Was die Edel-Tuner Singer und Sportec für den Porsche 911 sind, das ist Memminger für den VW Käfer. Denn nirgends wird der Klassiker aus Wolfsburg so gründlich restauriert und so feinfühlig modernisiert wie im bayrischen Reichertshofen. Und nirgends ist er teurer.
Eigentlich suchte er nur ein Käfer-Cabrio für seine Frau. Leider waren seine Ansprüche an den Zustand des legendären Volkswagens höher als das, was der Gebrauchtwagen-Markt hergab. Zumal Georg Memminger gelernter Metallbauer ist. Er stellt entsprechend hohe Ansprüche ans Blech.
1972 baute er auf dem Dach des Münchner Olympiastadions einen Steg für die Zeltdach-Tour – eine Art Laufsteg für die Ewigkeit. Nun wollte er auch beim Auto für seine Frau keine Vergänglichkeit akzeptieren.
Also hat er nicht nur ein paar Roststellen ausgebessert und ein bisschen neu lackiert, sondern fast die gesamte Karosserie neu aufgebaut. Und weil sich Memminger nicht nur mit Stahl und Blech auskennt, sondern auch passionierter Rennfahrer und Le-Mans-Veteran ist, hat er sich gleich noch vertieft um Motor und Fahrwerk gekümmert.
Das ist jetzt genau 25 Jahre her, und aus einem Cabrio für ein paar Sonnenstunden mit seiner Frau sind rund 300 fast fabrikneue Käfer für Liebhaber und Petrolheads in ganz Europa geworden. Denn keiner restauriert und modernisiert den Weltmeister aus Wolfsburg so gründlich und liebevoll wie der heute 75-jährige Memminger.
Zum Team gehören auch sein Sohn, der nicht «Junior» genannt werden will und deshalb lieber mit «Schorsch» statt mit «Georg» unterschreibt, und weitere zehn Mitarbeiter. In der Käfer-Szene geniesst Memminger deshalb einen ähnlich guten Ruf wie der Brite Rob Dickinson in der Porsche-Gemeinde, der mit seiner amerikanischen Firma Singer der Baureihe 964 des 911 neues Leben einhaucht.
Die Käfer-Schmiede steht in Reichertshofen, auf halber Strecke zwischen Ingolstadt und München. Hier verwandelt das Memminger-Team innerhalb von neun Monaten eines der über 100 in Memmingers Hallen gelagerten Wracks nach dem anderen in Oldtimer, die besser sind als jeder Neuwagen.
«30 Jahre sollen die mindestens halten», so definiert der Chef seinen Anspruch und rechtfertigt damit auch die stolzen Preise, die bei 171 000 Euro beginnen. Doch der Wert dieser Käfer sinkt über die Jahre kaum: Wer sich nach zehn Jahren von seinem Memminger trennt, muss weder Alterungserscheinungen beschönigen noch nennenswerte Abschläge in Kauf nehmen. Auch das ist – gemessen an den wenigen tausend Euro Startpreis für den Basis-Käfer – eine Parallele zum amerikanischen Porsche-Tuner Singer.
Nur noch ein Fünftel bleibt vom Original übrig
Zwar hegen die Memmingers eine tiefe Wertschätzung für das Original und haben einige echte Schätze und Raritäten in ihrer Sammlung. Der Käfer wurde von 1938 bis 1978 in Deutschland und bis 2003 in Mexiko gebaut. Doch für ihre Kunden haben die Käfer-Tuner den Dauerbrenner inzwischen fast komplett neu entwickelt. Stolz zeigt Memminger eine Explosionszeichnung, auf der 80 Prozent der Bleche rot markiert sind, weil er sie neu produzieren liess – mit besserer Passform und mit Korrosionsschutz für die Ewigkeit.
