Der grösste Schweizer Pharmaauftragsfertiger entledigt sich dem Kapselgeschäft und verschlankt seine Organisation. Die Aktien gewinnen an Attraktivität.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Nun also doch: Lonza will künftig ein reiner Auftragsfertiger der Pharma- und Biotechindustrie sein. Wie schon seit einiger Zeit gemunkelt, will der Konzern sich vom Geschäft mit Kapseln und Nahrungsergänzungen (Capsules & Health Ingredients, CHI) trennen.
Investoren und Analysten haben wiederholt eine stärkere Fokussierung gefordert. Nicht nur deshalb, weil CHI in jüngster Zeit die Marge der Gruppe verdünnte, sondern auch weil es operationell immer ein Fremdkörper war. Die mit der Übernahme 2016 verbundenen Hoffnungen, damit zu einem Lösungsanbieter zu werden, haben sich nie eingestellt.
Auch im laufenden Jahr werde CHI bremsend wirken, erklärte der neue Lonza-Chef Wolfgang Wienand am heutigen Kapitalmarkttag in Basel. Zum Glück läuft das restliche Geschäft etwas besser als budgetiert, weshalb das Management die Prognose 2024 bestätigen konnte: Der Umsatz werde stagnieren, die Ebitda-Marge im Bereich von 27 bis 29% zu liegen kommen, hiess es.
Trennung von einem akquirierten Fremdkörper
Das vor zwei Wochen beschriebene Wunschszenario meiner Partnerin – Mrs Market – hat sich also bewahrheitet. Es ermöglicht Lonza zu einem reinen Auftragsfertiger (Contract Development and Manufacturing Organization, CDMO) zu werden. Und es wird dringend benötige Mittel in die Kasse spülen, um die ambitiöse Expansion des Marktführers zu finanzieren, ohne die Bilanz zu stark strapazieren zu müssen.
Zusammen mit der Bekanntgabe einer flacheren Hierarchie – es wird eine ganze Führungsschicht beseitigt – sowie dem Eingeständnis des neuen Managements, dass operationell und finanziell noch einiges Effizienzpotenzial im Konzern steckt, sind das vielversprechende Nachrichten. Entsprechend zuversichtlich reagierte am Donnerstag der Aktienkurs von Lonza.
Der vom Schweizer Konkurrenten Siegfried geholte Konzernchef Wienand nutzt sein Zeitfenster ausgiebig, dem grössten Pharmaauftragsfertiger eine grundlegende Neuausrichtung zu unterziehen. Der Bereich CHI (Umsatz 2023: 1,1 Mrd. Fr.) wird künftig separat geführt und zum Verkauf angeboten. Laut Wienand sei Lonza nicht die beste Besitzerin. Dass dieses Geschäft auch nach acht Jahren kaum integriert ist, bestätigt diese Einschätzung. Es habe ein anderes Geschäftsmodell als der Restkonzern.
Immerhin wird das die Herauslösung einfacher machen. Ob sich schon Interessen gemeldet hätten, liess Wienand indes offen. Der Verkaufsprozess werde Anfang 2025 beginnen.
Im Markt wird ein Wert im Umfang von 5 Mrd. Fr. herumgereicht. Ein solcher Zustupf käme gelegen, denn Lonza befindet sich in einer beispiellosen Investitionsphase.
Mit der Auflistung der Vorzüge von CHI hat Wienand dennoch schon jetzt den Verkaufsprozess angestossen. CHI sei nicht nur klare Marktführerin in ihrem Bereich, technologisch herausragend sondern auch in Sachen Rentabilität die Beste. Nächstes Jahr werde CHI auf eine Ebitda-Marge von 25% kommen, anschliessend sogar die in der Vergangenheit gezeigten mehr als 30% erzielen, wird versprochen. Dieser Trend dürfte den Verkaufsprozess beschleunigen und das Pendel zugunsten des Verkäufers schwingen lassen.
