Wenn Short-Seller ein Unternehmen ins Visier nehmen, kann das ein Warnsignal sein. The Market zeigt regelmässig, wo diese Investoren an der deutschen Börse auf Kursverluste wetten. Diesmal im Fokus: Porsche, Commerzbank und Hugo Boss.
Die Skepsis der Leerverkäufer beim Sportwagenhersteller Porsche nimmt mittlerweile beinahe dramatische Züge an. Seit rund einem Jahr nimmt die Ausleihquote der Aktien stetig zu, seit einigen Monaten beschleunigt sich der Anstieg jedoch rapide – mit Ausnahme des ominösen Absackers im Oktober.
Stand Anfang Januar sind rund 23% aller Aktien der Porsche AG – nicht zu verwechseln mit der Beteiligungsgesellschaft Porsche SE –ausgeliehen. Seit rund zwei Jahren zeigt The Market regelmässig, gegen welche deutsche Aktien Investoren wetten. Noch nie war die Ausleihquote bei einem Dax-Unternehmen so hoch wie derzeit bei Porsche.
Nahezu gegensätzlich bewegt sich der Aktienkurs. Seit seinem Hoch im vergangenen April hat er knapp 35% eingebüsst. Anfang der Woche sorgten Berichte über eine möglicherweise weniger strikte Zollpolitik des künftigen US-Präsidenten Donald Trump für eine leichte Aufwärtsbewegung bei Autowerten.
Leerverkäufer leihen sich Aktien, verkaufen diese am Markt und hoffen, sie später zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen, um sie anschliessend dem Eigentümer zurückzugeben. Geht die Wette auf, streichen sie die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufpreis als Gewinn ein. The Market analysiert regelmässig, gegen welche deutschen Aktien die grössten Short-Wetten laufen, und stützt sich dabei auf Daten des US-Anbieters S3 Partners (die grössten Wetten gegen Schweizer Aktien finden Sie hier).
Am deutschen Aktienmarkt pendelt das Short-Volumen seit Monaten um die Marke von 20 Mrd. $.
Porsche – Lage spitzt sich weiter zu
Die Porsche-Aktie, Spitzenreiter unter den am meisten leerverkauften Titeln im Dax, gerät immer wieder wegen Negativschlagzeilen unter Druck. Softwareprobleme haben die Markteinführung des neuen Macan-SUV um zwei Jahre verzögert. Nun, da das Modell endlich an die Kunden ausgeliefert werden soll, schwächelt die Nachfrage in der Elektromobilität. Ende Oktober enttäuschte der Sportwagenhersteller zudem mit schwachen Zahlen für das dritte Quartal.
Vor allem in China kämpft das Unternehmen aus Stuttgart-Zuffenhausen mit starken Absatzproblemen. In den ersten neun Monaten 2024 verkaufte Porsche 30% weniger Fahrzeuge als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Als Porsche 2022 durch einen Spin-off vom Mutterkonzern Volkswagen an die Börse gebracht wurde, spielten die Wachstumshoffnungen in China noch eine zentrale Rolle im Investment Case.
Als wäre dies nicht genug, berichtete die «Automobilwoche» Mitte Dezember über mögliche Verzögerungen bei der Elektrifizierung der 718er-Baureihe, einschliesslich Boxster und Cayman. Aufgrund der Komplexität der Batterie soll auch dieses Projekt erheblich hinter dem Zeitplan liegen, wie die Branchenpublikation berichtet. Da die 718er-Baureihe als Verbrenner im Sommer 2025 auslaufen soll und es mindestens fraglich ist, ob die Elektromodelle bis dahin verfügbar sind, droht Porsche eine Angebotslücke.
Der Autobauer scheint sich mit seiner Elektrostrategie verrannt zu haben. Bis 2030 sollten eigentlich 80% aller neuen Modelle elektrisch fahren. Doch aufgrund der Verzögerungen soll die Strategie laut der «Automobilwoche» grundlegend überdacht werden. Mitarbeiter berichten dem Blatt zufolge von einer regelrechten Panikstimmung in der Porsche-Führung.
