Engstellen in den Atemwegen und vibrierende Weichteile im Rachen sind verantwortlich fürs Schnarchen. Eine ärztliche Untersuchung kann Betroffenen besser helfen als die Hilfsmittel aus dem Internet.
Boris Stuck geht gern in die Oper. Die Schwingungen, die ein Sänger im Rachen auslöst und per Schallwelle ins Publikum schickt – das findet er faszinierend. «Es ist doch erstaunlich, welche Klänge der Mensch aufgrund seiner ganz besonderen Anatomie fabrizieren kann», sagt er.
Er ist Professor für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Universitätsklinikum Marburg und damit ein Fachmann für diese Anatomie. In seinem Berufsalltag begegnen ihm allerdings auch ihre Schattenseiten. Wenn Boris Stuck an die Schnarcher denkt, mit denen er sich über die Jahre intensiv befasst hat, spricht er nicht mehr vom einzigartigen Aufbau des menschlichen Rachenraums. Er redet nun vielmehr von einer «Fehlkonstruktion», mit der die Menschheit wohl oder übel zurechtkommen muss.
Wieso der Mensch schnarcht
Im Extremfall knattern Schnarcher mit bis zu 90 Dezibel durch die Nacht – das ist etwa so laut wie der Lärm an einer Hauptverkehrsstrasse. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt erklärt, wie das Schnarchen entsteht: «Wie immer bei der Entstehung von Geräuschen benötigen wir eine Schallquelle. Etwas muss vibrieren.» Und diese Schallquelle sitzt beim Schnarchen genau wie beim Singen in den Atemwegen, vor allem im Rachen.
Hier ist beim Menschen vornehmlich Weichgewebe, das allein durch Muskeln stabilisiert und offen gehalten wird. Aber die Gaumen- und Rachenmuskeln erschlaffen im Schlaf. Pfeift dann ein Luftstrom hindurch, flattern das Gaumensegel und andere Weichteile hin und her. Sie vibrieren und produzieren damit Schallwellen – die des Nachts keiner hören will.
Verstärkt wird das Phänomen, wenn der Körper die Atemluft mit viel Druck einsaugen muss. Das passiert zum Beispiel bei einer Engstelle in der Nase, oder wenn die Zunge im Schlaf ein Stück zu weit nach hinten fällt und den Durchgang zur Luftröhre einengt. Die Atemluft wird mit grosser Kraft durch die Engstelle gedrückt – die Weichteile flattern noch mehr.
Wie viele Menschen schnarchen, ist nicht bekannt, weil es zu wenig erforscht ist. Immerhin ist reines Schnarchen ohne Atemaussetzer gemäss dem jetzigen Stand der Wissenschaft nicht gesundheitsschädlich für den Schnarcher.
Boris Stuck hat eine medizinische Leitlinie verfasst für die Untersuchung und Behandlung von Menschen, die auf gesundheitlich unbedenkliche Art schnarchen und daran etwas ändern wollen. Auf diese Leitlinie stützt sich auch die Schweizerische Gesellschaft für Oto-Rhino-Laryngologie (Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde). Eines der Hauptziele solch einer Behandlung: Der Bettpartner soll wieder besser schlafen können.
Schnarchen von obstruktiver Schlafapnoe unterscheiden
Zu Beginn der Untersuchung verschafft sich Boris Stuck mithilfe von Fragebögen einen ersten Eindruck. Dadurch erfährt er zum Beispiel, ob die Person Schlafstörungen hat, tagsüber oft müde ist oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat. «Wer schnarcht und solche Symptome hat, sollte diese unbedingt weiter abklären lassen», sagt Boris Stuck. Denn all das könnte auf eine obstruktive Schlafapnoe hinweisen.
Die Betroffenen einer solchen Schlafapnoe haben im Schlaf mehrere Atemaussetzer pro Stunde, ihr Körper wird dadurch nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Sie japsen immer wieder nach Luft – dabei saugen sie kraftvoll Luft ein, und die Weichteile in ihrem Rachen vibrieren. Deshalb ist Schnarchen auch ein häufiges Symptom dieser gefährlichen Erkrankung.
