Fünf Tage mit und dann zwei Tage weitgehend ohne Nahrung oder lieber sechzehn Stunden fasten und dann während acht Stunden essen: Wann Intervallfasten Krankheiten vorbeugen kann und welche langfristigen Auswirkungen der regelmässige Verzicht hat.
Wir wollen alle schlank bleiben. Doch leider steht uns da unsere Biologie im Weg. Während des allergrössten Teils der menschlichen Entwicklung war Essen Mangelware. Um trotzdem zu überleben, hat sich unser Körper etwas ausdenken müssen. Zahlreiche Stoffwechselvorgänge sorgen dafür, dass wir richtig viel essen, sobald Nahrung vorhanden ist, und die ungenutzten Kalorien in Fettdepots gespeichert werden. In Hungerphasen werden diese abgebaut, viele zelluläre Aktivitäten beruhigen sich wieder. Wäre es also physiologisch gesehen besser, regelmässig längere Essenspausen einzulegen?
Längere Essenspausen könnten doppelt helfen, nämlich das Gewicht regulieren und unseren Stoffwechsel normalisieren. «Intervallfasten erscheint tatsächlich als ideale Methode gegen Übergewicht und damit verbundene Probleme wie Diabetes oder auch ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs», sagt Tilman Kühn, Ernährungsphysiologe an der Med-Uni sowie der Universität Wien. Wie er dachten weltweit viele Kolleginnen und Kollegen. Zahlreiche Versuchstiere mussten in den letzten Jahren für den Erkenntnisgewinn fasten. Es folgten Studien mit menschlichen Probanden.
Unterschiedliche Fastenregeln im Test
Erprobt wurden dabei unterschiedliche Vorgehensweisen. Einen Tag ohne Hemmungen essen, dann einen ganzen Tag gar nichts. Oder es hiess 5 – 2: fünf Tage normal essen, an zwei Tagen nur ganz wenig, und das am besten innert zwölf Stunden. Eine weitere Möglichkeit ist 16 – 8, also sechzehn Stunden fasten und dann während acht Stunden essen – natürlich nicht ununterbrochen. Es wurde sowohl die Variante ohne Frühstück als auch jene ohne Abendessen ausgetestet.
Lösen die gesammelten Ergebnisse nun die Hoffnungen ein? «Ja und nein», meint Kühn.
Man kann mittlerweile recht präzise sagen, was im Körper beim Fasten passiert. Während der ersten Stunden ohne Nahrung werden vor allem Glykogendepots in der Leber und in den Muskeln geleert. Glykogen ist unser Speicher für Kohlehydrate. Da unser Gehirn nonstop Energie braucht, aber nur Glukose verwerten kann, sind Speicher mit schnell verfügbaren Kohlehydraten lebensnotwendig.
Wann die Fettdepots schmelzen
Nach ein bis zwei Tagen Fasten geht es auch den Fettdepots an den Kragen. Fett wird umgebaut zu Kohlehydraten und frei verfügbaren Fettsäuren. Die verbliebenen Glykogenspeicher bleiben als letzte Reserve unangetastet. Diese Stoffwechselumstellung verursacht zahlreiche Veränderungen. So werden Fettmoleküle aus dem Blut entfernt, damit sinkt der Blutfettspiegel. Da kaum noch Kohlehydrate im Blut vorhanden sind, schüttet die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr aus.
Fehlt Insulin, schalten viele Zellen auf Sparflamme und fahren diverse Aktivitäten herunter. Damit haben sie nun mehr Kapazitäten, um sozusagen im Inneren aufzuräumen. Manche zellulären Bestandteile werden abgebaut und anderweitig verwertet. Dies wird im Fachjargon als Autophagie bezeichnet. Da die Zellen weniger aktiv sind, entstehen auch weniger schädliche Abfallprodukte, die neutralisiert und entsorgt werden müssen. Somit sinkt auch die Menge an Molekülen, die Entzündungen anheizen.
Es ist also plausibel, Fasten als heilsam einzustufen. Auch die Erkenntnisse aus Tierstudien sind positiv. Übergewichtige Mäuse, die längere Essenspausen aushalten mussten, wurden agiler und insgesamt gesünder. Blutfettwerte, Blutzucker und Blutdruck sanken, es wurden weniger Entzündungsfaktoren im Blut gefunden. Die Leberwerte verbesserten sich. Und auch die Insulinresistenz verminderte sich. Eine geringere Resistenz hat zur Folge, dass sich ein bereits bestehender Diabetes Typ 2 bessert beziehungsweise gar nicht erst entwickelt.
Etwas weniger eindeutig sind allerdings die Ergebnisse der klinischen Studien. Manche Probanden profitierten ebenso wie die Mäuse. Doch nicht bei allen wurden die erwähnten Verbesserungen festgestellt. Auch traten nicht immer alle positiven Effekte bei einer Person ein.