Auch Porsche SE weiter im Visier der Short-Seller
Leerverkäufer haben also weiterhin ausreichend Gründe, bei Porsche engagiert zu bleiben. Das gilt auch für die Porsche Automobil Holding (Porsche SE), die kotierte Beteiligungsgesellschaft, deren Name auf die Familien Porsche und Piëch zurückgeht, die ihr Vermögen über diese Holding verwalten. Anfang Dezember tauchten die Aktien erstmals in den Top Ten der Dax-Shorts auf. Jetzt hat sich die Ausleihquote erneut erhöht, und zwar von 2,5 auf 3,75%.
Die Aktien befinden sich seit über zwei Jahren im Abwärtstrend – nahezu im Gleichschritt mit den Wertpapieren von Volkswagen, der Hauptbeteiligung der Porsche SE.
Mitte Dezember überraschte die Porsche SE mit einer drastischen Gewinnwarnung. Daniel Schwarz, Analyst in Diensten des US-Brokerhauses Stifel, sprach in einem Kommentar von einer «Gewinnwarnung für die Geschichtsbücher». Die bisherige Prognose für das Konzernergebnis nach Steuern im Jahr 2024, die einen Korridor von 2,4 bis 4,4 Mrd. € vorsah, wurde zurückgezogen. Der Grund war eine Milliardenabschreibung auf die beiden Hauptbeteiligungen der Porsche SE: Volkswagen und Porsche.
Die Porsche SE rechnet mit einer Wertminderung ihrer Beteiligung an Volkswagen von 7 bis 20 Mrd. € und an Porsche von 1 bis 2 Mrd. €. Hintergrund ist, dass Volkswagen der Porsche SE mitgeteilt hat, den neuen Fünfjahres-Budgetplan nicht vor Jahresende vorzulegen. Für die Werthaltigkeitsprüfungen der beiden Beteiligungen zum 31. Dezember werden daher externe Analystenerwartungen herangezogen.
Immerhin geht die Holding unverändert von der Ausschüttung einer Dividende für 2024 aus. Auch die Prognose zur Nettoverschuldung bestätigte der Konzern.
Commerzbank-Poker setzt sich fort
Auch bei den Aktien von Commerzbank hat sich die Ausleihquote weiter deutlich erhöht – von 4,8 auf 6,2%. Beim zweitgrössten deutschen Bankhaus sorgen Übernahmepläne der Unicredit weiterhin für Unruhe – und Volatilität im Aktienkurs. Ende November liess die Übernahmefantasie etwas nach, als Unicredit ein Übernahmeangebot für den italienischen Konkurrenten Banco BPM vorlegte und zwei Übernahmen unwahrscheinlich schienen.
Doch Unicredit scheint es weiterhin ernst zu meinen: Sie hält 9,5% der Commerzbank-Aktien direkt und kontrolliert weitere 18,5% über Finanzinstrumente, unterstützt von Banken wie Barclays, Bank of America und Jefferies. Für eine direkte Beteiligung von mehr als 10% muss Unicredit jedoch die Genehmigung der EZB-Bankenaufsicht abwarten.
Anfang des Jahres wurde bekannt, dass auch die US-Bank Citigroup 0,6% der Commerzbank-Aktien direkt hält und über Derivate Zugriff auf weitere 4,5% der Anteile besitzt. Am Markt wird vermutet, dass auch Citi Unicredit beim Ausbau ihrer Beteiligung unterstützt. Die Commerzbank-Aktien haben zuletzt wieder an Fahrt gewonnen und nehmen Kurs auf das Hoch von 17 €, das sie im Oktober erreicht haben. Einige Leerverkäufer setzen weiterhin darauf, dass kein Deal zustande kommt.
