Die staatliche Eisenbahngesellschaft kündigt kräftige Preiserhöhungen für Zugtickets an. Die Bevölkerung ist empört. Doch auch in anderen Bereichen könnten bald die Gebühren steigen.
Als die staatliche Eisenbahngesellschaft vor gut zwei Wochen ankündigte, die Preise für Zugtickets auf einigen Hochgeschwindigkeitsstrecken anheben zu wollen, brach in Chinas sozialen Netzwerken Empörung und Sarkasmus aus.
«In schwierigen Zeiten zahlt der einfache Mann die Zeche», schimpfte ein User. Ein anderer meinte: «Gut gemacht, so kurbelt man die Umsätze der Autoindustrie an.»
Ab Mitte Juni, so die Planungen der China State Railway, werden die Preise für Tickets auf vier stark genutzten Hochgeschwindigkeitsstrecken steigen. Teurer werden Fahrten von Wuhan in Zentralchina nach Guangzhou im Südosten des Landes. Auch Fahrgäste auf den Strecken zwischen Hangzhou und Schanghai im Osten und zwischen Hangzhou und Ningbo sowie Changsha werden bald tiefer in die Tasche greifen müssen.
Preissteigerungen von bis zu 39 Prozent
Zu stark nachgefragten Zeiten sollen die Fahrpreise in der zweiten und ersten Klasse um bis zu 20 Prozent steigen; für Tickets in der VIP-Business-Klasse müssen Chinesinnen und Chinesen künftig 39 Prozent mehr zahlen. Gleichzeitig will die Eisenbahngesellschaft die Ticketpreise für weniger nachgefragte Züge leicht senken.
Die Preiserhöhungen für Zugtickets sind Teil einer breiter angelegten Bewegung, von den Bürgern mehr Geld für staatliche Dienstleistungen zu verlangen. Drei Jahre Zero-Covid-Politik und der Zusammenbruch des Immobilienmarktes haben dazu geführt, dass in vielen Städten und Provinzen die Kassen leer sind.
Nach Schätzungen des Wirtschaftsmagazins «Caixin Global» sitzen Chinas Lokalregierungen auf einem Schuldenberg von insgesamt fast 10 Billionen Dollar. Wegen der angespannten Lage der öffentlichen Finanzen dürfen 12 der 34 Provinzen des Landes ohne Genehmigung der Zentralregierung nicht mehr in neue Infrastruktur investieren.
Lohnkürzungen für Lehrer
Immer mehr Bürgerinnen und Bürger spüren die Ebbe in den öffentlichen Kassen im eigenen Geldbeutel. Im vergangenen Sommer konnte Tianjin, eine der am höchsten verschuldeten Städte Chinas, zeitweise die Saläre für die Busfahrer nicht mehr zahlen. In zahlreichen Städten haben die Verwaltungen Lehrern und anderen Beamten die Löhne gekürzt.
China begann vor mehr als 20 Jahren mit dem Bau seines Hochgeschwindigkeitsnetzes. Kurz vor den Olympischen Sommerspielen 2008 nahm die erste Verbindung zwischen Peking und dem 120 Kilometer entfernten Tianjin den Betrieb auf.
Geplant und realisiert hatte die Strecke Siemens. Doch als der Konzern zur Jungfernfahrt einige deutsche Journalisten einladen wollte, machte die chinesische Regierung den Münchnern einen Strich durch die Rechnung. Die Medienschaffenden waren unerwünscht, sollte der erste chinesische Hochgeschwindigkeitszug des Landes in der Öffentlichkeit doch als rein chinesisches Projekt gelten.
Heute hat das Hochgeschwindigkeitsnetz eine Ausdehnung von fast 45 000 Kilometern. Viele Strecken, vor allem im Landesinneren, wurden gebaut, obwohl es augenscheinlich keinen Bedarf gab. Für die lokalen Regierungen war ein Anschluss an das Netz der Schnellzüge immer auch eine Prestigeangelegenheit.
Viele Bahnhöfe sind verwaist
Gut ausgelastet sind vor allem die Strecken im Osten des Landes; die Verbindung zwischen Peking und Schanghai ist am stärksten nachgefragt. In manchen von der stotternden Konjunktur besonders betroffenen Städten sind die modernen Bahnhöfe dagegen die meiste Zeit des Jahres verwaist.
Mehr als zwei Jahrzehnte nach Baubeginn des Netzes stehen jetzt teure Modernisierungen an. Viele Strecken wurden während der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 in aller Eile gebaut, um Arbeitern, deren Fabriken vorübergehend schliessen mussten, neue Jobs zu beschaffen.
«Die Betriebskosten für die Wartung der Strecken, die Anschaffung neuer Züge, die Modernisierung anderer Anlagen und Arbeitskosten unterliegen wesentlichen Veränderungen», teilte Chinas Eisenbahngesellschaft, die das Netz betreibt, kürzlich mit.
Das Problem: China State Railway schiebt Schulden in Höhe von umgerechnet 870 Milliarden Dollar vor sich her. Viele Strecken betreibt die Eisenbahngesellschaft in Gemeinschaftsunternehmen mit lokalen Verwaltungen. Diese sind nun aber nicht mehr in der Lage, die Tickets für die Schnellzüge zu subventionieren.
Chinesen befürchten auch Strompreiserhöhungen
Wie die im internationalen Vergleich preiswerten Zugtickets subventioniert die Regierung auch andere öffentliche Leistungen. So zahlen Chinesinnen und Chinesen für Strom, Wasser und Gas deutlich weniger, als es der Markt erfordern würde. Lediglich für Unternehmen erhöhten die Behörden vor 4 Jahren die Strompreise.
Jetzt allerdings befürchten Chinesinnen und Chinesen, dass es auch sie bald treffen könnte. «Steigen als Nächstes die Preise für Strom, Gas und U-Bahn-Fahrten?», fragt ein Nutzer auf Chinas X-Pendant Weibo.
In manchen Städten entwickeln die Behörden eine erstaunliche Kreativität, um ihre Finanzen aufzubessern. So häufen sich in jüngster Zeit Berichte, nach denen die Polizei verstärkt Lkw zu Gewichtskontrollen stoppt.
Erstaunlich oft stellen die Beamten dabei Überschreitungen fest, klagen Speditionen und fragen, ob die Waagen wohl manipuliert seien. Angesichts der Not in den Kommunen dürften die Klagen der Speditionen gerechtfertigt sein.