rudi Klein war ein komischer Kauz und hat sein Geschäft sehr zurückgezogen betrieben», erzählen Rudi Kleins Nachfahren, die nicht minder öffentlichkeitsscheu sind und deshalb weder gezeigt noch benannt werden wollen. Dass wir jetzt zu den wenigen Auserwählten zählen, die hier dennoch über den Friedhof der «Goldtimer» flanieren dürfen, hat einen einfachen Grund: «Rudi Klein starb 2001, auch seine Frau lebt längst nicht mehr – und für uns wird es Zeit, mit der Vergangenheit abzuschliessen», lässt die Familie ausrichten.
Viel mehr als vielleicht den alten VW-Bus mit dem blassen Schriftzug «Porche Foreign Auto» auf der einen und «Auto Haus Klein» auf der anderen Seite, mit dem Rudi und später seine zwei Söhne die Ersatzteile auslieferten, wollen die Erben deshalb nicht behalten.
Für alles andere haben die Nachfahren das Auktionshaus RM Sotheby’s ins Boot geholt. Es soll den Schrott versilbern und brachte zu diesem Zweck zwei der spektakulärsten Stücke kürzlich zur Oldtimer-Schau nach Pebble Beach: Mit einem von nur 29 Mercedes-Flügeltürern mit Aluminium-Karosserie und einem 500K, der 1930 an keinen Geringeren als an die Rennfahrerlegende Rudolf Caracciola ausgeliefert wurde, machten die Auktionatoren Werbung für eine Versteigerung, wie es sie so wohl noch nie gegeben hat: Am letzten Samstag im Oktober kommt der gigantische Fundus unter den Hammer. Nicht wie üblich ein oder zwei, sondern fast 200 Autos.
Die beiden Mercedes sollen den Kennern den Mund wässrig machen. «Aber das ist natürlich längst nicht alles», sagt Andrew Olsen von RM Sotheby’s. Namen wie Horch, Maserati, Bentley oder Ferrari klingen in den Ohren der Experten. Und wenn Olsen seine Auktionsobjekte zeigt, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Drei Wochen lang hat der Projektleiter Olsen mit knapp einem Dutzend Kollegen versucht, auf dem Schrottplatz ein wenig Ordnung zu schaffen. Das Team vertiefte sich in Kleins dicken Bestandsbüchern und eruierte Zeile für Zeile, welches Wrack zu welchem der insgesamt 7000 Einträge zählt. Mit Kreide wurde jene Nummer aufs Blech geschrieben, unter der die Stücke einzeln oder im Paket hier live oder parallel dazu im Internet versteigert werden.
«Mit grossen Augen und offenem Mund gingen wir durch die Reihen und erlebten bei jedem Schritt eine neue Überraschung», sagt Olsen. Zum Beispiel, als sie in einer Gitterbox einen 275er Ferrari in Teilen fanden oder einen Ersatzmotor für einen Lamborghini Miura entdeckten.
«Und dann standen wir plötzlich im Teilelager.» Dort, wo sein Team jetzt alles fein säuberlich sortiert hat, stolperten die Auto-Archäologen des britischen Auktionshauses über riesige Haufen und Halden, deren System sich allenfalls für Rudi Klein erschlossen haben mag. «Für uns dagegen war es ein riesiges Puzzle, und wir mussten bei vielen Teilen forschen, zu welcher Marke und welchem Modell sie gehören könnten.»
Doch drei Wochen Staub, Schweiss und Hitze haben sich gelohnt: Wenn Olsen seine seltenen Gäste jetzt durch die windschiefen Schuppen führt, können sie zumindest wieder die Tür zu Rudi Kleins Büro öffnen, das genauso schlicht eingerichtet ist, wie es sein privater Fuhrpark war.
Denn bis ihm Audi im Gegenzug für eine Leihgabe ans Museum einmal eine Limousine zur Verfügung stellte, «war er jeden Tag in einer anderen Rostlaube unterwegs und fand sichtlich Gefallen am ersten Neuwagen in seinem Leben», erinnert sich die Familie. «Kein Wunder, dass er den Audi nicht wieder zurückgeben wollte und sie uns damals den Händler auf den Hof gehetzt haben.»
Die Gäste können genau wie später die Auktionskunden durch die Gänge laufen und gefahrlos die Leiter in den Dachboden hochklettern, auf dem in Reih und Glied ausgebaute Autotüren hängen, Hunderte Sonnenblenden eingelagert sind, Kopfstützen gestapelt werden oder an einer Leine reihenweise Lenkräder hängen.
Und Kenner können hier staunen, immer wieder staunen. Denn neben alten Ersatzteilkatalogen aus den 1950er Jahren, Gebrauchsanweisungen und Schränken voller Nummernschildern, ein paar Kühlermasken von Rolls-Royce, Radkappen von Porsche und mannshohen Stapeln mit Autoradios findet sich ein originales Schaltgetriebe für den 300 SL, aber auch kistenweise Zylinderkopfdichtungen oder Zündspulen – alle noch originalverpackt.
Und wenn man irgendwann glaubt, man habe alles gesehen, entdeckt man im nächsten Schuppen, drei ganze und einen halben Lamborghini Miura. Nur um zum krönenden Abschluss in einer weiteren Wellblechhütte gleich zwei Maybachs zu finden, ein staatstragendes Cabrio und einen, der nach dem Krieg eine moderne Karosserie bekommen hat. Und während bei den Autos auf den Aussenplätzen oft nicht viel mehr erhalten ist als die Fahrgestellnummer, sehen ein paar der schlafenden Schätze in den Hallen so aus, als müsste man nur irgendwo in dem Chaos den Schlüssel finden und könnte gleich damit losfahren.
Wie viele von den 200 Autos jemals wieder fahren werden und welche das sind? Auf diese Frage weiss auch der Projektleiter Olsen keine Antwort. Denn günstig lasse sich wohl kaum eines dieser Wracks wieder reparieren – egal, wie viel es nachher bringen möge, schätzt der Experte. «Aber Leidenschaft kann man ja zum Glück nicht berechnen und auch nicht mit Geld aufwiegen.»
Doch für Olsen und seinen Arbeitgeber ist die Klein Collection in erster Linie ein grosses Geschäft. Schliesslich rechnen sie locker mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Dollar. Und weil zumindest hinter den Kulissen viele Oldtimer-Liebhaber arbeiten, haben sie eine noch grössere Hoffnung, als dass möglichst oft – und spät – der Hammer fällt. «Es ist», so sagt es Olsen, «eine wunderbare Vorstellung, einige der Rostlauben und Wracks vielleicht schon in ein paar Jahren in Pebble Beach oder auf anderen Concours zu sehen – und zwar im alten Glanz.»