Bei der Wahl in Luganos Exekutive hat Lega-Stadtpräsident Michele Foletti mehr Stimmen geholt als sein Konkurrent Marco Chiesa. Der Ex-Präsident der SVP Schweiz verzichtete auf eine Stichwahl. Schon im Vorfeld sagte er, er wolle nicht Stadtpräsident werden.
So spannend waren die Gemeindewahlen in der Lega-Hochburg Lugano schon lange nicht mehr. Zu reden gab vor allem die Kür der Stadtexekutive: Würde der ehemalige Präsident der SVP Schweiz, Ständerat Marco Chiesa, mehr Stimmen einheimsen als Lega-Sindaco Michele Foletti und ihn beerben? Viele sahen dies als realistisch an, und die Lega-Anhänger hatten Angst davor – gerade wegen der gemeinsamen Liste für die Exekutive.
Es ist anders gekommen. Die beiden haben sich am Sonntag ein Rennen geliefert, das der 57-jährige Foletti am Abend mit 11 311 Stimmen für sich entschieden hat. Der 49-jährige Chiesa kam auf 10 484 Stimmen und landete auf Platz zwei von allen Kandidierenden. Nun könnte er die Stichwahl verlangen, um in Luganos Exekutive nicht die zweite Geige spielen zu müssen.
Doch wie es scheint, hegt Chiesa trotz seines Status als Ex-Präsident der SVP Schweiz keine maximalen Ambitionen. Gegenüber der Online-Ausgabe des «Corriere del Ticino» erklärte er sofort nach Bekanntwerden der Ergebnisse: Er wolle keine Stichwahl, er respektiere die Abmachungen.
Chiesa sollte Foletti nicht in die Quere kommen
Abmachungen? Es gibt einen Deal zwischen der rechtspopulistischen Lega und der kleinen Tessiner SVP-Sektion, der letzten Sommer geschlossen und gegenüber der Öffentlichkeit nicht verhohlen wurde. Die Lega unterstützte Chiesa im Herbst geschlossen bei seiner angestrebten Wiederwahl als Ständerat, und prompt fuhr Chiesa ein Glanzergebnis ein.
Im Gegenzug sollte Chiesa bei einer Kandidatur für Luganos siebenköpfige Stadtexekutive die zwei Lega-Sitze und den SVP-Stuhl sichern helfen – aber dabei dem bisherigen Lega-Sindaco Foletti nicht in die Quere kommen. Daher betonte Chiesa schon im Vorfeld, er wolle nicht Stadtpräsident werden.
Falls Chiesa Wort hält, kürt er innert Monatsfrist mit den anderen gewählten Exekutivmitgliedern Ad-Interim-Sindaco Foletti zum definitiven Stadtpräsidenten. Dies wäre dann für Lega-Mann Foletti, der die Finanzen der Stadt stabilisiert hat, die endgültige Anerkennung seiner Verdienste. Er war im Sommer 2021 nach dem plötzlichen Tod seines beliebten Vorgängers und Parteigenossen Marco Borradori in dieses Amt nachgerutscht.
Mit seiner Klarstellung will Marco Chiesa vermutlich das Terrain für die Gemeindewahlen 2028 sichern. Und er möchte eine Belastungsprobe der Listenpartner Lega und SVP vermeiden. Die kleine Tessiner SVP-Sektion wird nämlich für die Rechtspopulisten zum Stressfaktor: Sie profitiert von Chiesas Nimbus als Ex-Präsident der SVP Schweiz und blüht kräftig auf. Gleichzeitig verliert ihre grosse Schwester Lega an Terrain, unter anderem wegen massiver interner Streitigkeiten.
Insgesamt bleibt die parteipolitische Zusammensetzung von Luganos Stadtregierung dieselbe. Die Lega stellt weiterhin den Sindaco, hält einen weiteren Sitz und hat zusammen mit Listenpartner SVP die relative Mehrheit in der siebenköpfigen Exekutive. Die FDP behält ihre zwei Sitze, die SP und die Mitte je einen.
Apropos Mitte: Weiter in Luganos Stadtregierung bleibt ein anderer schweizweit bekannter Tessiner – der 67-jährige Filippo Lombardi (5398 Stimmen), ein Urgestein der Mitte. Nach zwanzig Jahren im Ständerat wählte ihn zwar das Stimmvolk 2019 ab, dafür schaffte er 2021 den Sprung in Luganos Exekutive. Lombardi, der auch Präsident des Hockeyclubs Ambrì-Piotta ist, hat bisher als dynamischer Vorsteher des städtischen Amtes für Raumentwicklung gewirkt. Mit Sindaco Foletti trieb er das Grossprojekt des Luganer Sport- und Eventzentrums PSE erfolgreich voran.
Fulvio Pelli beendet seine lange politische Karriere
Dabei kreuzte Lombardi die Klingen mit einem anderen schweizweit bekannten Polit-Doyen: mit Luganos Gemeindeparlamentarier Fulvio Pelli. Ex-Nationalrat Pelli, von 2005 bis 2012 Präsident der FDP Schweiz, sprach sich gegen einen Teil des PSE-Projektes aus. Ihm missfiel, dass die Angestellten der Stadtverwaltung aus Luganos Mitte dereinst in das PSE übersiedeln und dem Kleingewerbe im Zentrum gute Kunden verloren gehen.
Wie Lombardi sass auch Pelli seit 2021 in Luganos Stadtparlament. Nun hat der 73-jährige Freisinnige auf eine neue Kandidatur verzichtet und beendet seine lange politische Karriere. Es ist ein überraschend stiller Abgang für das einstige Schwergewicht.