In den kommenden sechs Monaten gibt Ungarn in der EU den Takt vor. Als Motto wählt die Regierung ein Motto aus dem amerikanischen Wahlkampf, das vielen bekannt vorkommen dürfte.
Ein Zauberwürfel ist kein schlechtes Symbol für eine Ratspräsidentschaft. 27 Staaten auf Kurs zu halten – das erfordert Konzentration. Ausserdem war es ein ungarischer Architekt, Ernö Rubik, der den berühmten Würfel mit den farbigen Feldern erfunden hat.
Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban hat sich also ein passendes Logo einfallen lassen für die kommenden sechs Monate, in dem Ungarn turnusgemäss den Vorsitz im Europäischen Rat übernimmt. Aber fast noch beeindruckender ist das dazugehörige Motto aus Budapest: «Make Europe great again», kurz Mega.
Abschied vom Green Deal?
«Es ist ein Hinweis auf eine aktive Präsidentschaft», erklärte der ungarische Minister für europäische Angelegenheiten, Janos Boka, am Dienstag in Brüssel. «Es zeigt die Erwartung, dass wir gemeinsam stärker sein sollten als einzeln, aber auch, dass wir gemeinsam bleiben dürfen, wer wir sind.» Europa, fügte er hinzu, müsse ausserdem in die Lage versetzt werden, ein «unabhängiger globaler Akteur» in einer sich wandelnden Welt zu werden.
Boka hatte sich bei einem Auftritt im Europaviertel, wo er das Arbeitsprogramm seiner Regierung für den Ratsvorsitz präsentierte, gut gegen lästige Journalistenfragen gewappnet. Ob Orban mit dem Mega-Slogan seinem Vorbild Donald Trump nacheifern wolle? Nun, bei ihm lasse die Parole kein Déjà-vu-Gefühl aufkommen, meinte der Minister. «Ich weiss auch nicht, ob Donald Trump Europa jemals wieder gross machen wollte!»
Orban und Trump loben sich gerne gegenseitig in der Öffentlichkeit als starke Anführer. Es ist auch kein Geheimnis, dass sich der ungarische Ministerpräsident für eine konservative Revolution mit fundamentalen Veränderungen in Einwanderungs- und Sicherheitsfragen begeistern kann, so wie sie der amerikanische Präsidentschaftsanwärter propagiert.
Vor der Presse setzte Boka aber gar nicht erst zu ideologischen Höhenflügen an, sondern blieb ganz Diplomat. Nüchtern zählte er die sieben Prioritäten seiner Regierung auf. Besonders in der Wirtschafts- und der Agrarpolitik will Ungarn demnach Impulse setzen. Etwa mit einem «neuen Deal für europäische Wettbewerbsfähigkeit» und einer «bauernorientierten Landwirtschaftspolitik».
Auffällig ist, wie brennend sich die Orban-Regierung für die seit Monaten protestierenden Bauern interessiert. Die vielen Auflagen der EU, heisst es aus Budapest, hätten die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors beeinträchtigt. Ob dies bedeute, dass Ungarn den Green Deal der Europäischen Kommission nicht unterstütze, wollte Boka nicht direkt beantworten. Erst kürzlich opponierte sein Land gegen das mit knapper Mehrheit verabschiedete Renaturierungsgesetz.
Die Eindämmung der illegalen Migration ist ein weiterer Schwerpunkt. Hier will Ungarn vor allem den Schutz der Aussengrenzen verstärken und die Zusammenarbeit mit Drittländern ausbauen. Den neuen EU-Pakt für Asyl und Migration, der ebendiese Punkte umfasst, allerdings auch auf gegenseitige Hilfeleistung zwischen den Staaten zählt, unterstützt Ungarn nicht (was womöglich neue Sanktionen nach sich zieht).
Keine Unterstützung für die Ukraine
Darüber hinaus will Budapest die gemeinsame Verteidigungspolitik stärken, eine «ausgewogene» Kohäsionspolitik erreichen, über die demografischen Herausforderungen des Kontinents diskutieren und den Erweiterungsprozess vorantreiben. Letztgenanntes ist auch deswegen bedeutsam, weil Ungarn den Posten des Erweiterungskommissars gerne behalten würde, auf den aber auch Polen ein Auge geworfen hat.
Boka machte deutlich, dass sein Land bei der Erweiterungspolitik weniger an die Ukraine als an die Staaten auf dem Westbalkan denkt. Zwar haben die EU-Botschafter bereits grünes Licht für den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Kiew gegeben. Orban betrachtet das jedoch als Fehler. Man habe nicht vor, der Ukraine dabei zu helfen, im Laufe des zweiten Halbjahres eines der 35 Beitrittskapitel zu eröffnen, sagte Boka.
Kann die ungarische Ratspräsidentschaft der Brüsseler Politikmaschine Sand ins Getriebe streuen, wie kritische Europaabgeordnete befürchten? Wegen Orbans Linie, wichtige Entscheidungen wie die Ukraine-Finanzhilfen zu blockieren, ist die Sorge nicht ganz unbegründet. Auf der anderen Seite ist der Einfluss des Ratsvorsitzes, der in erster Linie die Sitzungen des Ministerrates leiten und zwischen den Staaten vermitteln soll, auch nicht überzubewerten.
In die Irre führte deswegen auch ein Vorstoss aus dem EU-Parlament, Ungarn wegen seiner Vetopolitik bei der Reihenfolge der Ratspräsidentschaften einfach zu übergehen. Das wäre zwar technisch möglich, aber politisch explosiv gewesen. In Brüssel hofft man nun eher darauf, dass Orban, der Europa «grossartig» machen will, sich als Brückenbauer beweist.









