Reinold Geiger hat eine weltweit präsente Kette mit Kosmetik aus der Provence aufgebaut. Nun will er den Konzern von der Börse nehmen.
Jetzt also doch: Hauptaktionär Reinold Geiger will L’Occitane vollständig übernehmen bietet den übrigen Anteilseignern 34 Hongkong Dollar pro Aktie. Der Vorarlberger kontrolliert bereits über 70 Prozent des Kosmetikherstellers. Der Kauf der restlichen Aktien werde ihn 1,7 Milliarden Euro kosten und das Unternehmen mit rund 6 Milliarden Euro bewerten, wie es in einer Mitteilung vom Montag heisst.
Über den Schritt war spekuliert worden seit die Hongkonger Börse vor knapp drei Wochen mit Verweis auf eine mögliche Ankündigung einer Übernahme einen Handelsstopp für die L’Occitane-Titel verfügt hatte. Am letzten Handelstag ging die Aktie bei einem Kurs von 29.50 Hongkong-Dollar aus dem Handel.
Eine Übernahme durch Geiger war bereits im vergangenen Jahr erwartet worden, hatte sich aber dann zerschlagen. Damals kursierte die Vermutung, dass L’Occitane zu einem späteren Zeitpunkt wieder an einer europäischen Börse kotiert werden könnte.
Ein Rückzug vom Finanzmarkt gibt dem Eigentümer für den Moment mehr Flexibilität, um das Unternehmen nach seinen Vorstellungen zu entwickeln, ohne Dritten Rechenschaft schuldig zu sein. Insbesondere wolle L’Occitane in das Ladennetz und in das Marketing investieren, heisst es in der Mitteilung. Finanzieren wird Geiger den Deal mit Hilfe von Crédit Agricole, Goldman Sachs und Blackstone.
Die Titel des Unternehmens mit Sitz in Luxemburg und Genf werden seit 2010 in Hongkong gehandelt. Kurz nach dem Börsengang in Asien ist der Kosmetikhersteller Clarins, der eine Zeitlang an L’Occitane beteiligt war, als Aktionär ausgestiegen.
Lavendelfelder und ätherische Öle
Geiger steht hinter dem Aufstieg von L’Occitane zu einer weltweit bekannten Marke. Der 76-Jährige, der einst an der ETH in Zürich Maschinenbau studierte, hatte Ende der 1970er Jahre in Frankreich eine Firma für Kosmetikverpackungen gegründet. Das Geld aus dem Verkauf dieses Unternehmens steckte er in den kleinen Naturkosmetikhersteller L’Occitane aus der Provence.
Während sich dessen Gründer Olivier Baussan um Düfte, ätherische Öle und Produkte kümmerte, sorgte Geiger für die erfolgreiche Vermarktung der Ware. Statt auf Bio- und Naturkosmetikläden setzte er auf eigene Geschäfte der Marke an guter Passantenlage.
Beim Wachstum halfen dem Duo das steigende Interesse an Kosmetik mit natürlichen Inhaltsstoffen und die Werbung mit den Lavendelfeldern. Geiger amtet bis heute als Verwaltungsratspräsident.
2023 erwirtschaftete die Gruppe mit der Marke L’Occitane en Provence und sieben weiteren Brands sowie 8500 Angestellten in 90 Ländern gut 2,1 Milliarden Euro Umsatz. Vertrieben werden die Produkte in eigenen Läden, bei Kosmetikhändlern wie Sephora oder im Onlinehandel.
Phantasie kennt keine Grenzen
Die Meldung über eine mögliche Vollübernahme hat in den letzten Wochen bereits die Phantasie von Aktionären angeregt, die deutlich mehr aus ihrem Investment herausholen wollen und ihre Forderungen entsprechend hoch zielen.
So hat etwa der Finanzinvestor Butler Hall in einem Brief an den Verwaltungsrat geschrieben, dass jede Offerte unter 45 Hongkong-Dollar pro Aktie die Firma «erheblich unterbewerten» würde.
Er plädierte für eine Börsenkotierung in den USA, wo die Firma deutlich höher bewertet würde, sowie für eine Abspaltung der rasant wachsenden Marke Sol de Janeiro. Diese allein, so behauptet das Butler Hall, sei heute sogar mehr wert als das ganze Unternehmen.
Nun muss der Finanzinvestor die allzu hohen Hoffnungen begraben. Wie L’Occitane schreibt, sei die Offerte von Geiger von 34 Hongkong Dollar pro Aktie endgültig und werde nicht erhöht.