Im Kampf um den englischen Meistertitel treffen Liverpools Jürgen Klopp und Pep Guardiola von Manchester City zum vorerst letzten Mal aufeinander. Es ist der Showdown in einem Trainerduell, das den Weltfussball wie kein zweites geprägt hat.
Die Fussballtrainer Jürgen Klopp und Pep Guardiola sind wie Feuer und Wasser. Sie gehören zusammen und auch nicht. Sich als Fan zwischen ihnen entscheiden zu müssen, entspricht etwa der Frage, ob man Hitze oder Kälte bevorzuge. Die einen werden Hitze sagen, die anderen Kälte – die meisten dürften die goldene Mitte auswählen.
Im vergangenen Jahrzehnt hat kein Trainerduell den Weltfussball mehr geprägt als die Auseinandersetzung zwischen Klopp und Guardiola. 29 Mal fand die Partie bisher statt, öfter als jede andere gegenwärtige Paarung im Spitzenfussball. Erstmals trafen beide 2013 aufeinander, als Guardiola in Diensten des FC Bayern und Klopp von Borussia Dortmund war. Ihre Rivalität hat sich ausgeprägt wie die von Alex Ferguson und Arsène Wenger, die mit ihren Klubs einst 49 Pflichtspiele gegeneinander absolviert hatten.
Respektvolle Art der Rivalität
Allerdings lassen sich die Ferguson-Wenger-Matches in puncto Hochwertigkeit und Wichtigkeit in der Summe kaum mit denen von Guardiola und Klopp vergleichen. In neun gemeinsam in einer Liga absolvierten Spielzeiten – in der Bundesliga von 2013 bis 2015 und seit 2016 in der Premier League – haben die zwei Ausnahmekönner mit Manchester City und Liverpool FC vier Mal die ersten zwei Tabellenplätze belegt.
In der Champions League erreichte in fünf der vergangenen sechs Spielzeiten entweder Guardiola oder Klopp den Final. Und in England gingen zuletzt 18 von 25 Pokalen an einen der beiden – darunter alle sechs Meisterschaften, womöglich auch der Titel in diesem Jahr wieder.
Der Premier-League-Ausgang dürfte sich massgeblich in einer Woche entscheiden, wenn Klopps Liverpool Guardiolas Manchester City empfängt. Sofern sich die beiden Klubs nicht auch noch im FA Cup messen, wird nach der Rücktrittsankündigung des 56-jährigen Klopp zum Saisonende ihr 30. Duell das vorerst letzte sein.
Eine tiefgehende Analyse kann Michael Reschke liefern. Der Funktionär kennt beide so gut wie nur wenig andere. Als Technischer Direktor des FC Bayern hat Reschke die Guardiola-Zeit in München unmittelbar miterlebt und damit den Beginn der Konkurrenz zu Klopp. Im Telefonat mit der «NZZ am Sonntag» betont Reschke gleich zu Beginn, dass es sich um eine «unglaublich respektvolle Art der Rivalität» handle. Klopp und Guardiola schätzten sich «über die Massen», obwohl die Unterschiede zwischen ihnen ausgeprägter seien als die Gemeinsamkeiten, sagt er. Und diese Andersartigkeit scheint den Wettstreit der beiden so faszinierend zu machen.
Für beide Trainer gilt mittlerweile nur der maximale Erfolg als gut genug. Sie einen die Liebe zum Spiel und ihre Intelligenz, die sich in einer ausserordentlichen Fach- und Vermittlungskompetenz sowie einer hohen Authentizität ausdrückt. Auch der Umgang mit der Öffentlichkeit weist Ähnlichkeiten auf: Guardiola und Klopp schützen ihre Spieler, Mannschaften und Vereine gegen jede Kritik. Und sie sind nie freigestellt worden – weil sie dafür schlicht «zu gut» seien. Reschke hält sie «für die besten Trainer ihrer Generation».
Doch diese Dinge tun sie auf ihre eigene Art. Als Mensch wirke Guardiola wie eine Violine und Klopp wie ein Schlagzeug, analysiert Reschke. Stets gibt sich der Katalane strategisch, detailliert, fokussiert. Er sucht mehr die Distanz als die Nähe, wie es Klopp tut. Die Zugänglichkeit macht den Deutschen gefühlsbetont, ungezwungen und entspannt. Aus den Attributen ergebe sich, dass Guardiola «mehr Einfluss auf den Fussball und Klopp mehr auf die Fans» nehme. Die Aussage bestätigt sich durch das Vermächtnis der beiden.
Guardiola ist es durch taktische Innovationen auf seinen Stationen Barcelona, München und Manchester gelungen, die Entwicklung des Fussballs mitzugestalten. Seine Ideen dienen Kollegen als Inspiration. Dem 53-Jährigen liegt die Schönheit des Spiels am Herzen, er definiert sich und seine Teams über sie.
Klopps Wirken bemisst sich vielmehr an der ausgelösten Begeisterung. So ist es ihm an allen Standorten – bei Mainz 05, Borussia Dortmund und in Liverpool – gelungen, einen strauchelnden Verein zu stärken und die Fans zu euphorisieren. Zum Abschied plant der LFC, eine Parade für Klopp abzuhalten. Bei Guardiola dürfte es in Manchester eines Tages auf eine Statue hinauslaufen.
