Die Herbstauktionen in New York wurden angeführt von der Versteigerung der Sammlung Emily Fisher Landau, die allein 406 Millionen Dollar für 31 Lose einspielte.
Der internationale Kunstmarkt kämpft derzeit an vielen Fronten: Die hohen Zinsen, eine Immobilienkrise in China – und dann sind da natürlich die beiden Kriege, der eine in Europa, der andere im Nahen Osten, mit ihren Folgen nicht zuletzt für Portemonnaie und Psyche der potenziellen Kundschaft. So ist gerade in der New Yorker Kunstwelt die Verunsicherung nach der jüngsten Gewaltexplosion in Israel mit Händen zu greifen. Auch wenn die Vorbehalte gegenüber Israel oder gar Antisemitismus in der liberalen Metropole weit weniger sichtbar sind als anderswo, verlaufen die Debatten nicht minder hitzig.
Der Riss läuft quer durch die Fakultäten prominenter Universitäten, genauso wie durch Künstlerschaft und Redaktionsstuben; erst kürzlich etwa musste der Chefredakteur von «Artforum» seinen Hut nehmen, weil sich das einflussreiche Kunstmagazin in der Wahrnehmung vieler unreflektiert israelkritisch positioniert hatte.
So könnte man also meinen, dass die Versteigerung einer berühmten Kunstsammlung genau die rechte Dosis Ablenkung für ein gestresstes Publikum markierte – auch wenn bei mehrstelligen Millionenpreisen für die meisten sowieso nur ein Platz als Zaungast reserviert war.
Das grosse Feuerwerk blieb dann zwar aus. Und dennoch vermittelten die Ergebnisse, die Sotheby’s diese Woche auf seiner Abendauktion für Werke aus der Emily Fisher Landau Collection erzielte, einen Hauch von Normalität in chaotischen Zeiten. 406 Millionen Dollar für 31 Lose, das konnte sich sehenlassen. Es ist natürlich zu beachten, dass das Konvolut weitgehend mit Garantien oder sonstigen Rückversicherungen versehen war. Denn zu gross war das Risiko: Nicht nur befindet sich der Markt in einer labilen Korrekturphase und hätte einen Misserfolg nur schwer verkraftet. Auch ist die Provenienz einfach zu bedeutend, als dass man sich eine handfeste Blamage hätte leisten können.
Trophäen amerikanischer Nachkriegskunst
Emily Fisher Landau, die im Frühjahr im Alter von 102 verstarb, galt als ein wahres Urgestein der New Yorker Kunstwelt. Sie war nicht nur wichtige Mäzenin des Whitney Museum, sondern unterhielt auch ihr eigenes Privatmuseum im Stadtteil Queens. Der Schwerpunkt der aus rund 1500 Werken bestehenden Sammlung hatte dabei stets auf amerikanischer Nachkriegskunst gelegen.
Doch offensichtlich schlich sich auch der eine oder andere Hochkaräter aus früheren Tagen in diese Kollektion ein. Da war etwa Pablo Picassos kraftvolles Porträt von Marie-Thérèse Walter aus dem Jahr 1932 – derart springt das Bild in seinen knalligen Primärfarben den Betrachter an, dass es auch trefflich neben einen Lichtenstein oder Warhol passt. Der Hingucker war denn auch der Star des Abends und wurde per Telefon für insgesamt 139 Millionen Dollar zugeschlagen.
Für eine wunderbare vertikale Abstraktion von Georgia O’Keeffe in zarten Gelb- und Rosatönen wurden 5,7 Millionen Dollar bewilligt, während Jasper Johns’ ikonische «Flags» aus dem Jahr 1986 insgesamt 41 Millionen Dollar einspielten. Prominent vertreten in der Sammlung Fisher Landau war stets Ed Ruscha; dem Kalifornier widmet auch das MoMA derzeit eine umfangreiche Schau mit Arbeiten, die sich längst im Kanon der Pop-Art wiederfinden. Solch ein frühes Gemälde von 1964, auf dem in roten Lettern das Wort «Boss» zu lesen ist, kam nun auf fast 40 Millionen Dollar, ein späteres mit dem wie verflüssigten Schriftzug «Mint» sollte knapp 13 Millionen kosten.
