Am Kapitalmarkttag präsentiert der Logistikkonzern Kühne + Nagel angepasste Mittelfristziele, die Aktien reagieren mit Verlusten. Anleger sollten abwarten.
Auf den ersten Blick klingt die Nachricht positiv: Der Schweizer Logistikkonzern Kühne + Nagel passt seine Mittelfristziele an und setzt auf Wachstum. Doch der Markt sieht den Schritt kritisch – die Aktien verlieren in der Spitze mehr als 4% auf 203 Fr. Die diesjährigen Kursgewinne schmelzen dahin.
Kühne + Nagel
Grund für die Kursverluste: Das ursprüngliche Ziel einer Konversionsrate von 25 bis 30% bis 2026 wird kassiert. Die Kennzahl, die das Verhältnis von Ebit zu Rohertrag misst, ist ein zentraler Indikator für die Rentabilität und steht bei Analysten besonders im Fokus. Sie lag 2024 bei 19,1%, nach über 30% in den Corona-Boomjahren 2021 und 2022, als Lieferengpässe für hohe Margen sorgten.
Neu strebt Kühne + Nagel bis 2030 ein jährliches Umsatzwachstum an, das 1,5 mal über dem globalen BIP-Wachstum bzw. dem Marktwachstum liegt, wie das Unternehmen am Investorentag in London mitteilte.
Kein Strategiewechsel, aber eine klare Kurskorrektur
«Es ist kein kompletter Strategiewechsel, aber ein Eingeständnis überzogener Ambitionen – und damit kein wirklicher Neustart», urteilt Michael Foeth, Analyst bei der Bank Vontobel. Der Fokus auf Wachstum sei zudem nicht neu.
Während es für den Gesamtkonzern kein Margenziel mehr gibt, bleibt dieses für die beiden Kernbereiche bestehen: Die kombinierte Konversionsrate für See- und Luftfracht soll bis 2030 rund 35% erreichen, bisher lag das Ziel bei über 40%. Ein weiteres klares Signal, dass der bisherigen Plan zu ambitioniert war.
«Für mich ist das eine Kurskorrektur, um die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen», sagt Marc Strub, Fondsmanager bei Reichmuth & Co. Die Ziele seien nach wie vor ehrgeizig, aber realistischer.
Kein DSV-Klon, sondern eigener Weg
Die neue Wachstumsstrategie erinnert im Ton an den dänischen Logistikkonzern DSV, der wie zuletzt bei Schenker mit aggressiven Übernahmen expandiert – und damit auch das Investoreninteresse auf sich gezogen hat.
Doch Foeth betont: «Kühne + Nagel verfolgt eine andere Strategie.» Während DSV auf grosse Transaktionen setzt, konzentriert sich der Konzern aus Schindellegi auf organisches Wachstum, ergänzt durch gezielte Akquisitionen.
Die Strategie ist daher weniger eine Nachahmung des DSV-Wegs, sondern vielmehr eine Weiterentwicklung des eigenen konservativeren Ansatzes, der Marktchancen wie Konsolidierung, Verlagerung der Lieferketten und neue Reedereiallianzen einbezieht.
Das Wachstumsziel spiegelt den ungebrochenen Appetit auf weitere Marktanteilsgewinne und die Verteidigung der unangefochtenen Führungsposition in der Seefracht wider. Ob dies mit dem konservativeren Ansatz gelingt, bleibt abzuwarten.
Vorsichtige Guidance als Vertrauenssignal
Als vertrauensbildende Massnahme nennt Kühne + Nagel erstmals eine Zielspanne für den wiederkehrenden Ebit im Jahr 2025: Er soll zwischen 1,50 und 1,75 Mrd. Fr. liegen (2024: 1,65 Mrd. Fr. ). Darüber hinaus wird als neue Dividendenpolitik eine Ausschüttungsquote von 80% angestrebt, was wohl im Sinne des Mehrheitsaktionärs Klaus-Michael Kühne ist.
Positiv ist auch, dass Kühne+Nagel künftig quartalsweise Updates liefert – ein klares Zeichen für eine bessere Kommunikation nach dem schlechten Erwartungsmanagement in der Vergangenheit. CEO Stefan Paul räumt im Webcast ein, dass der Austausch mit den Investoren verbessert werden müsse.
Die Spannbreite des anvisierten Ebit ist mit 15% (1,50 und 1,75 Mrd. Fr.) hingegen relativ gross. Sie dient offenbar als Puffer gegen externe Unsicherheiten wie der Krise am Roten Meer oder Handelsrisiken unter US-Präsident Donald Trump. «Die Marge wirkt wie eine Absicherung», sagt auch Strub.
Das Management zeigt sich bei den mittelfristigen Zielen nun realistischer und räumt indirekt ein, dass die bisherigen Annahmen zu optimistisch waren. Mit der Vorlage der Quartalszahlen am 24. April kann die Vertrauensbildung beginnen.
The Market ist der Ansicht, dass bei Kühne + Nagel Abwarten weiterhin die richtige Devise ist.