Obwohl die unionsgeführten Länder das «Wachstumschancengesetz» der Ampelregierung blockieren, will sich der CDU-Chef mit einem Schreiben an Olaf Scholz als Kämpfer für die Wirtschaft inszenieren. Doch der Brief könnte einen weiteren Hintergrund haben.
Wenn in der Politik Briefe geschrieben werden, dann meist nicht aus amourösen Gründen. So verhält es sich auch mit dem Schreiben des Oppositionsführers Friedrich Merz und des CSU-Politikers Alexander Dobrindt an Kanzler Olaf Scholz, das auf Freitag, den 9. Februar, datiert ist.
Darin fordern Merz und Dobrindt ein Sofortprogramm, das der deutschen Wirtschaft aus der Rezession helfen soll. Geplant ist, es in der kommenden Sitzungswoche im Bundestag zur Beratung einzubringen. Aber die legitime Sorge um den Standort Deutschland dürfte nicht der einzige Grund für den Brief sein, der alsbald an Journalisten durchgereicht wurde. Ein weiteres Motiv ist naheliegend.
Doch zunächst zum Inhalt des Papiers: «Unserem Land drohen Wohlstandsverluste in einem bisher nicht gekannten Ausmass», heisst es dort mahnend, bevor zwölf Sofortmassnahmen aufgelistet werden. Merz und Dobrindt schlagen vor, die Sozialabgaben wieder auf maximal 40 Prozent des Bruttolohns zu begrenzen, Überstunden für Vollzeitbeschäftigte steuerlich zu begünstigen und die ersten 2000 Euro Einkommen aus Arbeit im Jahr für Rentner steuerfrei zu stellen.
Merz verneinte in Generaldebatte Zusammenarbeit
Ausserdem soll es spürbare steuerliche Entlastungen für Unternehmen geben, die Steuern auf im Unternehmen verbleibenden Gewinnen sollen auf 25 Prozent gesenkt werden. Die Stromsteuer gelte es dauerhaft auf das europäische Minimum zu senken und die Netzentgelte zu halbieren. Die «Steuererhöhungen für Landwirte» – gemeint ist die gestrichene Subvention für Agrardiesel – mögen einkassiert werden, wenn es nach Merz und Dobrindt geht.
Doch hatte der CDU-Chef nicht gerade erst angekündigt, dass eine Zusammenarbeit für ihn nicht mehr infrage komme? In der Generaldebatte im Bundestag sagte Merz Richtung Scholz: «Bitte ersparen Sie sich und uns in Zukunft Ihre Aufrufe zur Zusammenarbeit.» Um alle Forderungen aus dem Brief umzusetzen, brauchte es allerdings auch die Zustimmung unionsgeführter Länder.
Mit dem Papier spielt die Union die Karte der ihr zugeschriebenen Wirtschaftskompetenz. Umfragen zeigen, dass CDU und CSU in der Wirtschaftspolitik mehrheitlich «bessere Konzepte und Lösungsansätze» zugetraut werden als SPD und Grünen.
Eine Einladung an die FDP?
Die Flanke hat die Ampelregierung selbst aufgemacht: Kürzlich sagte Finanzminister Christian Lindner dem «Handelsblatt»: «Der Standort ist nicht mehr wettbewerbsfähig.» Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach etwas blumiger von «vielfältigen Herausforderungen». Scholz selbst gab eine «Wachstumsschwäche» zu. Zwar ist man sich innerhalb der Koalition darüber einig, dass Unternehmen entlastet werden müssen, doch uneins über die Instrumente.
Merz und Dobrindt wollen also den Druck auf die «Ampel» erhöhen, in der Wirtschaftspolitik Massnahmen schneller zu ergreifen. Gleichzeitig sind es aber auch die unionsgeführten Länder, die im Bundesrat das «Wachstumschancengesetz» blockieren – mit der Begründung, man wolle nur zustimmen, wenn dafür die Streichung für die Landwirte rückgängig gemacht werde. Ein eher ungewöhnlicher Grund für eine Blockade, wenn einem der Wirtschaftsstandort so am Herzen liegt, wie es der Brief suggerieren soll.
Ein weiterer Grund für den schnell öffentlich gewordenen Brief erscheint plausibel.
Der CDU-Chef machte jüngst, womöglich unabsichtlich, Schlagzeilen damit, eine Koalition mit den Grünen nicht ausschliessen zu wollen. Dem versehentlich gesendeten Signal könnte der Brief entgegenwirken. Die Forderungen sind in der Tendenz wirtschaftsliberal, dürften der FDP entgegenkommen und Grüne verschrecken. Angesprochen auf die Merzschen Überlegungen zu Schwarz-Grün sagte der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem Fernsehsender Welt: «Aus meiner Sicht ist sein Wunschpartner die FDP.»