New Yorker Grössen
Weniger Westcoast-Pop, dafür umso mehr mit New Yorker Geschichte versehen war dann ein Werk von Mark Rothko. Als überhaupt erste aus der berühmten Serie kam am Mittwoch eine der lila-braunen Leinwände zum Aufruf, die der Künstler eigentlich für das Restaurant Four Seasons an der Park Avenue angefertigt hatte. Mit 22 Millionen Dollar blieb das Werk aber klar unterhalb der Taxe. Die gesuchten Rothkos haben gelb oder rot-orange zu sein – und nicht schummrig.
Auch ein frühes Grid-Bild von Agnes Martin erweckte Erinnerungen an ein längst vergangenes New York. Entstanden bereits 1961 in ihrem Atelier in Downtown, lange bevor die Künstlerin in die Einsamkeit New Mexicos übersiedelte, entpuppte sich «Grey Stone II» dabei als wahrer Renner und wurde von zahlreichen Bietern auf einen neuen Rekordwert von 18,7 Millionen hochgesteigert.
Ob die in der Summe eher verhaltenen Ergebnisse der Fisher-Landau-Session als Indikator für die Befindlichkeit des breiteren Marktes dienlich sind, wird freilich erst die nächste Woche zeigen, wenn an gleicher Stelle die reguläre Zeitgenossen-Auktion stattfindet. Auf den Block kommen dann auch Arbeiten von Eva Hesse, Robert Gober oder Christopher Wool aus der Sammlung Chara Schreyer. Und auch das Abschneiden eines grossen Selbstporträts von Jean-Michel Basquiat, das auf 40 bis 60 Millionen taxiert ist, dürfte aufschlussreich sein.
Denn die tendenzielle Schwäche des Marktes hatte sich bereits zum Saisonauftakt am Abend zuvor bei Christie’s bemerkbar gemacht. Nur selten liessen sich dort Bieter aus der Reserve locken, und wenn überhaupt, dann bei der jungen Kunst. Wie verengt dabei der Blick des Auktionsmarkts in diesem Segment momentan ist, zeigte einmal mehr die vorliegende Auswahl.
Da war zum einen die Gruppe von (unterschiedlich begabten) Malerinnen – und anderseits die «People of Color». Es stellt eine immense Bereicherung dar, dass beide endlich angemessene Beachtung finden. Die wiederum fast ausschliessliche Fixierung auf sie bildet jedoch mitnichten die tatsächliche Vielfalt der zeitgenössischen Kunstproduktion ab. Und so läuft auch diese wichtige Korrektur bei der Repräsentation vormals marginalisierter Positionen Gefahr, zum spekulativen «Hype» zu verkommen – mit der allzu absehbaren Gegenreaktion.
Gesichert dürfte derweil die Stellung des kalifornischen Malers Henry Taylor sein (geb. 1958), der bei Christie’s mit einem Porträtbild vertreten war, das mit 819 000 Dollar auf rund das Doppelte der Taxe kam. Auch der 2019 früh verstorbene Matthew Wong verfügt inzwischen über eine treue Sammlergemeinde. Seine enigmatische Landschaft «Night 1» erzielte hier einen Wert von 4,1 Millionen Dollar (Taxe 2,5 bis 3,5 Millionen).
Die Preise für Gemälde der Amerikanerin Jacqueline Humphries kommen hingegen weit weniger vom Fleck, und so war die Nachfrage nach einer grossformatigen Arbeit von 2011 am Dienstag eher flau (478 000 Dollar). Der freudlose Abend im Rockefeller Center schlug sich denn auch im überschaubaren Endergebnis von 107 Millionen Dollar nieder.