Die beiden Schweizer Biotech-Spezialisten werden von der Börse verschmäht. Beide Aktien handeln mit einem überdurchschnittlich hohen Abschlag auf ihren inneren Wert. Langfristig ergibt sich daraus eine Opportunität.
Die Schweizer Biotech-Spezialisten BB Biotech und HBM Healthcare Investments sind eine Erfolgsgeschichte – allerdings nur, wenn man die letzten drei Jahre ausser Acht lässt. Seit ihrem Höchst im Herbst 2021 haben die kotierten Investmentvehikel knapp die Hälfte (HBM) bzw. sogar 60% (BB Biotech) eingebüsst. Auch auf Sicht von fünf Jahren – also unter Ausklammerung des Coronabooms – sieht es vor allem bei BB Biotech nicht gut aus.
Beide Aktien hinken dem Nasdaq Biotechnology Index (NBI) klar hinterher.
Die Underperformance der Schweizer Biotech-Beteiligungsgesellschaften ist damit nicht nur auf das in den vergangenen Jahren schwierige Umfeld für Biotech-Unternehmen zurückzuführen. Sicher, Biotech braucht extrem viel Kapital und höhere Zinsen erhöhen die Finanzierungskosten für die oft defizitären Biotech-Gesellschaften. Zudem sind viele Unternehmen auf Risikokapitalgeber angewiesen, bei denen das Geld in schwierigen Phasen weniger locker sitzt. 2024 wird im Biotechsektor zwar wieder etwas mehr Geld aufgenommen, die letzten beiden Jahre waren diesbezüglich jedoch mager.
Aufnahme von Kapital im Biotechsektor, 2013 – 2024, in Mrd. $, weltweit
Doch vor allem bei BB Biotech, deren Aktien auf Fünfjahressicht sogar eine negative Entwicklung aufweisen (siehe Chart oben), ist die derzeitige Underperformance auch auf ein wenig glückliches Portfolio-Management zurückzuführen.
BB Biotech und die Moderna-Position
«BB Biotech hat über viele Jahre sehr gut abgeschnitten, doch nach dem Biotech-Boom 2021 ist die Reallokation des Portfolios nicht optimal verlaufen», sagt Thomas Meyer, Analyst beim Brokerhaus Baader Helvea. Zuletzt stellte sich etwa die Frage, ob das Investment-Team bei der grundsätzlich sehr erfolgreichen Position in Moderna – BB Biotech ist bereits vor dem IPO 2019 eingestiegen –, mehr Gewinne hätte realisieren müssen. Seit dem Hoch im Herbst 2021 hat sich der Wert des US-Biotech-Unternehmens, das vor allem für seinen Covid-Impfstoff bekannt ist, um fast 90% verringert.
Die Position in Moderna wurde seit Ende 2021, dem Höhepunkt des Booms, kaum verändert. Im Laufe des Jahres 2023 wurde sie sogar vorübergehend ausgebaut. Grundsätzlich kann es sinnvoll sein, an einer Position festzuhalten, wenn man vom Potenzial überzeugt ist. Geholfen hat die Moderna-Position der Performance in den letzten Jahren jedoch nicht. Gemäss Meyer haben zuletzt auch einige Fehlschläge bei Portfoliounternehmen, die in präklinischen Phasen forschen, den Aktienkurs von BB Biotech belastet.
Dass die Lage bei BB Biotech zuletzt nicht rosig ist und Anlegerinnen und Anleger schrittweise Vertrauen verloren haben, zeigt auch ein Blick auf die Entwicklung des Nettoinventarwerts (Net Asset Value, NAV) und dessen Abschlag zum Aktienkurs. Seit fast sieben Jahren war die Börse stets bereit, für BB Biotech eine Prämie zu zahlen. Das heisst, sie haben mehr bezahlt, als der damit verbundene Anteil am Portfolio eigentlich wert ist. Für ein kotiertes Beteiligungsunternehmen ist das ungewöhnlich, führen u. a. Unsicherheiten über den tatsächlichen NAV und Kosten wie Verwaltungs- oder Performancegebühren in der Regel zu einem moderaten Abschlag.