Gibt es Hinweise auf solche Atemaussetzer, analysiert Boris Stuck den Schlaf genauer, um die Schlafapnoe zu bestätigen oder auszuschliessen. Dafür zeichnet ein Gerät während des Schlafs Atemfluss, Herzrhythmus, Sauerstoffgehalt im Blut und weitere Daten auf.
Untersuchung von Nase und Rachen auf Engstellen
Zusätzlich untersucht der Arzt Nase und Rachen auf mögliche Engstellen, die für das Schnarchen verantwortlich sein könnten. Dabei prüft er auch die Grösse und Stellung der Zunge und des Kiefers, die im Schlaf nach hinten rutschen und die Luftröhre verengen können, und misst die Grösse des Gaumensegels, das im Wind des Atems flattert. So kann er die Körperstelle finden, die für den Lärm verantwortlich ist – und sie eventuell behandeln.
Aber das ist kein Muss. «Die meisten Patienten kommen zu mir, weil sie besorgt sind. Sie wollen vor allem abklären, ob eine Schlafapnoe vorliegt», sagt er. Ist das nicht der Fall, seien viele Betroffene beruhigt.
Gewicht verlieren und Operationen – was gegen Schnarchen hilft
Wer darüber hinaus unbedingt ungehört schlafen will, dem empfiehlt Boris Stuck zunächst, Gewicht zu verlieren. Weil es kaum Studien über reine Schnarcher ohne Atemaussetzer gibt, fehlen bis jetzt zwar wissenschaftliche Beweise dafür, dass Abnehmen gegen Schnarchen hilft.
Doch Boris Stuck sagt: «Die Erfahrung und die unzähligen Gespräche von uns Hals-Nasen-Ohren-Ärzten mit Schnarchern zeigen, dass die Probleme oft beginnen, nachdem die Leute an Gewicht zugenommen haben. Es liegt nahe, dass Gewichtsverlust das Schnarchen verringern kann.» Zudem sollten Schnarcher auf Alkohol am Abend, aufs Rauchen und auf Schlafmittel verzichten. All das lässt die Muskeln noch stärker erschlaffen und verstärkt das Schnarchen.
Eingriffe am Rachen, zum Beispiel die Radiofrequenztherapie, sind laut Stuck gut untersucht und können für ausgewählte Betroffene in Betracht gezogen werden: «Dadurch wird das Gewebe gestrafft, damit es weniger vibriert. Der Effekt ist allerdings eher moderat und lässt bei manchen Patienten nach einiger Zeit nach.»
Stellt der Arzt fest, dass es eine Engstelle in der Nase gibt und der Patient schlecht durch die Nase atmen kann, zieht er eine Operation in Betracht: «So bekommt der Patient wieder gut Luft.» Eine Operation, ohne dass der Schnarcher sich beim Atmen durch die Nase eingeschränkt fühlt, würde er jedoch nicht vornehmen. «Es gibt keine Hinweise, dass sich dadurch in Bezug auf das Schnarchen etwas verbessert.» Manchen Patienten helfen auch vom Zahnarzt oder Kieferorthopäden angepasste Schienen, die den Unterkiefer in der Nacht nach vorne schieben und so den Rachen freihalten.
Nasenpflaster und andere Hilfsmittel: keine Wundermittel
Doch Produkte aus dem Internet und Einzelhandel wie Nasenpflaster, Rucksäcke, die eine Rückenlage verhindern, oder Bandagen, die um den Kopf führen und den Mund geschlossen halten, betrachtet er skeptisch. «Wissenschaftlich sind diese Hilfsmittel häufig nicht. Vielleicht helfen sie Einzelnen, aber die Leute sollten nicht zu viel Geld und Energie in solche Massnahmen stecken», rät er.
Eine Studie aus Zürich hat ergeben, dass Didgeridoo-Spielen die störenden Geräusche in der Nacht verringern kann. Boris Stuck kann sich noch erinnern, dass nach Veröffentlichung der Studie versucht wurde, an seiner früheren Klinik Kurse für das Didgeridoo-Spielen anzubieten. Doch da endete die Bereitschaft der Betroffenen: «Niemand wollte mitmachen.»