Auch das verbleibende Geschäft wird neu gruppiert. Hauptstütze wird das Biotech-Segment (Integrated Biologics) sein, auf das rund die Hälfte des Konzernumsatzes entfällt. Weitere 30% werden das Geschäft mit chemischen Formulierungen (Advanced Synthesis) und der Rest mit Projekten aus dem Zell- und Gentechnologiebereich und mRNA (Specialized Modalities) ausmachen.
Geleitet werden diese drei Plattformen genannten Bereiche von bisherigen Geschäftsleitungsmitgliedern, doch mit neuen Zuständigkeiten.
Neuer Besen
Die Handschrift des neuen Chefs zeigt sich auch in den Absichten, die operationelle und finanzielle Verfassung des Konzerns zu verbessern. Die bisherige Organisation sei zu sehr in Silos gefangen gewesen und die Leistung in der Produktion noch verbesserungsfähig, sagte er. Obwohl Wienand erst seit weniger als einem halben Jahr bei Lonza ist, hat er offenbar auch in der Fertigung schon einigen Handlungsbedarf identifiziert.
Die dadurch freiwerdenden Mittel sollen das Wachstum anheizen. Mit Blick auf die eher zu knappen Kapazitäten im Medikamentenmarkt halte ich das für sinnvoll. Aus Risiko- und Effizienzüberlegungen lassen Pharma- und Biotechunternehmen ihre neuen Medikamente immer öfter durch externe Hersteller wie Lonza fertigen. Im Biotech-Bereich wird sich der Anteil, der von Auftragsfertigern hergestellten Volumen laut Marktforschungsunternehmen bis 2029 von 35 im Jahr 2019 auf 55% erhöhen. Die CDMO-Anbieter könnten deshalb mit einem durchschnittlichen Umsatzwachstum von 8 bis 10% rechnen.
Lonza traut sich zu, organisch 2 bis 3 Prozentpunkte schneller zu wachsen. Und weil Grösse in diesem Geschäft ein entscheidender Vorteil ist, soll künftig auf anorganisches Wachstum gesetzt werden. Die durch die Verschlankung und Optimierung der Organisation freigesetzten Mittel sollen für Ergänzungsakquisitionen eingesetzt werden. Der Kauf der Roche-Fabrik in Vacaville (Kalifornien) ist ein Beispiel dafür.
Was Investoren gerne hören
Das soll jedoch weder zulasten der Bilanz, noch auf Kosten der Ausschüttung gehen. Weiterhin wird eine gleichbleibende bis wachsende Dividende versprochen. Auch die Ausschüttungsquote soll bei 35 bis 45% zu liegen kommen. Überschüssige Mittel sollen an die Aktionäre zurückgeführt werden. Die Chancen stehen also gut, dass das im ersten Halbjahr 2025 auslaufende Aktienrückkaufprogramm über 2 Mrd. Fr. trotz des derzeitigen Kapitalhungers einen Nachfolger haben wird. Gleichzeitig soll die Verschuldungsquote (Nettoschulden im Verhältnis zum Ebitda) aber bei 1,5 bis 2 bleiben, um das Kreditrating (BBB+) zu gewährleisten.
Das traditionell kapitalintensive Geschäft eines CDMO kann mit einer effizienteren Mittelallokation verbessert werden. Lonza sieht sich in der Lage in einigen Jahren wieder eine Kapitalrendite (ROIC) im zweistelligen Prozentbereich zu erwirtschaften.
Aus Investorensicht kann mir das alles nur recht sein. Auch in der Kommunikation nach aussen will das neue Management mehr Transparenz zulassen.
Die am Kapitalmarkttag vorgestellten Komponente der «neuen» Lonza dürften die Investoren in ihrer Einschätzung bestärken, die Wachstumsphase des Unternehmens zu begleiten.
Es scheint, dass frische Besen tatsächlich besser kehren. Für mich heisst das: Trotz der schon guten Performance in diesem Jahr (+48%) kann man bei Lonza halten.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Giorgio Müller