BB Biotech kam immer zugute, dass sie mindestens 90% ihrer Anlagen in kotierten Unternehmen hält, was die Transparenz erhöht. Noch wichtiger war aber ein anderer Punkt. «BB Biotech hat sich über einen langen Zeitraum einen Ruf als Überperformer erarbeitet», sagt Meyer. Während der Pandemie habe der Erfolg mit Moderna dem Unternehmen noch einmal zusätzliche Visibilität verschafft.
BB Biotech: Hoher Abschlag auf den inneren Wert
In der Tat zahlten Anleger im Hoch Anfang 2022 einen Aufschlag von über 40% auf den inneren Wert von BB Biotech. The Market warnte schon damals, dass sich in den Aktien zu viel Luft aufgestaut habe, was sich rückblickend als richtig erwiesen hat. Der NAV reduzierte sich bereits 2021, während sich die Aktien im selben Jahr noch auf einem erhöhten Niveau hielten. Ab 2022 korrigierten sie schliesslich ebenfalls. Die Prämie von über 40% hat sich mittlerweile zu einem Abschlag von fast 16% gewandelt. Damit ist der Discount so hoch wie seit acht Jahren nicht mehr.
BB Biotech betont auf Anfrage, dass sich – bedingt durch gute Nachrichten aus den Portfoliounternehmen, – der NAV im Oktober gut entwickelt habe, die Aktien darauf jedoch nur verzögert reagierten. Das decke sich auch mit den historischen Beobachtungen. Tatsächlich hat sich der innere Wert im Oktober wieder leicht positiv entwickelt, während der Aktienkurs weiter nach unten tendierte (siehe Grafik oben). Richtig ist aber auch: Der Abschlag zum inneren Wert vergrössert sich bereits seit Anfang Jahr deutlich.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der im Juli angekündigte Rücktritt von Daniel Koller, dem langjährigen Chef des Investment-Teams, der seit zwanzig Jahren im Unternehmen tätig ist. Im Januar übergibt das BB-Biotech-Urgestein an Christian Koch, einen der beiden stellvertretenden Leiter des Investment-Management-Teams. Offiziell tritt Koller freiwillig zurück, allerdings will sich BB Biotech ohnehin neu ausrichten – sowohl personell als auch portfoliotechnisch.
Vor kurzem habe man in der Schweiz eine neue Expertin im Bereich Onkologie sowie eine neue Kollegin in den USA eingestellt. Die Stabübergabe an Christian Koch werde bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, lässt das Unternehmen mitteilen. Zudem treibt BB Biotech eine Neugewichtung des Portfolios voran. Positionen in grosse Unternehmen werden laufend reduziert und das Geld in junge, dynamische Biotech-Unternehmen investiert.
HBM verfolgt einen Private-Equity-Ansatz
Bei HBM Healthcare Investments ist der Abschlag des Aktienkurses zum inneren Wert mit rund 25% noch grösser als bei BB Biotech. Ein Blick auf die Historie zeigt, dass der NAV-Discount von HBM traditionell höher ausfällt. In den vergangenen zehn Jahren waren Anleger nur während des Biotech-Booms in den ersten beiden Jahren der Coronapandemie bereit, eine Prämie zu zahlen. Ein Grund für den höheren Abschlag liegt im Private-Equity-Ansatz, den HBM verfolgt. Im Gegensatz zu BB Biotech, die fast ausschliesslich in kotierte Unternehmen investiert, machen private Unternehmen bei HBM meist zwischen 40 und 45% des Portfolios aus.
«Bei Fonds mit privaten Unternehmen ist es für Aussenstehende schwieriger einzuschätzen, an welchem Portfolio sie sich beteiligen», sagt Meyer. «Bei gelisteten Unternehmen ist dies um ein Vielfaches einfacher – dort weiss man, was drin ist.»
Warum investiert HBM in private Unternehmen? Gemäss Thomas Heimann, Analyst bei HBM, unterscheidet man sich damit von anderen Beteiligungsgesellschaften sowie von Aktien reiferer Unternehmen aus den Bereichen Biotech und Pharma. Ihr Vorteil sei, dass sie frühen Zugang zu Unternehmen haben. «Auch wenn wir nicht direkt in alle privaten Unternehmen investieren, haben wir sie zumindest bereits kennengelernt und können später, wenn sie an die Börse gehen, schnell investieren.» Man sei dann schneller in der Entscheidungsfindung als Fondsmanager, die das Unternehmen erst noch gründlich analysieren müssten.
