Gross ist die Empörung über Fehlleistungen von Grossbanken und die Spitzenlöhne ihrer Manager. Dennoch gehören der international bedeutende Finanzplatz und die UBS zur Erfolgsgeschichte der Schweiz. Es gilt, ruhig Blut zu bewahren.
In Frankfurt wurde er im vergangenen Herbst als Europas Banker des Jahres ausgezeichnet. Sergio Ermotti, der bereits zum zweiten Mal die grösste Bank der Schweiz führt, erhält im Ausland viel Lob für die rasche Übernahme und die effiziente Integration der gestrauchelten Credit Suisse in die UBS.
«Was braucht es, um eine Karriere wie Ihre zu machen?», wurde Ermotti kürzlich an einer Veranstaltung des Luzerner Instituts für Wirtschaftspolitik von einem Studenten gefragt. «Eine Karriere wie meine zu schaffen, ist nicht einfach», antwortete er. «Es braucht viel Freude an der Arbeit, Kompetenz, Konstanz, Disziplin und auch Glück. Und man muss den Mut haben, Risiken auch zu nehmen.»
Lohndeckel als Aufforderung zum Exit
In der breiteren Schweizer Öffentlichkeit erntet Ermotti für seine Bereitschaft zu nehmen allerdings gerade wenig Bewunderung. Es herrscht Empörung über die Vergütung von 14,9 Millionen Franken, die dem Bankchef für seine Leistung im Jahr 2024 zugesichert wurde. Ermotti will offenbar auch hier das Risiko eingehen, dass das Schweizer Parlament als Antwort darauf einen Lohndeckel für Banker von 5 Millionen Franken gesetzlich festschreibt, wie es eine vom Ständerat verabschiedete Motion des Thurgauer SVP-Ständerats Jakob Stark verlangt.
Geopolitische Einordnung im Überblick
Kurzgefasst: Ohne UBS gäbe es keine Grossbankenrisiken mehr, aber die Schweiz hätte nicht mehr denselben Finanzplatz und denselben damit verbundenen Wohlstand.
Geopolitische Einschätzung: Die globale Ausstrahlung und die geopolitische Bedeutung der Schweiz hängen mit ihrem leistungsfähigen Finanzplatz zusammen, der eng mit der UBS verflochten ist.
Blick voraus: Statt über unsinnige Lohndeckel zu diskutieren, sollte sich die Politik darüber klarwerden, was ihr der Finanzplatz und der damit verbundene Wohlstand wert sind.
Damit rückt ein anderes Risiko in den Vordergrund. Der vom Parlament diskutierte Lohndeckel für private Banken steht nämlich nicht nur ordnungspolitisch völlig quer in der Landschaft. Mit dem Lohndeckel wäre auch das Risiko hoch, dass das in der Bankenwelt stark pekuniär motivierte, angelsächsisch geprägte Spitzenpersonal nicht mehr in der Schweiz arbeiten will. Die Grossbank könnte gezwungen sein, mit ihren internationalen Aktivitäten wegzuziehen, oder sie könnte von einem ausländischen Institut übernommen werden.
Die Parlamentarier sollten sich deswegen klar darüber werden, ob und zu welchem Preis sie die UBS in der Schweiz halten wollen. Das wiederum ist eng verbunden mit der Frage, wie wichtig es für die Schweiz ist, ein Finanzplatz mit globaler Ausstrahlung zu sein.
Stellung des Finanzplatzes unter Druck
International gesehen ist der schweizerische Finanzplatz zwar noch immer der grösste Anbieter von grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsdienstleistungen. Aber Hongkong und Singapur holen auf. Als globales Finanzzentrum ist die Schweiz in den vergangenen zehn Jahren unter Druck gekommen, wie die Entwicklung des Rankings im Global-Financial-Centres-Index (GFCI) zeigt.
Dort ist Zürich vom 5. auf zuletzt den 17. Platz zurückgefallen. Genf, das vom 7. zeitweise bis auf den 28. Platz verwiesen wurde, vermochte sich wieder auf den 13. Platz zu verbessern. Das dürfte mit seinem Rohstoffhandelsplatz zu tun haben. Doch beide Schweizer Finanzplätze bleiben unter Druck, was wirtschaftliche und politische Gründe hat.
