Seit wenigen Wochen befindet sich Chinas erster selbst entwickelter Passagierjet im Linienbetrieb. Jetzt strebt der Hersteller Comac auf den Weltmarkt. Doch der Staatskonzern hat noch viele Hürden zu überwinden.
Mit welch breiter Brust Chinas Flugzeughersteller Comac vor internationalem Publikum auftritt, liess sich in der vergangenen Woche auf der Zhuhai Air-Show im Süden Chinas besichtigen. In der Halle 3 des Messezentrums belegte der Staatskonzern mit seinem Stand einen Grossteil der Fläche.
Draussen auf dem Rollfeld parkierten gleich zwei Flugzeuge des Modells C919, dem neuen Kurz- und Mittelstreckenjet von Comac. Der Konkurrent Airbus aus Europa trat dagegen bescheiden auf. Im Schatten des Stands der Chinesen unterhielt das Unternehmen einen winzigen Messestand.
Comac trägt dick auf, denn der Flugzeughersteller hat grosse Pläne. Nachdem das Unternehmen im vergangenen Jahr den C919 vorgestellt hat, befindet sich das Konkurrenzmodell zu Boeings 737 und dem A320 von Airbus seit September im Linienbetrieb.
Die drei Fluggesellschaften Air China, China Eastern Airlines und China Southern Airlines bedienen mit insgesamt elf Maschinen vom Typ C919 die Ziele Peking, Schanghai und Chengdu. Die drei Staatskonzerne haben darüber hinaus jeweils rund 100 weitere Flugzeuge bei Comac bestellt. Comac will die Maschinen zwischen 2024 und 2031 ausliefern.
Das Zulassungsverfahren in Europa läuft
Mittelfristig will Comac mit seinen Flugzeugen auch auf den europäischen und den amerikanischen Markt. Die Zulassung bei der europäischen Flugsicherheitsbehörde Easa läuft derzeit. Im Juli untersuchten die Behördenvertreter die Elektronik des Jets und die Struktur des Chassis. Ausserdem nahmen sie den Simulator der C919 unter die Lupe. Gemäss den Berichten war das Feedback positiv.
Das Zulassungsverfahren, das sich derzeit in der sogenannten Phase 3 befindet, könnte bereits im kommenden Jahr abgeschlossen sein. «Das Flugzeug ist sehr sicher», sagt auch ein europäischer Luftfahrtexperte. Gerade bei der Luftfahrt legen die chinesischen Behörden traditionell grossen Wert auf absolute Sicherheit. Bei Zwischenfällen und Abstürzen kann China auf eine der weltweit besten Bilanzen verweisen.
Für eine Zulassung des Verkehrsflugzeugs in den USA wird dieses den Chinesen vermutlich wenig nutzen. Das Zulassungsverfahren bei den amerikanischen Behörden hat noch nicht einmal begonnen. Unter einer neuen Administration des designierten Präsidenten Donald Trump dürfte ein Antrag kaum Aussicht auf Erfolg haben.
Airlines aus Asien zeigen Interesse an der C919
Comac buhlt darum derzeit vor allem bei Fluggesellschaften in Asien um Aufträge. Billig-Airlines aus Indonesien, Brunei, Vietnam und Laos sollen Interesse am C919 bekundet haben. Auch eine Fluggesellschaft aus Brasilien befindet sich mit dem Konzern aus China in Gesprächen.
Eines der grössten Probleme des chinesischen Herstellers sind die geringen Fertigungs- und Wartungskapazitäten. Der Konkurrent Airbus kann im Monat zehn Mal so viele Maschinen bauen wie Comac im Jahr. Während die Europäer Fertigungen in Toulouse, im chinesischen Tianjin und in Mobile im amerikanischen Gliedstaat Alabama betreiben, hat die Konkurrenz aus China lediglich ein Werk in Schanghai.
Dazu kommen Abhängigkeiten von Unternehmen aus dem Westen. Zwar hat die chinesische Regierung in den vergangenen Jahren grosse Anstrengungen unternommen, um bei wichtigen Technologien unabhängiger von Lieferanten aus dem Ausland zu werden. Beim Flugzeugbau sind die Chinesen allerdings bei fast allen wichtigen Komponenten auf Unternehmen aus dem Westen angewiesen.
Die Triebwerke liefert ein Gemeinschaftsunternehmen von General Electric (GE) und Safran Aircraft Engines aus Frankreich. Das Fahrwerk kommt von Liebherr aus Deutschland. Auch bei der Hydraulik und den Navigations- und Kommunikationssystemen ist Comac auf Firmen aus dem Ausland angewiesen. Reifen, die Systeme zur Treibstoffversorgung und Flugschreiber kommen aus den USA.
Als nächstes bringt Comac einen Langstreckenjet
Sollte sich die Konfrontation zwischen China und dem Westen in den nächsten Jahren weiter verschärfen und sollten ausländische Regierungen weitere Sanktionen und Ausfuhrbeschränkungen verhängen, könnte dies für den chinesischen Flugzeugbau zu einem ernsten Problem werden.
Sowohl GE als auch Liebherr haben bereits öffentlich angekündigt, weiter mit Comac zusammenarbeiten zu wollen – auch beim nächsten Grossprojekt des chinesischen Staatskonzerns, dem Langstreckenflugzeug C929. Mit dem Modell, das Comac schon in drei Jahren auf den Markt bringen will, wollen die Chinesen gegen den A350 von Airbus und die Boeing 787 antreten.
Alex Vlielander, Chief Customer Officer bei Liebherr, sagte laut einem Bericht der Zeitung «South China Morning Post», Abgesandte von Liebherr wollten sich in Schanghai mit Comac-Vertretern treffen, um Möglichkeiten einer Zusammenarbeit beim C929 auszuloten.
GE sucht gemäss dem Bericht nach «weiteren Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf vielen Feldern». Das Unternehmen sei stets interessiert, «Möglichkeiten für Anwendungen bei neuen Triebwerken» zu prüfen.
Liebherr will in China expandieren
Liebherr betreibt eine Fertigung im zentralchinesischen Changsha. Dort produziert die Firma Teile für den C919 und für das Vorläufermodell C909. Das Unternehmen plant, die Fabrik zu erweitern.
Trotzdem blendet das Unternehmen geopolitische Risiken nicht aus. «Wir sorgen uns wegen der Geopolitik, weil wir die Auswirkungen nicht kennen», sagt Vlielander an der Zhuhai Air-Show. Das Problem sei nicht so sehr die gegenwärtige geopolitische Situation, sondern vielmehr die Ungewissheit darüber, was die einzelnen Länder planten.
Chinas Regierung hatte den Flugzeughersteller Comac im Jahr 2008 gegründet. Bei der Entwicklung des C919 kam es immer wieder zu Verzögerungen. Zu den Gründen haben sich die chinesischen Behörden nie öffentlich geäussert.