Das Fundament für die Anerkennung von Klopp und Guardiola bildet der ausserordentliche Erfolg. Dabei repräsentieren die Spielweisen ihre Persönlichkeiten, sie wirken sogar wie ein Abbild. Peps Ballpassagen gleiten elegant und gleichmässig dahin wie Wasser; Klopps Feuerfussball ist mächtig, intensiv und zügellos. Reschke meint, die Teams von Klopp würden «die Gegner auffressen, die von Guardiola sie filetieren».
Dass sich beide seit Jahren in England wohlfühlen, liegt auch daran, dass sie zu ihren Ausrichtungen den vermutlich idealen Verein gefunden haben. Liverpool bekräftigt als alter Leidenschaftsklub mit Sitz im mythischen Anfield das Gemeinschaftserlebnis. Zwar hat die Durchkommerzialisierung auch die Reds vereinnahmt, sie gehören seit 2010 der amerikanischen Investorengruppe Fenway Sports. Aber die Eigentümer verfolgen ein Modell, wonach sich der Klub finanziell selbst tragen soll.
Zum Vergleich ist Manchester der Inbegriff eines investorengeführten Klubs, den 2008 die Herrscherfamilie des Emirats Abu Dhabi aufgekauft hat. City macht kein Hehl daraus, die Vernunft über die Emotion zu stellen.
Zwölf Siege für Klopp, elf für Guardiola
Aus dieser Konstellation ergibt sich, dass Guardiola tendenziell als Favorit und Klopp als Herausforderer wahrgenommen wird. Und die Leute wollen eher Guardiola als Klopp verlieren sehen. Bei Guardiola werde nach Niederlagen auch nach Fehlern gesucht, bei Klopp finde das nicht im gleichen Umfang statt, sagt Reschke.
Trotz dem Dauerwettbewerb drücken beide Trainer bei jeder Gelegenheit ihre Bewunderung für den anderen aus. Klopp wird nicht müde, Guardiola als «besten Trainer der Welt» zu preisen. Er wünschte sich witzelnd, dieser hätte sich «eine Vier-Jahres-Auszeit» genommen. Und Guardiola ehrt Klopp als «grössten Rivalen», der ihn besser gemacht habe. Wenn dieser seinen Rückzug vollziehe, werde «ein Teil von City verlorengehen», prophezeit er.
Das Duell von Jürgen Klopp und Josep Guardiola gleicht einem Spiel der Elemente. Feuer kann Wasser verdunsten, und Wasser kann Feuer die Energie nehmen. Zwölf Mal hat Klopp bisher gewonnen, elf Mal Guardiola. Wie es diesmal ausgehen wird, lässt sich nicht prophezeien. Nur eines steht wohl fest: Es wird sehr heiss werden in Anfield.
Das Ende einer grossen Liebe – wie weiter, Liverpool?
Die Suche nach einem Nachfolger für Jürgen Klopp dürfte für den Liverpool Football Club herausfordernd werden. So wie für den Trainer, eine ähnlich reizvolle Aufgabe im Fussball zu finden. Seit Ende Januar, als Klopp verkündete, nach über acht Dienstjahren aus seinem bis 2026 laufenden Vertrag zum Saisonende auszusteigen, vergeht kein Tag ohne Spekulationen über mögliche Kandidaten für den frei werdenden Posten.
Grundsätzlich dürfte es dem Klub nicht an Interessenten mangeln, er gehört zu den attraktivsten Adressen im Weltfussball. Aber die Ansprüche von Liverpool sind durch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Klopp stark gestiegen.
So wird für den LFC vermutlich nur ein ausgewählter Kreis an Trainern infrage kommen, unter ihnen bestimmt der begehrte und bis 2025 an Bayer Leverkusen gebundene Xabi Alonso. Der Baske spielte von 2004 bis 2009 für die Reds, gewann nach einer historischen Aufholjagd im Final die Champions League 2005. Dadurch wäre ihm die Beliebtheit der Fans garantiert. Und mit seiner überlegten Art würde er auch einen Gegenpol zu seinem emotionalen Vorgänger bilden. Doch tut sich Alonso die Nachfolge von Klopp wirklich an – und damit wohl auch die unvermeidlichen Vergleiche mit dem Deutschen?
Ein Blick auf andere Spitzenvereine zeigt, dass der Übergang von einem lange währenden Trainer in eine neue Ära selten reibungslos verlaufen ist. Die prominentesten Beispiele sind Manchester United und der Arsenal FC, die den Verlust ihrer Ewigtrainer Alex Ferguson und Arsène Wenger nicht auffangen konnten. Dieselbe Erfahrung machten in gewisser Weise auch der FC Barcelona, der FC Bayern und Borussia Dortmund: Erstere zwei Vereine hängen dem Trainer Pep Guardiola nach, der letztgenannte Klub sehnt Klopp zurück.
Für den ging es seinerzeit aus Dortmund nach Liverpool. Nur was kann nach Liverpool, dem leidenschaftlichsten aller Leidenschaftsvereine, noch kommen? Topklubs wie Real Madrid, Paris Saint-Germain oder die Bayern würden nicht unbedingt in das bisherige Spektrum des 56-Jährigen passen. Eine andere Klubtätigkeit in England hat Klopp von sich aus ausgeschlossen. Bliebe eigentlich nur eine Liverpool-Rückkehr oder die Übernahme einer Nationalmannschaft. Deutschland, England, die USA: Der Trainer könnte sich das Land wohl aussuchen.
Zunächst legt Jürgen Klopp eine Pause ein. Die täte wahrscheinlich auch dem Liverpool FC gut – aber eine solche Auszeit kann sich der Klub nicht nehmen.