Kritiker halten die Schätzung des Online-Vergleichsdiensts Comparis über den weiteren Anstieg der Krankenkassenprämien für verfrüht. Die Kosten im Gesundheitswesen dürften aber weiter steigen.
«Krankenkassenprämien steigen 2025 um 6 Prozent»: Mit dieser Prognose hat der Online-Vergleichsdienst Comparis am Donnerstag für Wirbel gesorgt.
Dies liegt vor allem am Timing. Am 9. Juni stimmt das Schweizervolk schliesslich über die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP und die Kostenbremse-Initiative für das Gesundheitswesen der Mitte ab. Teuer könnte vor allem die erste der beiden Vorlagen werden: Ihr zufolge sollen Versicherte höchstens 10 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien aufwenden müssen – käme sie durch, würden die Bundesfinanzen wohl mit zusätzlichen Milliarden Franken belastet.
Träte die Comparis-Prognose ein, käme es zur dritten saftigen Anhebung der Krankenkassenprämien in Folge – nach den Erhöhungen von 6,6 Prozent für 2023 und 8,7 Prozent für 2024. Die Angst vor noch höheren Prämien könnte Stimmbürger folglich dazu bringen, am 9. Juni trotz der schwierigen Folgen für den Bundeshaushalt ein Ja in die Urne zu legen.
Kritik an der Krankenkassenprämien-Prognose
Unter Branchenvertretern sorgt die Comparis-Schätzung folglich für Kritik. «Für eine Prognose der Krankenkassenprämien für 2025 ist es noch zu früh», sagt Matthias Müller, Leiter Politik und Kommunikation beim Krankenkassen-Branchenverband Santésuisse. Die Krankenversicherer bereiteten gerade erst ihre Prämiengesuche an das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor, sie hätten diese noch gar nicht eingereicht. Die Eingabefrist hierfür ist erst der 31. Juli. Die Kommunikation der Prämien durch das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) erfolgt dann erst in der zweiten Septemberhälfte.
Noch deutlicher wird der Gesundheitsökonom Pius Gyger. Comparis verfüge nicht über die Angaben aus den Prämien-Budget-Prozessen der Krankenversicherer. «Es sind zwangsläufig grobe Schätzungen, die auf der Basis der Geschäftsberichte gemacht werden. Die Angaben sind nicht nachvollziehbar.»
«Ein weiterer Anstieg der Krankenkassenprämien für das kommende Jahr ist realistisch», sagt Marcel Thom, Partner und Leiter Krankenversicherung bei dem Beratungsunternehmen Deloitte Schweiz. Allerdings sei der Umfang des Prämienanstiegs momentan noch sehr schwierig einzuschätzen, «auch angesichts der anstehenden Volksabstimmungen».
Kosten im Gesundheitswesen legen weiter zu
Ökonomen und Krankenkassenvertreter sind sich jedoch einig darüber, dass die Prämien weiter steigen dürften. «Die steigenden Gesundheitskosten machen uns grosse Sorgen, denn langfristig spiegeln sich höhere Kosten unweigerlich in höheren Krankenkassenprämien wider», sagt etwa Müller von Santésuisse.
Comparis-Gesundheitsexperte Felix Schneuwly begründet seine Prognose eines Anstiegs von 6 Prozent bei den Krankenkassenprämien im kommenden Jahr mit dem Wachstum der Gesundheitskosten. Laut der jüngsten Prognose des Online-Vergleichsdiensts zusammen mit der ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF) betrug dieses im vergangenen Jahr 4,1 Prozent. Für das laufende Jahr sei ein Anstieg von 3,6 Prozent und für 2025 ein solcher von 3,2 Prozent zu erwarten.
Viele Spitäler in der Schweiz wirtschafteten nicht mehr kostendeckend und verlangten folglich höhere Tarife, teilt Schneuwly weiter mit. Auch die Pflegeinitiative werde Kosten verursachen. In den vergangenen Jahren wären die Prämien allerdings laut Schneuwly weniger stark gestiegen, wenn das BAG die Krankenkassen nicht dazu gezwungen hätte, Reserven abzubauen.
Auch Stefan Felder, Professor an der Universität Basel, befürchtet, dass Gesundheitsausgaben und Krankenkassenprämien in den kommenden Jahren weiter steigen werden. «Alles ist auf mehr angelegt», sagt er. Die Bevölkerung habe hohe Ansprüche und frage mehr medizinische Leistungen nach. Hingegen gebe es keine Bestrebungen, sich stärker an den Kosten zu beteiligen. Zudem gebe es im System Anreize für Überbehandlungen.
«Bedauerlicherweise geht es auch bei der Einführung des Ärztetarifs Tardoc nicht vorwärts», sagt Felder. Jüngst gab es Meldungen, wonach SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider bei der Einführung des Tarifs eine weitere Runde drehen wolle. Der Tardoc soll den bisherigen Tarif Tarmed ersetzen, der als veraltet gilt und für Fehlanreize sorgt. So erhalten Ärzte und Spitäler für manche Behandlungen zu viel Geld, für andere hingegen nicht genug. Die Einführung des Tardoc soll die Kosten im Gesundheitssystem dämpfen.
«Die angespannte finanzielle Lage der Krankenversicherer, die tendenziell steigenden Kosten der medizinischen Leistungen sowie die erwartete Konjunkturentwicklung treiben die Krankenkassenprämien in die Höhe», sagt Thom.