Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe droht zu versiegen, weil die LKW immer sauberer werden. Jetzt gibt Bern Gegensteuer.
Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) ist ein Kind der bilateralen Verhandlungen mit der EU in den 1990er Jahren. So ist das einst innovative Instrument zur Schaffung von Kostenwahrheit im Lastwagenverkehr etwas in die Jahre gekommen. Nun will der Bundesrat die Abgabe modernisieren. Am Mittwoch hat er eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung geschickt.
Fakt ist, dass die LSVA immer weniger Geld einbringt, und dies aus einem eigentlich erfreulichen Grund: Die schweren Lastwagen werden immer sauberer. Mittlerweile fallen 90 Prozent der LKW in die günstigste Abgabekategorie. In naher Zukunft wird dieser Trend noch verstärkt. Auf den Schweizer Strassen verkehren nämlich immer mehr Fahrzeuge mit Batterie- und Wasserstoffantrieb, die von der LSVA befreit sind.
Verfassungsauftrag ist gefährdet
Laut dem Nutzfahrzeugverband Astag liegen die Kosten pro Kilometer für ein 40-Tonnen-Fahrzeug bei einem Franken. Die Einnahmen aus der LSVA belaufen sich auf rund 1,6 Milliarden Franken pro Jahr. Würden die elektrisch angetriebenen LKW nach 2030 fortwährend von der LSVA befreit, würde dies nach ersten Schätzungen bis 2035 zu Mindereinnahmen in Höhe von mehreren Milliarden Franken führen. Die LSVA könnte somit langfristig ihren verfassungsmässigen Auftrag nicht mehr erfüllen, den alpenquerenden Schwerverkehr zu reduzieren.
Die logische Reaktion ist deshalb, dass der Bundesrat neu auch elektrisch angetriebene Lastwagen der LSVA unterstellen will. Die Fahrzeuge mit dem Antrieb aus der Steckdose sollen in die tiefste Abgabekategorie eingeteilt werden. Dies weil sie keine direkten Schadstoffemissionen und im Vergleich zu fossil angetriebenen Lastwagen tiefere externe Kosten verursachen.
Folgerichtig sollen die heute umweltfreundlichsten Lastwagen über 3,5 Tonnen mit Dieselantrieb (Euro VI) in die zweitgünstigste Kategorie abklassiert werden. «Mit diesen Massnahmen sollen die Kostendeckung der LSVA gestärkt und der Gütertransport auf der Schiene gefördert werden», schreibt der Bundesrat.
Bis diese Massnahmen umgesetzt sind, rollen allerdings noch Millionen von LKW über das Schweizer Strassennetz. Die LSVA-Pflicht für E-Lastwagen soll nämlich erst per 2031 in Kraft treten. Ausserdem schlägt der Bundesrat zwei Varianten mit flankierenden Massnahmen vor, die indirekt einer Förderung von LKW mit alternativen Antrieben gleichkommt. Die erste Variante enthält einen LSVA-Rabatt für neu erworbene oder bereits in Verkehr gesetzte E-Lastwagen. Bei der zweiten Variante können Transporteure mit Sitz in der Schweiz beim Kauf auswählen, ob sie den LSVA-Rabatt oder einen Investitionsbeitrag beanspruchen wollen.
Willkommene Unterstützung
Wenig erstaunlich ist, dass die Astag positiv auf die Vorschläge aus Bern reagiert. Der Branchenverband bezeichnet die Idee einer Anschubfinanzierung für LKW mit alternativem Antrieb als «sehr sinnvoll». Gegenwärtig würden die Anschaffungskosten von CO2-neutral betriebenen Fahrzeugen um Faktor 2 bis 3 höher liegen als für herkömmliche Diesellaster. «Für die grosse Mehrheit der Transportunternehmen sind sie bis auf weiteres schlichtweg unerschwinglich», schreibt der Verband in einer Stellungnahme. Der Bund leiste auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur beschleunigten Dekarbonisierung der Branche. Dauerhafte Subventionen soll es jedoch keine geben. Beide Varianten sind daher von 2031 bis 2035 befristet.
Beim Verein Alpen-Initiative kommen die Vorschläge des Bundesrates nur teilweise gut an. Positiv sei, dass auch elektrisch angetriebene Lastwagen künftig LSVA-pflichtig seien. «Denn auch diese verursachen, wenn auch weniger, negative externe Effekte, wie Lärm, Ressourcen- und Bodenverbrauch, Unfälle und Stau», sagt der Geschäftsleiter Django Betschart. In der Vorlage würden jedoch wichtige Punkte fehlen, wie eine deutliche Erhöhung der LSVA, eine automatische Koppelung an die Teuerung und die Ausdehnung auf Lieferwagen mit 2,5 bis 3,5 Tonnen Gewicht.
Die vorgeschlagenen Änderungen sollen laut Bundesrat die laufenden Verhandlungen mit der EU zur Erneuerung der bilateralen Beziehungen nicht negativ beeinflussen. Die Vorlage beinhalte nämlich diejenigen Stossrichtungen, die ohne Anpassung des Landverkehrsabkommens möglich seien. So ist unter anderem die Integration von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen gemäss geltenden Bestimmungen des Landverkehrsabkommens möglich.