Es gebe derzeit zudem keine Hinweise darauf, dass Intervallfasten bei Menschen wirklich die Autophagierate erhöhe, sagt Kühn. Ebenso wenig sei gezeigt, dass regelmässige, längere Essenspausen tatsächlich Krebs verhindern könnten.
Ist Fasten entscheidend – oder die Kalorienreduktion?
Unklarheit herrscht auch darüber, ob Intervallfasten wirklich einen spezifischen Vorteil bringt. «Wir wissen nicht, ob all die beobachteten positiven Effekte wirklich deshalb eingetreten sind, weil die Menschen längere Essenspausen eingehalten haben», erklärt Philipp Gerber, Mediziner und Hormonspezialist am Universitätsspital Zürich.
Es sei genauso gut möglich, dass die Personen ausschliesslich von der Kalorienreduktion profitiert hätten, die sie mit den Fastenphasen erreicht hätten. Man wisse aus zahlreichen Untersuchungen, dass sich bei Menschen mit Übergewicht und metabolischen Störungen viele ihrer Werte wie Blutfette, Blutzucker, Blutdruck oder auch Insulinresistenz massiv verbesserten, wenn die Patienten Gewicht verlören – auf welchem Weg auch immer.
Dass nicht Fasten, sondern vielmehr ein Gewichtsverlust die Gesundheit steigert, darauf deuten auch die Daten von Probanden, die mit Intervallfasten nicht abgenommen haben. Diese Personen konnten sich nämlich nicht über verbesserte Blutwerte oder eine gesunkene Insulinresistenz freuen. Im Gegenzug waren die positiven Effekte am stärksten bei Fettleibigen, die dank Intervallfasten deutlich an Gewicht verloren hatten. Auch bei Gläubigen, die das Ramadan-Fasten einhalten, nach Sonnenuntergang dann aber ausgiebig essen, wurden keine positiven gesundheitlichen Auswirkungen festgestellt.
Ist Intervallfasten wirklich effektiver als andere Diäten?
Generell weiss man noch sehr wenig über Langzeiteffekte des Intervallfastens, weil fast alle klinischen Studien nur wenige Monate dauerten und die Probanden nur in Ausnahmefällen Jahre danach erneut untersucht wurden. Bisher hat sich gezeigt, dass die durch Intervallfasten erzielten Verbesserungen nur dann anhielten, wenn die Personen ihr Gewicht halten konnten. Wenn die Menschen nach dem Ende des zeitweiligen Hungerns hingegen wieder zunahmen, verschlechterten sich auch ihre Werte wieder.
Das sei auch biologisch zu erwarten, sagt Stephan Herzig, Pharmakologe am Helmholtz-Zentrum München. «Denn all die Veränderungen, die in den Zellen durch die Fastenphasen ausgelöst werden, sind eine Reaktion auf eine neue Situation, konkret auf hormonelle Signale. Wenn nun wieder normal gegessen wird, dann fallen diese Hormonsignale weg. Folgerichtig stellen sich auch die Zellen wieder um und behalten die Veränderungen nicht bei.»
In puncto des langfristigen Erfolgs ist Intervallfasten anderen Diäten oder Methoden zur Gewichtsreduktion laut derzeitigem Wissensstand nicht überlegen, so fasst es Kühn zusammen. Und genau wie bei anderen Diäten könne sich auch der berühmt-berüchtigte Jo-Jo-Effekt nach der Phase mit längeren Essenspausen einstellen.
Intervallfasten ist gemäss allen befragten Experten somit keine Methode, die man kurzfristig anwendet, um langfristig gesünder zu werden. Dies bedeutet auch, dass das oftmals propagierte jährliche Heilfasten dies ebenfalls nicht erreicht. Wenn sich jedoch jemand mit solchen Episoden körperlich und seelisch besser fühle und das gerne mache, dann spreche in fast allen Fällen auch nichts dagegen, hiess es.
Die uneingeschränkt gute Nachricht ist: Wenn jemand dauerhaft Intervallfasten mit gleichzeitiger Kalorienreduktion durchhält, dann ist das eine gute Methode, um diverse medizinische Werte zu verbessern und zu stabilisieren. Und zwar in allen erwähnten Varianten. Jede und jeder kann also die für sich verträglichste Variante wählen.
Ob ein Leben ohne Frühstück oder eines ohne Abendessen effizienter ist, ist noch unklar. Manche Studien deuten zwar darauf hin, dass der Verzicht aufs Abendessen gesünder ist. Aber es ist denkbar, dass hier individuelle Faktoren wie der eigene Biorhythmus eine wichtige Rolle spielen. Vielleicht ist es für Frühaufsteher besser, aufs Abendessen zu verzichten, während die Morgenmuffel lieber gleich mit dem Mittagessen beginnen. Derzeit laufen klinische Studien, um das herauszufinden.
Alle befragten Experten sind der Ansicht, dass Intervallfasten keine negativen Effekte hat. Nur Schwangere oder auch Tumorpatienten sollten unbedingt darauf verzichten. Denn in diesen Fällen benötigt der Organismus ausreichend Nahrung.
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