Der UBS als dem einzigen verbliebenen Schweizer Finanzinstitut, das wirklich global breit aufgestellt und vernetzt ist, kommt vor diesem Hintergrund eine besondere Bedeutung zu. Natürlich sind auch zahlreiche andere in- und ausländische Banken grenzüberschreitend in der Vermögensverwaltung und im Corporate Banking tätig, doch der in der Schweiz aktive Cluster an Finanzfachleuten und Geschäften mit internationalem Bezug ist eng mit der UBS verflochten.
Was unmittelbar auf dem Spiel steht
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der UBS und des Finanzplatzes ist immer noch substanziell.
Im internationalen Vergleich trägt der Finanzsektor (inklusive der Versicherungen) in der Schweiz mit 9 Prozent zur Wirtschaftsleistung ähnlich viel bei wie in Grossbritannien und in den USA. Die UBS gehört zu den zwanzig grössten Banken weltweit. In der Schweiz ist sie der drittgrösste private Arbeitgeber. Unter Einrechnung der Einkommenssteuern ihrer im Durchschnitt gut verdienenden Angestellten zahlte die Grossbank laut eigenen Angaben 2023 in der Schweiz 2,6 Milliarden Franken Steuern und Abgaben; direkt war es gut 1 Milliarde.
Der Finanzplatz stellt 5 Prozent der Beschäftigten und generierte laut dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) 2022 knapp 12 Prozent aller Fiskalerträge der öffentlichen Hand. Zudem kam der Nettoexport an Finanzdienstleistungen für 45 Prozent des schweizerischen Leistungsbilanzüberschusses auf.
Worum es weiter geht
Während ein Wegzug der UBS unmittelbar also primär Wirtschaftsleistung, Beschäftigung und Steuersubstrat kosten würde, kämen makroökonomisch mittelfristig noch die folgenden vier Faktoren hinzu:
- Verfügbarkeit von Kapital: In der Schweiz kam es in den vergangenen Jahren nie zu einer grösseren Kreditklemme. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Grossbanken in einer Krise schon aus politischen Gründen zu ihrem Heimatstandort stehen und diesen eher von Kreditrückzügen verschonen als für sie weniger bedeutende Drittmärkte.
- Kosten von Kapital: Das reichlich verfügbare internationale Kapital könnte dazu führen, dass sich Firmen und Private in der Schweiz dank dem internationalen Finanzplatz günstiger finanzieren können als ohne.
- Bedeutung für die Realwirtschaft: Grosse internationale Finanzinstitute wie die UBS können einheimischen Firmen global differenzierte Finanzdienstleistungen anbieten und ihnen mit ihrem Netzwerk bei ihrer Internationalisierung behilflich sein. Das stärkt die Attraktivität der Schweiz als Standort für exportorientierte Unternehmen.
- Internationaler Einfluss: Die UBS ist ein global systemrelevantes Finanzinstitut. Ohne sie hätte die Schweiz in den internationalen Finanzgremien viel weniger Gewicht und könnte ihre wirtschaftspolitischen Interessen weniger direkt und effektiv geltend machen.
Wieso es komplizierter ist . . .
Tatsächlich implizieren Berechnungen, dass sich Firmen im Schweizer Markt um rund einen halben Prozentpunkt günstiger finanzieren können als in Deutschland und Österreich.
Allerdings war die Finanzierungsprämie in der Schweiz unter Einbezug von Inflationsdifferenzen und Wechselkurs in den vergangenen Jahren nicht mehr positiv. Als Schweizer hätte man besser einen Kredit in Euro als in Franken aufgenommen, weil man vom Zerfall des Euro profitiert hätte.
Schwer zu beurteilen ist, welche internationalen Dienstleistungen nach einem allfälligen Wegzug der UBS ausländische Anbieter übernehmen würden und welche Beschäftigungs- und Kostennachteile dies hätte. Grosse Firmen mit Sitz in der Schweiz arbeiten schon heute mit verschiedenen ausländischen Finanzinstituten zusammen. Für Qualität und Preis von Dienstleistungen ist in der Regel der Wettbewerb wichtiger als das nationale Domizil des Anbieters.