Allerdings liegt auch bei HBM der derzeitige Abschlag (–25%) über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre (–14%). Ausser den genannten Makro-Themen, die BB Biotech und HBM gleichermassen belasten, dürfte bei letzteren noch ein zusätzlicher China-Malus hinzukommen.
Anders als BB Biotech, deren Positionen zu 100% in den USA und somit in Dollar gehalten werden, ist HBM geografisch breiter aufgestellt. Zwar liegt auch hier der Fokus klar auf den USA, doch 41% des Portfolios entfallen auf Anlagen ausserhalb Amerikas. Rund 12% entfallen auf China, was vor allem auf die grösste HBM-Position, Cathay Biotech, zurückzuführen ist. Das chinesische Unternehmen, das sich auf die Entwicklung neuer biobasierter Materialien spezialisiert hat, macht gemäss HBM derzeit ein Zehntel des Portfolios aus.
«Beteiligungen in China sind immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, weil man nie weiss, was der chinesischen Regierung morgen einfällt», sagt Meyer. HBM reduziert über die Zeit seine Position in Cathay, da die dreijährige Sperrfrist nach dem Börsengang in 2020 verstrichen ist. Allerdings sind dem Unternehmen wegen regulatorischer Beschränkungen bei der Geschwindigkeit die Hände gebunden.
Biotech mit Comeback-Chancen
Aus Sicht von The Market sind die tiefen Kursniveaus von BB Biotech und HBM Healthcare Investments langfristig attraktive Chancen, um an einem allfälligen Comeback von Biotech-Aktien zu partizipieren. Die Aktien eignen sich vor allem für Anleger, die in Biotech investieren möchten und gleichzeitig einen stetigen Einkommensstrom durch Dividenden schätzen – ein Vorteil gegenüber herkömmlichen Biotech-ETF. Vor allem BB Biotech gilt als zuverlässiger Dividendenzahler (derzeitige Rendite: 5,2%), doch HBM (Rendite: 4,2%) hat in den letzten Jahren aufgeholt.
Die Bilanz ist laut Baader-Analyst Meyer trotz der Verluste in den vergangenen Jahren sowohl bei BB Biotech als auch bei HBM gesund. «Natürlich gibt es Jahre, in denen beide Unternehmen Verluste verzeichnen, aber wichtiger für die Aktienkursentwicklung ist der Newsflow der Portfoliounternehmen.»
Auch stehen die Chancen gut, dass sich der Abschlag zum inneren Wert bald wieder reduzieren könnte. Ein grosses Thema hat in dieser Woche noch einmal zusätzliche Nahrung bekommen. Seit einigen Jahren setzen Biotech-Investoren auf eine zunehmende Übernahmeaktivität der grossen Pharmakonzerne. Grund: In den nächsten Jahren steuert Big Pharma auf eine grosse Patentklippe zu.
Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und die voraussichtliche Eroberung beider Kammern durch die Republikaner könnten die Hürden für grosse Deals senken. Die US-Handelsbehörde (Federal Trade Commission) hatte sich zuletzt bei Übernahmen oft quergestellt. Beobachter vermuteten im Vorfeld der Wahl, dass im Fall eines Trump-Siegs Anfang 2025 ein neuer Vorsitzender ernannt werden könnte, der Deals gegenüber aufgeschlossener ist. Von einer stärkeren Dynamik bei Übernahmeaktivitäten würden BB Biotech und HBM profitieren.
Auch günstige Nachrichten der Portfoliounternehmen von BB Biotech und HBM könnten bald wieder für eine bessere Stimmung sorgen. Heimann von HBM betont, dass bei Firmen wie Axsome, Biohaven, Merus und Zymeworks in den nächsten Wochen wichtige Updates bevorstehen, «die sich insgesamt positiv auf den Wert des Portfolios auswirken sollten.» Gemäss Baader-Analyst Meyer könnten bei BB Biotech vor allem bei Ionis, Neurocrine, Vertex und Intra-Cellular Therapies bald entscheidende klinische Meilensteine bevorstehen.
Trotz der zuletzt mageren Performance haben sowohl BB Biotech als auch HBM bewiesen, dass sie den Biotech-Markt langfristig schlagen können. In den letzten beiden Jahren haben beide Aktien diesen Vorsprung eingebüsst. Langfristig ergibt sich daraus für Anlegerinnen und Anleger eine Chance.