Indoor-Velotraining ist effizient und effektiv. Was Hobbyfahrer dabei beachten sollten, wie viele intensive Einheiten sinnvoll sind – und wie man typische Fehler vermeidet.
In den vergangenen Jahren ist der Winter für Hobbyvelofahrer erträglicher geworden – insbesondere für jene, die bei tiefen Temperaturen keinen Spass am Radfahren finden. Das Indoor-Velotraining für zu Hause oder im Studio ist heute nämlich kurzweiliger als früher.
Anstatt sich stundenlang auf der Rolle zu langweilen, fährt man knackige Einheiten durch Phantasielandschaften und misst sich mit anderen, wie bei Zwift. Oder man holt sich die schönsten Strecken der Welt ins Wohnzimmer, wie bei Rouvy. Beides sind virtuelle Trainingsplattformen, die man mit seinem Rollentrainer koppelt. Wer will, kann sich aber auch im Dunkeln durch Klubmusik antreiben lassen, wie bei den neuen Spinning-Anbietern in den Städten.
Doch welches Training ergibt auf dem Indoor-Velo am meisten Sinn? Wie oft muss man trainieren, um seine Form über den Winter zu erhalten? Und schafft man das auch ausschliesslich durch Rollentraining, falls Alternativsportarten keine Option sind?
Die wichtigste Regel lautet: Konstanz. Wer nach der Saison zu lange pausiert, baut die Ausdauerleistungsfähigkeit relativ schnell ab. Wichtig ist also, sich regelmässig zu bewegen, und hier gibt es gute Nachrichten: Erstens bleibt der Hobbyvelofahrer im Winter auch dann fit, wenn er pro Woche weniger Stunden im Sattel verbringt als draussen. Und zweitens ist das Indoor-Velotraining effizienter, weil dabei die «leere» Zeit an der Ampel, bergab oder im Windschatten entfällt.
Optimal ist auch im Winter ein ausgewogenes Training, was Abwechslung beim Volumen und bei der Intensität des Trainings bedeutet. Dem Formerhalt dienen auch Alternativsportarten wie Langlaufen oder Skitouren.
Bei der Planung die «Tendenz zur Mitte» vermeiden
Es soll hier aber um jene gehen, für die das keine Option ist und die den Winter im Fitnesscenter oder zu Hause auf der Rolle überbrücken. Einen guten Trainingseffekt erzielt man, wenn das Ziel einer Einheit klar definiert ist. Wer zweimal pro Woche in einem beliebigen Tempo eine Stunde strampelt, tut zwar etwas für seine Gesundheit, aber nicht unbedingt etwas für seine Rennveloform.
Florian Vogel war Mountainbike-Profi, hat danach die Berufstrainer-Ausbildung absolviert und erstellt heute mit seiner Firma Velocoach Trainingspläne für Hobby- und Leistungssportler. Er sagt: «Es ist wichtig, dass man die Tendenz zur Mitte vermeidet. Denn das passiert vielen Hobbysportlern.» Diese absolvieren die Grundlageneinheiten tendenziell zu schnell und vermögen dann in den harten Einheiten weniger zu leisten, als nötig wäre. So sei der Trainingseffekt insgesamt geringer.
Besonders wirksam sind hochintensive Intervalltrainings, die in den vergangenen Jahren vermehrt praktiziert worden sind – unter anderem, weil sich Trainingswissenschafter heute einig sind, dass auch kurze, intensive Einheiten die Ausdauerleistungsfähigkeit steigern.
Die Anpassungen im Körper durch das Training sind bei einer solchen HIIT (High Intensity Interval Training) genannten Einheit ähnlich wie beim Ausdauertraining mit grösserem Umfang und geringerer Intensität: So erhöht sich die Herzleistung, die Sauerstofftransportkapazität im Blut wird gesteigert, das Kreislaufsystem trainiert.
Ein derzeit beliebtes HIIT geht auf den norwegischen Forscher Bent Rönnestad zurück. Dabei absolviert man nach einem lockeren Einrollen 13 Mal nacheinander zuerst 30 Sekunden eine starke Belastung, woraufhin man sich 30 Sekunden erholt. Davon gibt es zwei bis drei Serien. Was heisst nun «starke Belastung» in diesem Fall? Der Sportwissenschafter Beat Müller, der Head of Performance von Swiss Cycling, sagt: «Die 30 Sekunden soll man im maximalen Leistungsspektrum absolvieren, das man 13 Mal konstant durchhalten kann.»
