Das Misstrauen gegenüber China wächst. Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Land die anhaltende Unsicherheit vorteilhafter, weil bequemer findet als die Klärung der Frage.
Laborunfall oder Zoonose: Die Debatte um den Ursprung des Coronavirus nimmt wieder Fahrt auf. Ist das Virus im Labor freigesetzt worden, ist es gar dort gebastelt worden? Oder ist es auf einem Markt von einem Tier auf Menschen übergesprungen? Angefeuert wird die Diskussion auch von Aussagen zweier Geheimdienste.
So wurde am Mittwoch bekannt, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) bereits im Jahre 2020, also zu Beginn der Pandemie, eine Herkunft des Virus aus dem Labor für wahrscheinlich hielt. Seit vergangenem Winter begutachten laut diesen Recherchen deutsche Experten, unter ihnen Deutschlands bekanntester Virologe, Christian Drosten von der Charité, die gesammelten Erkenntnisse. Ihre Einschätzung liegt allerdings noch nicht vor.
Im Januar erklärte die amerikanische CIA, dass sie – entgegen früheren Annahmen – jetzt doch davon ausgehe, dass Sars-CoV-2 durch einen Laborunfall in die Welt gelangt sei. Beide Dienste lieferten bis anhin keine neuen Daten oder Analysen und somit auch keine neuen Hinweise oder gar Beweise, wie die Pandemie entstand. Vergangenen Dezember kam ein Ausschuss des amerikanischen Repräsentantenhauses ebenfalls zu dem Schluss, dass der Ursprung des Coronavirus ein Laborunfall sei.
Unsicherheit spaltet die Gesellschaft
Es ist mehr als nur störend, dass es auch fünf Jahre nach Pandemiebeginn keine definitive Antwort auf die Frage nach dem Ursprung gibt. Genau diese Unsicherheit öffnet Geraune und Verdächtigungen Tür und Tor. Sie schürt das Misstrauen gegen Wissenschafter ebenso wie Politiker. Der Glaube an Laborhypothese oder Zoonose ist zur Gretchenfrage geworden und hat zur Lagerbildung geführt.
Eine Antwort könnten nur Forscher und Behörden in China liefern. Denn wenn überhaupt, sind nur dort noch Daten vorhanden, die entweder eine Zoonose oder die Laborhypothese beweisen. Oder eine der beiden Hypothesen klar widerlegen.
Unabhängige Experten müssen untersuchen dürfen, ob sich das Coronavirus in einem Labor in Wuhan befand und ob sich dort bei einem Unfall Mitarbeiter damit infiziert haben. Ebenso sollte genau geschaut werden, ob in einem Labor in Wuhan ein eng mit Sars-CoV-2 verwandtes Virus dahingehend verändert wurde, dass daraus das fatale Pandemievirus entstanden ist.
Intensiv muss auch nach einem Nachweis für eine Zoonose gefahndet werden. Würde in Blutproben oder Abstrichen von einem Wild- oder Zuchttier ein genetisch sehr enger Verwandter des Pandemievirus Sars-CoV-2 gefunden, dann wäre das ein Beweis für eine Zoonose.
Kein Einblick in Labore in Wuhan gestattet
Niemand ausserhalb Chinas kann derzeit sagen, welche Daten und Proben in Wuhan noch vorhanden sind – oder je vorhanden waren. Weder haben unabhängige Experten uneingeschränkt Zutritt zu Laboren in Wuhan erhalten, noch konnten Chinas Angaben, dass es keine Proben von Pelzfarmen, von auf Märkten in Wuhan verkauften Zuchttieren oder Wildtieren gebe, überprüft werden.
Diese Blockade durch China ist inakzeptabel. Wir sind daher nach wie vor an dem Punkt, dass man aufgrund von Indizien und Analogien zu früheren Pandemien nur eine Wahrscheinlichkeit für die eine oder die andere Hypothese angeben kann. Interpretationen ersetzen Fakten.
Der Unwille Chinas, ernsthaft zu kooperieren, lässt zwar keinen Schluss zu, welche Hypothese zum Ursprung der Pandemie wahrscheinlicher ist. Aber offenbar will China die Antwort auf die Frage gar nicht finden. Sie wollen nicht zugeben müssen, dass die Pandemie entweder in einem chinesischen Labor oder auf einem chinesischen Markt ihren Ausgangspunkt hatte.
Die Verantwortlichen in China lassen die Welt weiter in Unsicherheit. Für sie ist es so bequemer, sie wollen keine Verantwortung übernehmen, was auch immer passierte. Das ist ein Skandal.