. . . und Risiken gibt
Doch es geht nicht nur um Nutzen, sondern auch um Risiken. Wie die Rettung der UBS 2008 und jene der CS 2023 zeigten, können Finanzkrisen und Fehlleistungen schnell zu sehr hohen Wertverlusten führen. Fehlleistungen wie bei der CS können Vertrauensverlust und fluchtartige Rückzüge von Kundenvermögen auslösen. Kostenblöcke wie IT und Personal verlieren in einer Krise schnell an Wert. Um ein Chaos mit grossen Folgeeffekten zu verhindern, muss eine in Schieflage geratene Bank wie die UBS geordnet saniert oder abgewickelt werden können. Dazu braucht es in der Regel ein Eingreifen staatlicher Aufsichtsbehörden.
Zentral ist, dass dabei dem Steuerzahler auch im Krisenfall keine hohen Kosten entstehen. Die beiden bisherigen Rettungsaktionen haben der öffentlichen Hand zuletzt Zusatzeinnahmen beschert. Doch Risiken haben eine grosse Bandbreite. Und in einer Marktwirtschaft sollte der Staat nicht hohe Verlustrisiken privater Firmen garantieren müssen.
Die effizienteste Garantie dagegen sind grosse Eigenkapitalpolster, die allfällige Verluste in einem Krisenfall absorbieren können. Die UBS wies dazu Ende vergangenen Jahres 87,7 Milliarden Franken Eigenkapital für den Normalbetrieb aus und zusätzlich 97,4 Milliarden Wandlungskapital, das in einem Krisenfall als Eigenkapital eine Sanierung finanzieren könnte. Gemessen an der Leverage Ratio stünden damit in einer existenziellen Krise 12 Prozent an Eigenkapital zur Verfügung; gemessen an den risikogewichteten Aktiven 37 Prozent.
Die Steuerzahler heraushalten
Bank und Aufsicht gehen davon aus, dass dies zusammen mit einem vorbereiteten Abwicklungsregime genügen sollte, um ohne Belastung des Schweizer Steuerzahlers aus einer Krise zu kommen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings nicht. Will man das Risiko weiter vermindern, muss man die Eigenkapitalanforderungen höherschrauben. Das führt dann dazu, dass sich Kredite und Dienstleistungen verteuern und gewisse Geschäfte nicht mehr lohnen. Im schlimmsten Fall wird der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit so gross, dass die Bank nicht mehr global eigenständig weiterbestehen kann.
Mit der UBS und den internationalen Finanzplätzen ist es deshalb wie mit Sergio Ermottis Karriere. Erfolg braucht die Bereitschaft, auch Risiken zu nehmen. Die Schweiz ist ein reiches Land, weil ihre Firmen und Regulatoren es lange verstanden haben, Risiken mit Augenmass einzugehen und dabei zu einem international bedeutenden Finanzplatz zu werden. Industriepolitik war dabei zum Glück nie Sache der Schweiz. Und die UBS sollte genügend Eigenkapital halten, dass es auch für sie keine Staatsgarantie braucht.
Politisch entschieden werden muss nun in vernünftiger Frist, wie viel mehr Sicherheit die Schweiz in Form von strengeren Eigenkapitalvorschriften für notwendig erachtet. Die Regeln sollten trotz allen Klagen der UBS im Bereich der ausländischen Beteiligungen solider werden, dürfen aber im Interesse des globalen Finanzplatzes nicht so hart ausfallen, dass eine in der Schweiz beheimatete UBS ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verliert.
Definitiv nicht zur Abwägung von Nutzen und Risiken gehört ein Lohndeckel. Sosehr man sich über die Masslosigkeit der Vergütung ärgern mag – ob Ermotti und andere 5, 10 oder 25 Millionen verdienen, ist ein Problem der Aktionäre. Für den Wert der UBS und des Finanzplatzes für die Schweiz ist es (abgesehen vom direktdemokratischen Schaden, den die Empörung darüber anrichtet) irrelevant.