Um diese Konstanz zu erreichen, braucht es ein bisschen Übung, die Einheit trainiert den VO2max-Wert aber hervorragend. Der VO2max-Wert gilt als Bruttokriterium für die aerobe Leistungsfähigkeit – er gibt an, wie viel Sauerstoff der Körper unter Belastung maximal aufnehmen und verwerten kann.
Für weniger Geübte ist das Fartlek-Training eine Option: Dabei ändert man während einer halben Stunde die Intensität nach Lust und Laune, bis hin zum kurzen Vollsprint.
Die positiven Effekte des HIIT bedeuten nicht, dass Einheiten im Grundlagenbereich für Rennvelofahrer überflüssig geworden sind. Müller erklärt, weshalb es diese braucht: «Für die weitere Energiegewinnung sind periphere Anpassungen in den Muskelzellen notwendig. Durch gezieltes Training mit geringen Intensitäten wird die mitochondriale Kapazität verbessert.» Mitochondrien sind die «Kraftwerke» der Zellen. Dort kann aus Laktat und Fett zusätzliche Energie gewonnen werden, was entscheidend ist für Belastungen über eine längere Dauer.
Müller sagt: «Im Gegensatz zum VO₂max-Wert, der sich um etwa 15 bis 20 Prozent steigern lässt, sind die Mitochondrien sehr trainierbar und können die Kapazität ihrer Enzyme nach einem zwölfwöchigen Ausdauertraining sogar verdoppeln.»
Eine Einheit im Grundlagentraining mit geringerer Intensität dauert länger als eine HIIT-Einheit. Im Leistungssport sagt man, eine Grundlageneinheit beginne bei einer Dauer von 90 Minuten. Für den Hobbyfahrer kann es in den paar Monaten des Winters auch weniger sein – eine allgemeingültige Dauer sei schwierig zu empfehlen, sagen Vogel und Müller, sie hängt vom individuellen Formstand ab. Da diese Einheiten auf der Rolle rasch langweilig werden können, empfehlen beide, im Winter auf andere Sportarten auszuweichen.
Die 80:20-Regel hilft Hobbysportlern bei der Planung
Wer nicht nach Herzfrequenz oder Wattwerten trainiert, kann auch die Foster-Skala beiziehen. Diese beruht auf der subjektiven Anstrengung, wobei die 1 «sehr locker» bedeutet und 10 «sehr hart». Eine Einheit im Grundlagenbereich wäre dann etwa eine 4.
Florian Vogel empfiehlt, sich an die 80:20-Regel zu halten, wobei 80 Prozent der Einheiten im lockeren Bereich absolviert werden und nur 20 Prozent intensiv sind. Von mehr als zwei harten Einheiten pro Woche rät er dem Hobbysportler ab. Sonst laufe dieser Gefahr, sich mental oder körperlich so zu erschöpfen, dass er bei den intensiven Einheiten gar nicht mehr ans Limit gehen könne.
Wie gross ist denn der Unterschied zwischen dem Rollentraining und dem Rennradfahren in der Natur? Wer sein Velo zu Hause in eine Rolle oder einen Smarttrainer einspannt, beansprucht ja die gleiche Muskulatur. Die Spinning-Velos in den Fitnesszentren weisen ein paar Unterschiede auf, etwa beim Q-Faktor, das ist der Abstand zwischen den Pedalen. Dieser ist auf Spinning-Velos grösser. Oft ist auch der Sattel breiter oder die Sitzposition aufrechter.
Für Florian Vogel sind diese Details vernachlässigbar, wenn es um Hobbysportler geht. Viel wichtiger findet er einen Aspekt, der oft vergessengeht: «Man braucht indoor so gut wie keine Fahrtechnik und vernachlässigt zum Beispiel das Gleichgewicht», sagt er. «Auch das vorausschauende Fahren, das rechtzeitige Bremsen oder korrekte Schalten sind monatelang kein Thema.» Das kann bei eher ungeübten Fahrern im Frühling zum Sicherheitsrisiko werden. Anfängern empfiehlt er deswegen, nicht ausschliesslich drinnen zu fahren.