Nur das Blech mit der Fahrgestellnummer ist ihm heilig. Erstens stellt es so etwas wie die Geburtsurkunde jedes Käfers dar, und zweitens braucht er es für das in Deutschland für historische Fahrzeuge übliche H-Kennzeichen. Solange das so bleibt und die Memmingers sich am Geist der Zeit orientieren, statt etwa einen Elektroantrieb einzubauen, wird der Käfer ein Oldtimer bleiben.
Zumindest in der Theorie. In der Praxis hingegen fühlen sich die Memminger-Käfer wie Neuwagen an – nicht nur, weil die Türen satter ins Schloss fallen als beim Original, der Lack tiefer glänzt und die Polster mehr Halt bieten als bei einem der 21,5 Millionen aus der VW-Fertigung. Auch nicht wegen der Sitzheizung oder des Navis, das Memminger auf Wunsch dezent in das Cockpit integriert.
Wie neu wirken die restaurierten Volkswagen vor allem, weil die Käfer beim bayrischen Spezialisten zu Sportlern werden. Sie verfügen über mehr Motorleistung, als sich VW je getraut hätte, und ein Fahrwerk, das mit solcher Leistung und den damit verbundenen Kräften umgehen kann. Wo es früher in Deutschland maximal 50 PS ab Werk gab, hat Memminger schon den Basismotor auf 2,3 Liter Hubraum vergrössert und entlockt ihm so bis zu 110 PS.
Und wer es ernst meint, dem baut er einen sogenannten Typ-4-Motor aus Bulli oder Porsche 914 ein, der in Reichertshofen ebenfalls kräftig erstarkt. Damit boxen die vier Kolben durch 2,7 Liter Hubraum, und mit der richtigen Nockenwelle kommt der Einspritzer auf 210 PS Leistung und 270 Nm Drehmoment. Bei weniger als 1000 Kilogramm Leergewicht ist der Fahrspass garantiert. Dank dem Leistungsgewicht eines Lotus beschleunigt ein Memminger-Käfer in rund 6 Sekunden auf Tempo 100 und jagt die Erinnerung an den gemütlichen Kriecher auf der deutschen Autobahn aus dem Gedächtnis.
Das Fahrwerk macht den Käfer flotter denn je
Und bei voller Fahrt muss niemand Angst haben, dass er abhebt. Denn mit dem neuen Bilstein-Fahrwerk steht der Memminger-Käfer fest auf der Strasse, mit der Servolenkung hält man auch ohne die Oberarme eines Eisenbiegers zuverlässig den Kurs. Und wer sich erst einmal an die schmalen, stehenden Pedale und das Vierganggetriebe gewöhnt hat, will die einsamen Landstrassen des bayrischen Hinterlands gar nicht mehr verlassen.
Kein Wunder, dass Georg Memminger immer wieder seinen VW Touareg oder Audi A3 stehen lässt und in den Käfer umsteigt. Am liebsten im Winter, wenn der alte Rennfahrer aus ihm herausbricht und er mit einer Heckschleuder von 170 PS über die verschneiten Landstrassen fliegt, dass die Fahrer im elektrischen Urenkel des Käfers aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.
Memminger fühlt sich bei der Arbeit am Käfer wohl. Zwar hat er auch schon einmal den Kopf ins Heck von Käfer-Verwandten wie dem VW Karmann-Ghia oder dem Porsche 914 gesteckt. Kurz vor der Pandemie wollte er sich den Traum vom eigenen Einzelstück erfüllen und entwarf einen modernen Roadster im Geiste von gestern. Doch zu mehr als dem Prototyp, der jetzt prominent im Showroom steht, hat es bisher nicht gereicht.
Es fehlt dem Tuner schlicht die Zeit für andere Modelle. Denn er muss noch so viele Käfer zum Fliegen bringen, um sich auch noch darum kümmern zu können. Zumal der mittlerweile 75-Jährige eigentlich nur noch zwei Tage in der Woche in die Firma kommt und sonst lieber nur noch Auto fährt. Denn nachdem er in den letzten 25 Jahren so vielen VW-Fans ihre Käfer-Träume erfüllt hat, ist er jetzt mal selbst an der Reihe.