Der Zusammenstoss eines Militärhelikopters und eines Linienflugzeugs mit vielen Toten am Flughafen Washington deutet auf fehlende Kommunikation im Funkverkehr.
Auch wenn noch etliche Fragen bezüglich der Ursache des Zusammenstosses eines Passagierflugzeugs vom Typ Bombardier CRJ-700 und eines Militärhelikopters vom Typ Blackhawk nahe dem amerikanischen Hauptstadt-Flughafen in Washington D. C. offen sind, scheint eines klar zu sein: Beide Crews im jeweiligen Cockpit waren Profis.
Die Bombardier CRJ-700 ist ein bewährtes zweistrahliges Verkehrsflugzeug mit bis zu 75 Plätzen, geflogen von einer Zwei-Mann-Crew. Auch einen militärischen UH-60-Blackhawk-Helikopter fliegen keine Anfänger.
Der mittelschwere Zwei-Turbinen-Helikopter des US-Herstellers Sikorski für bis zu zehn Personen an Bord ist mit seiner Flugelektronik (Avionik) und seinen Kollisionswarnsystemen genauso ausgerüstet wie ein modernes Passagierflugzeug. Er wird üblicherweise ebenfalls von einer Zwei-Personen-Crew gesteuert, bei Dunkelheit auch oft unter Zuhilfenahme von Night-Vision-Googles, also Nachtsichtbrillen, die das Restlicht verstärken und so eine bessere Sicht sowie Erkennbarkeit des umgebenden Terrains ermöglichen.
Beim Landeanflug hatte der Jet Priorität
Der Zusammenstoss fand offenbar innerhalb der sogenannten Kontrollzone des Flughafens Washington in lediglich etwa 100 Metern Höhe statt. Das Linienflugzeug war im stabilen Landeanflug auf die Runway 33 und hätte wenige Sekunden später aufsetzen sollen. In dieser Phase, dem sogenannten «Final», hat ein Verkehrsflugzeug immer «eingebaute Vorfahrt».
Die Piloten im Flugzeug konzentrieren sich auf das bevorstehende Aufsetzen auf der Piste und hatten in Washington zwar bei Nacht, aber klaren Sichtverhältnissen ungestörten Blick auf die vor ihnen liegende Landebahn, wohl in einem «Visual Approach», also einem Anflug nach Sicht und nicht über ein Instrumentenlandesystem. In dieser Phase verlässt sich die Crew darauf, dass der Tower-Lotse alle anderen Luftfahrzeuge, egal, ob Flugzeug oder Helikopter, von ihrem Flugweg fernhält.
Denn innerhalb der Kontrollzone dürfen Flugbewegungen nur nach Anweisungen des Lotsen mit einer Freigabe vorgenommen werden. Zusätzlich ist in der Kontrollzone immer das Aktivieren eines sogenannten Transponders des Luftfahrzeugs zwingend vorgeschrieben. Dadurch sieht der Lotse genau, wo und wie hoch jedes Luftfahrzeug ist und in welche Richtung es wie schnell fliegt.
Kam die Tower-Nachricht bei der Helikopter-Crew an?
Das war bei dem Unfall anscheinend auch so, denn der Lotse hatte laut ersten Aufzeichnungen die Helikopterbesatzung per Funk angefragt, ob diese das anfliegende Linienflugzeug in Sicht habe. Falls ja, hätte er dem Blackhawk erlaubt, nachdem der Jet vorbeigeflogen wäre, anschliessend dessen Flugweg zu kreuzen.
Ob und was die Helikopter-Crew auf die Frage antwortete, ob die Bombardier CRJ-700 in Sicht sei, ist derzeit noch unbekannt. Allerdings war es Nacht, der Helikopter flog vermutlich auf fast gleicher Höhe wie das landende Verkehrsflugzeug. Es kann gut sein, dass die beiden Helikopterpiloten erst Ausschau halten mussten, wo die angekündigte Linienmaschine überhaupt sein könnte.
Denn trotz aktivierten Antikollisions- und Positionslichtern der Bombardier ist es schwer, in Dunkelheit aus dem Blackhawk-Cockpit gegen ein helles und blinkendes Lichtermeer über einer Grossstadt wie Washington ein anfliegendes Flugzeug zu erkennen. Möglicherweise waren die Helikopterpiloten noch am Suchen des Verkehrsflugzeugs, oder sie verwechselten es mit einer bereits kurz zuvor gelandeten Maschine ähnlichen Typs, als sie – wie Videos vermuten lassen – seitlich in die Bombardier krachten. Für die Airliner-Crew kam die Kollision vermutlich völlig unvermittelt, sie hatte daher keine Chance für ein Ausweichmanöver.
Die Rettungsarbeiten an den beiden in den Fluss Potomac abgestürzten Luftfahrzeugen rufen bei älteren Bewohnern von Washington ein tragisches Déjà-vu wach: Bereits im Januar 1982 war eine Boeing 737 unmittelbar nach dem Start in Washington bei Dunkelheit in den Potomac gestürzt. Damals war die Maschine vor dem Start bei winterlichen Bedingungen nur unzureichend enteist worden, worauf die Boeing nach dem Abheben keine Höhe gewinnen konnte.
Sie prallte zunächst auf eine Brücke und sank dann in den vereisten Potomac. Von den 79 Insassen an Bord des Verkehrsflugzeugs überlebten nur vier Passagiere und ein Besatzungsmitglied nach einer dramatischen Rettungsaktion. Zudem starben bei dem Absturz vier Autofahrer auf der Brücke.