Das Geld für weitere milliardenschwere Grossprojekte wird knapp. Ein Alternativvorschlag setzt auf den Ausbau bestehender Strecken.
Der Bund rechnet bei den beschlossenen Bahnausbauten mit Mehrkosten von rund 14 Milliarden Franken, wie die NZZ publik machte. Die nötigen Projekte für das bessere Angebot ab 2035 kosten damit fast doppelt so viel, wie das Parlament bewilligt hat. Der grösste Teil der Mehrkosten entfällt auf die SBB. Da die Mittel im Bahnfonds knapper werden, wird der Spielraum für weitere teure Grossprojekte wie die Tiefbahnhöfe Luzern und Basel enger. «Es braucht jetzt eine saubere Analyse und eine Gesamtschau, was möglich und prioritär ist», sagte Bundesrat Albert Rösti der «NZZ am Sonntag».
Ein pensionierter Ingenieur der SBB-Division Infrastruktur bringt nun eine Alternative zum Tiefbahnhof Luzern ins Spiel. Die Schweiz müsse künftig riesige Summen investieren, in die Infrastruktur, aber auch in die Gesundheit oder Sicherheit, sagt er. Neue Investitionen seien deshalb dort zu realisieren, wo das Kosten-Nutzen-Verhältnis am besten und die Netzwirkung am grössten seien. Der Luzerner Tiefbahnhof schneide diesbezüglich im Vergleich zu anderen Grossprojekten in der Schweiz eher schlecht ab, insbesondere wenn er wie geplant etappiert werde.
Für den früheren SBB-Ingenieur liegt ein Plan B auf der Hand. In seinem Papier, das der NZZ vorliegt, schlägt er Ausbauten der bestehenden Strecken und Anlagen vor. Die Strecke von Zürich ist heute von Ebikon bis vor Luzern nur einspurig. Der Verfasser empfiehlt, diese ab dem Westende des Rotsees bis zur Verzweigung mit der Strecke von Olten auf Doppelspur auszubauen. Dafür müsste ein kurzer Tunnel neu gebaut und die Reussbrücke ersetzt werden. Die Unterquerung der Autobahn sei bereits für zwei Geleise vorbereitet. Die neue Doppelspur müsste so gebaut werden, dass später ein weiterer Tunnel möglich wäre, um die Einspurlücke am Rotsee ganz zu schliessen.
Von der Verzweigung bis vor den Gütschtunnel ist die Strecke schon heute dreispurig. Der frühere SBB-Mann will den Gütschtunnel um eine dritte Röhre erweitern und die anschliessende Strecke bis zur Paulusplatzbrücke ebenfalls auf drei Spuren erweitern. Dafür wären grosse Tiefbauarbeiten und Stützmauern nötig. Von der Paulusplatzbrücke bis zum Bahnhof Luzern besteht ein drittes Gleis. Es dient der Abstellung von Zügen und würde künftig zur dritten Spur umfunktioniert.
Tiefere Kosten, kürzere Bauzeit
Die Zufahrten sind jedoch nur ein Problem. Auch der heutige Sackbahnhof Luzern kommt an seine Grenzen. Der frühere SBB-Ingenieur schlägt deshalb vor, beim Gleis 1, das heute zur Abstellung von Zügen dient, auf der Stadtseite einen Perron zu bauen. Zudem wäre zu prüfen, ob das Gleis 2 inklusive Perron verlängert werden könnte. Dieses ist heute verkürzt und endet vor einem Trakt des Bahnhofs. Dazu müsste das Erdgeschoss des Gebäudes, das auf Stelzen steht, geräumt werden. Dies wäre aufwendig, würde aber einen langen Perron schaffen.
Ein Schwachpunkt des Vorschlags ist, dass Bauarbeiten bei laufendem Betrieb anspruchsvoll sind, was auch der Verfasser einräumt. Beim Ausbau des Bahnknotens Liestal sei dies jedoch ebenfalls möglich gewesen, sagt er. Zudem hätten die SBB in Luzern in den Neunzigerjahren die zwei Zufahrtstunnels zum Bahnhof angepasst, damit Doppelstockzüge verkehren könnten. Der Verkehr sei monatelang in guter Qualität auf nur einem Gleis abgewickelt worden.
Der Plan hätte einen weiteren Vorteil: Die Bauzeit wäre um Jahre kürzer als bei einem Durchgangsbahnhof. Die Touristenstadt Luzern würde von einer zehnjährigen, höchst komplexen und riesigen Baustelle verschont, sagt der pensionierte SBB-Mann. Den Touristikern sei nicht bewusst, was auf sie zukomme. Ein solches Vorgehen würde der Stadt Luzern zudem die Chance bieten, die Strecke in Nähe des Gütschtunnels teilweise zu überdecken.
Um die genauen Kosten des Alternativvorschlags zu prüfen, wäre eine Projektstudie nötig. Dieser werde zwar nicht die gleiche Leistungssteigerung wie ein Durchgangsbahnhof bringen, sagt der Verfasser. Der Vorschlag würde jedoch die Kapazität für die nächsten 50 Jahre erhöhen, und das sicher zu einem Bruchteil der Kosten. Zudem könnte das Bauvorhaben in einzelne Etappen aufgeteilt werden, die jeweils sofort nutzbar wären.
Für Luzern ist der Zug abgefahren
Der Tiefbahnhof Luzern gehört zu jenen Projekten, die der Bund für den nächsten Schritt des Bahnausbaus prioritär prüfen muss. Die Planungen seien weit fortgeschritten, heisst es beim Bundesamt für Verkehr (BAV). Als Basis dient ein Rahmenplan, den die SBB 2018 erarbeiteten. Dieser kam zum Schluss, der Tiefbahnhof sei die beste Option, gerade um das Bahnnetz im Raum Luzern langfristig weiterzuentwickeln.
Ähnliche Alternativvorschläge habe man schon untersucht, sagt der BAV-Sprecher Michael Müller. Ein substanzieller Ausbau des Angebots im Knoten Luzern sei nur mit einem Tiefbahnhof möglich. Der bestehende Bahnhof sei am Limit und biete oberirdisch nicht genügend Entwicklungsmöglichkeiten. Beim Plan B bleibe die Kapazität begrenzt, insbesondere für langfristig erforderliche 400 Meter lange Züge und die zusätzlich benötigten Perrons.
Auch für den Kanton Luzern ist der Zug für neue Vorschläge abgefahren. «Die Phase der Variantenstudien ist abgeschlossen», sagt Sabine Ruoss, Projektleiterin für den Tiefbahnhof. Bereits 2015 seien zahlreiche Varianten geprüft worden. Ein Bericht im Auftrag des Kantons kam ebenfalls zum Schluss, der Tiefbahnhof mit Durchmesserlinie sei die beste Variante. Nur mit diesem könnten die bestehenden Engpässe behoben und das Angebot deutlich verbessert werden, sagt Ruoss.
Auch der Zentralschweiz ist allerdings klar, dass der finanzielle Spielraum für den Luzerner Tiefbahnhof enger geworden ist. Luzern, Nidwalden und Obwalden setzen nun ein Zeichen. 30 Politiker aus den Kantonen reisen am Dienstag nach Bern, um Standesinitiativen zu übergeben. Sie verlangen, dass der Tiefbahnhof mit dem nächsten Ausbauschritt finanziert und spätestens bis 2040 vollständig eröffnet werde.