Der Eishockeyklub Fribourg-Gottéron steckte vor Weihnachten noch in einem tiefen Loch. Nun ist der Klub mit einem Sieg in den Play-off-Halbfinal gestartet – auch dank dem Wirken eines Unterschätzten.
Der Lauf von Fribourg-Gottéron geht weiter. Die Freiburger mit ihrem Übergangscoach Lars Leuenberger an der Bande starteten mit einem 3:2-Auswärtssieg in Lausanne in die Halbfinalserie. Das Märchen, das mit seiner Job-Übernahme kurz vor Weihnachten begonnen hat, scheint eine Fortsetzung zu nehmen.
Leuenberger löste kurz vor Weihnachten den glücklosen Patrick Emond ab. Gottéron lag damals in der Tabelle auf Platz 11 und drohte die Play-offs zu verpassen. Dann gewannen die Freiburger mit Leuenberger an der Bande auf Anhieb den Spengler-Cup in Davos und damit den ersten Titel in der 87-jährigen Klubgeschichte. Darauf folgte ein Sturm durch die Tabelle, die in der direkten Play-off-Qualifikation und dort im Viertelfinal-Triumph gegen den SC Bern mündete. Leuenberger sagte: «Es hat einfach gepasst. Die Spieler brauchten offensichtlich einfach ein neues Gesicht. Sie waren wie befreit.»
Keine Party zum 50. Geburtstag
Am Samstag feierte Lars Leuenberger seinen 50. Geburtstag. Er tat es nicht im Kreise seiner Familie, sondern an der Bande in Lausanne. Eine Feier zum runden Geburtstag war im Hause Leuenberger ohnehin nicht geplant gewesen. Lars’ älterer Bruder Sven, Sportchef bei den ZSC Lions, sagt: «Sollte er eine solche geplant haben, dann hat er mich zu dieser zumindest nicht eingeladen.»
Eine Party von Lars ohne seinen Bruder Sven an seiner Seite? Das scheint unvorstellbar. Sven ist fünf Jahre älter, und die beiden Brüder verbrachten den Grossteil ihrer Karriere Seite an Seite. Nach der Jugend im Nachwuchs des EHC Uzwil schlossen sie sich gemeinsam dem SC Bern an, in dem ihr Onkel Hugo in den 1970er-Jahren zur Legende geworden war. Der Verteidiger gewann mit dem SCB innert sieben Jahren vier Titel. Er war es auch, der die Wechsel seiner Neffen aus der Ostschweiz nach Bern orchestrierte.
Die Familie Leuenberger prägt einen Teil der Klubgeschichte des SC Bern. Doch wirklichen Respekt erhielt der Clan dafür lange nicht. Als Lars Leuenberger im Herbst 2015 beim SCB den Kanadier Guy Boucher an der Bande ablöste, liess das der CEO Marc Lüthi nur unter der Bedingung zu, dass Sven sein Amt als Sportchef niederlegt. Zwei Leuenberger in führenden Positionen des Klubs waren ihm zu viel. Ersetzt wurde Sven durch Alex Chatelain, der danach auch an Lars’ Ablösung beteiligt war. Lars versprach man eine faire «Chance zur Bewährung».
Aus Position 8 in die Play-offs gestartet, wurde der SCB 2016 mit Lars Leuenberger an der Bande Meister. Doch mit Kari Jalonen war sein Nachfolger bereits verpflichtet. Chatelain sagt heute: «Man kann lange diskutieren, ob Lars damals in Bern eine echte Chance erhalten hat. Aber es war sonderbar, dass er den Klub am Ende der Saison als Meister-Coach verlassen musste.» Man sei frühzeitig schon im Kontakt mit dem Finnen Jalonen gestanden, geknüpft habe den noch Sven Leuenberger. Jalonen habe nach dem Jahreswechsel Klarheit über seine Zukunft wollen und daher auf eine Entscheidung gedrängt.
Diese Vorgeschichte trug zur Brisanz der diesjährigen Begegnung im Play-off-Viertelfinal zwischen den Bernern und Fribourg-Gottéron bei. Kurz vor Ende von Spiel 7 zeigte die TV-Kamera am vergangenen Mittwoch Marc Lüthi, wie dieser in seiner Loge mit starren Blick dem kopflosen Treiben seiner Mannschaft auf dem Eis zuschaut. Kurz darauf schwenkte die Kamera auf Lars Leuenberger, der den Sieg vor Augen an der Bande lächelte. Es war ein Moment der Revanche, auch wenn Lars Leuenberger jeden Gedanken daran von sich weist. Die ganze Geschichte, sagt er, liege bald zehn Jahre zurück.
Es gehört zur Vita Lars Leuenbergers, dass er immer im Schatten seines älteren, grösseren und sportlich auch erfolgreicheren Bruderers Sven gestanden hat. Dieser sagt: «Wir haben uns schon auf dem Eis in Uzwil jeweils erbittert gemessen. Es flogen jeweils die Fetzen.» Am Ende war Sven meist der Sieger.
Nach der bizarren Episode in Bern, bei der er sein Amt als Sportchef für die Trainerkarriere seines Bruders niederlegen musste, fand Sven bald eine neue Anstellung als Sportchef bei den ZSC Lions. Lars hingegen war nach dem Meistertitel mit dem SCB ein ganzes Jahr lang arbeitslos. Er sagt, diese Zeit sei nicht einfach gewesen: «Ich habe gelitten. Natürlich gab es Angebote, die sich aber wieder zerschlugen. Also sass ich zu Hause und hatte nichts zu tun. Da stellt man sich schon Fragen.»
Woran liegt es, dass Lars bis heute in keinem Klub eine Chance auf Zeit erhielt? War er zu wenig qualifiziert, zu wenig überzeugend in seinem Auftritt? Oder gilt er halt immer noch als «der kleine Bruderer von Sven»? Der glaubt nicht, dass Lars heute als Coach noch unterschätzt werde. Taktisch sei es praktisch unmöglich, seinen jüngeren Bruder auszucoachen. «Mittlerweile ist in der ganzen Liga bekannt, wie clever er ist und welche Fähigkeiten er besitzt.»
Erneut tritt Leuenberger einen Schritt zurück
Und doch wird Lars Leuenberger am Ende dieser Saison erneut einen Schritt zurück ins zweite Glied machen. Wie bei seiner Zeit als Nothelfer in Bern steht auch jetzt in Freiburg bereits fest, dass nächste Saison der Schwede Roger Rönnberg die Führung des Teams übernimmt.
Weil man in Freiburg dem Experiment mit Emond als Übergangscoach nach der Ära von Christian Dubé von Anfang an nicht traute, hatte der Klub bereits im vergangenen Sommer Gespräche mit Leuenberger geführt und ihn gefragt, ob er allenfalls bereits wäre, einzuspringen, falls der Versuch mit dem Kanadier fehlschlägt. Leuenberger willigte unter der Bedingung ein, in der kommenden Saison einen Job als Assistent des hoch dekorierten Schweden zu erhalten.
Für Lars Leuenberger ist es kein Problem, erneut einen Schritt zurück zu machen. «Ich habe mich zum Job als Assistent bekannt, und mein Wort gilt auch jetzt, da die Resultate, die wir haben, besser sind als erwartet.» Nur zu gerne würde er seinen neuen Job unter Roger Rönnberg als Meistertrainer antreten. Es wäre die Krönung der Geschichte dieses latent Unterschätzten.