Short-Seller sehen bei Covestro noch eine kleine Chance
Auch die Wetten gegen BMW wurden ausgeweitet, wobei die Leerverkaufsquote von 2,3% auf 3,4% gestiegen ist. Der Autobauer leidet wie die gesamte Branche unter einer Absatzflaute im profitabelsten Markt, China. The Market sieht die Münchner jedoch unter den deutschen Vertretern noch am besten aufgestellt, um den Transformationsprozess zur Elektromobilität zu meistern.
Bei Covestro hingegen ziehen sich die Short-Seller weiterhin zurück. Anfang Dezember wurde die Übernahme der ehemaligen Kunststoffsparte von Bayer durch den Erdölriesen Adnoc offiziell bestätigt. Der Konzern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hält seit dem Ende der weiteren Annahmefrist am 16. Dezember 2024 nun 91,3% aller ausstehenden Aktien.
Der Abschluss der Transaktion steht jedoch noch unter dem Vorbehalt behördlicher Freigaben – eine letzte Gelegenheit für Leerverkäufer, doch noch zu profitieren.
Die Aktien von Rheinmetall sind aus den Top Ten der Dax-Titel gefallen und wurden durch die Wertpapiere von Bayer ersetzt. Mit einer Short-Quote von 2,2% sind diese erstmals seit The Market regelmässig die grössten Short-Wetten auf dem deutschen Aktienmarkt beleuchtet in den Top Ten vertreten.
Gesamtmarkt: SMA Solar neu in den Top Ten
Am breiten Markt gab es in den Top Ten keine allzu grossen Verschiebungen. Die Ausleihquoten beim «Spitzenreiter» Thyssenkrupp Nucera sowie bei Aurubis, Fraport, Evotec, PNE, Nagarro und BayWa sind jeweils leicht gestiegen. Die Aktien von Hugo Boss sind aus den Top Ten ausgeschieden, da sich die Short-Quote deutlich von 17,6% auf 11,8% reduziert hat.
Der 1924 gegründete Modekonzern hatte ein durchwachsenes Jubiläumsjahr und sah sich gezwungen, seine Prognose zu senken, was die Leerverkäufer im Herbst auf den Plan rief. Hugo Boss sorgte zudem mit einer fragwürdigen Governance für Schlagzeilen: CEO Daniel Grieder soll im Jahr 2023 offenbar noch nicht öffentlich bekannte Unternehmensinformationen an den als Geschäftspartner umworbenen Immobilieninvestor René Benko weitergegeben haben.
Entsprechend entwickelten sich die Aktien im vergangenen Jahr enttäuschend. Im Dezember jedoch setzten die Titel zu einer leichten Erholung an. Henrik Muhle, Co-Gründer von Gané, empfiehlt gegenüber The Market einen Einstieg in die Aktien. Die neuen Produkte seien ansprechend. «Auf dem Unternehmenscampus spürt man Begeisterung», sagt Muhle. «Hugo Boss ist ein günstiges Unternehmen in einer günstigen Branche.»
Die Aktien werden in den Top Ten am Gesamtmarkt durch SMA Solar ersetzt. Dort stieg die Ausleihquote leicht von 14 auf 14,5%. Der Hersteller von Wechselrichtern für Solaranlagen hat ein schwieriges Jahr hinter sich: Volle Lager bei den Vertriebspartnern und eine schwache Nachfrage aus dem privaten und gewerblichen Sektor belasteten das Geschäft. Für 2024 erwarten Analysten einen Umsatzrückgang von mehr als einem Fünftel und einen Rückgang des Gewinns je Aktie um etwa ein Viertel.
Im vergangenen Jahr brach der Aktienkurs um 75% ein. Da eine Besserung auf dem europäischen Markt weiterhin nicht in Sicht ist, bleiben die Leerverkäufer bei SMA Solar offenbar aktiv. Die kleine Rally seit Ende November, in der sich der Kurs um fast 40% erholte, dürfte einige Short-Seller dazu veranlasst haben, ihre Wetten aufzustocken.