Die schwindelerregenden Summen, die für Kunst bezahlt werden, sorgen Jahr für Jahr für Aufsehen. Dabei beeinflussen nicht nur die sozialen Netzwerke die Preise. Die Methoden der grossen Spieler.
Bei 32 Millionen Dollar fiel in der Frühjahrsauktion Mitte Mai bei Christie’s in New York der Hammer – und das Werk «The Italian Version of Popeye Has no Pork in his Diet» des früh verstorbenen Jean-Michel Basquiat hatte einen neuen Besitzer gefunden.
Basquiat hatte es in den 1980ern in nur acht Jahren geschafft, zu einem anerkannten Künstler zu werden. Seine Erfolgsformel: häufige Auftritte im Fernsehen, regelmässige Features in Zeitschriften wie dem «New York Times Magazine» und seine Freundschaften mit Francesco Clemente und natürlich Andy Warhol. Damit kurbelte Basquiat seine Karriere als Künstler an.
Heute haben Social Media Fernsehen und Zeitschriften weitgehend verdrängt. Sie beeinflussen die Nachfrage und damit die Preise in der Kunst. «Künstler schaffen sich über Instagram eine bedeutende Community und damit Aufmerksamkeit», sagt Victor Gisler von der Zürcher Galerie Mai 36. «Man sieht, welche Stars ihre Kunst kaufen. Dadurch steigt der Bekanntheitsgrad der Künstler. Galeristen und andere Experten werden so auf sie aufmerksam.»
Patricia Amberg, die als Senior Art Advisor bei der weltweiten Vermögensverwaltung der UBS einen umfassenden Blick auf den Markt hat, bestätigt das: «Die Bedeutung der sozialen Medien hat dramatisch zugenommen, vor allem weil sie globalen Zugang ermöglichen.»
Gleich auf Instagram kaufen
Dabei sind Social Media auch für Sammler eine wirkungsvolle Möglichkeit, über Künstler zu recherchieren. Amberg beobachtet denn auch einen Anstieg bei den Online-Käufen. «Sammler kaufen zunehmend Kunstwerke über Plattformen wie Instagram.» Dies geschehe aber noch überwiegend am unteren –sprich: eher tiefpreisigen – Ende des Marktes.
Doch auch im Segment über 10 Millionen Dollar betrugen die Online-Verkäufe gemäss dem «Art Basel and UBS Global Art Market Report 2024» bereits 22 Prozent.
Der traditionellere Weg für Künstler zu mehr Bekanntheit und Marktwert führt immer noch über Ausstellungen in Galerien oder auf junge Kunst spezialisierten Ausstellungsorten, wie der Kunsthalle in Basel. Zudem beeinflussen Events wie die Biennale in Venedig oder die Art Basel die Nachfrage.
Dazu sind die grossen Museen einflussreich. Eine Ausstellung an einer renommierten Institution steigert den Marktwert eines Künstlers. Als Indikatoren wirken weiter die Auktionen: Nichts macht die Nachfrage nach einem Künstler für das Publikum sichtbarer als spektakuläre Auktionsergebnisse.
Die grossen fünf im Hintergrund
Doch die wahre Macht im Markt ist – wie so oft – im Hintergrund. Es gebe eine Gruppe von Kennern, die entscheide, was in Galerien, Messen oder Museen ausgestellt werde, sagt Gisler. «Es entsteht eine Nachfrage. Dies wird dann wiederum in den sozialen Medien gepusht.»
Der Kunstexperte Magnus Resch erklärte in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag», dass «die Künstler, die zu einem bestimmten kleinen Netzwerk aus Galerien und Museen gehören, diejenigen sind, welche die hohen Preise erzielen und in bedeutende Museen kommen werden».
Er weist darauf hin, dass 20 Kunstschaffende über 50 Prozent des Gesamtumsatzes des globalen Auktionsmarktes ausmachen. Eine wichtige Rolle spielen die fünf grossen Galerien Gagosian, Hauser & Wirth, Pace, White Cube und David Zwirner.
Für Patricia Amberg von der UBS spielen im Ökosystem rund um einen Künstler Galerien nach wie vor eine grosse Rolle. Sie stecken viel Arbeit in den Karriereaufbau von Künstlern und bieten ihnen die allerbesten Plattformen, um sich zu präsentieren. «Für unsere UBS Art Collection wird nur auf dem Primärmarkt, also bei Galerien, gekauft», sagt sie.
Zum Handschlag kommt dabei zuerst die Stammkundschaft. Neue Sammler dagegen haben oft Schwierigkeiten, von einer Galerie bedient zu werden. Sie werden dann an den Sekundärmarkt verwiesen, müssen also an Auktionen die begehrten Kunstwerke ersteigern. Was zu höheren Preisen führt.
Dabei gibt es durchaus objektive Faktoren für den Preis von Kunst. Dazu zählen die Merkmale von Werk und Künstler sowie Ort und Zeit des Verkaufs. Dabei geht es, wie die auf den Kunstmarkt spezialisierte Ökonomin Clare McAndrew von Christie’s erörtert, um die Bekanntheit des Künstlers und seine Bedeutung in seiner Kunstströmung.
«Je bekannter der Künstler, desto grösser die Chance auf einen höheren Return on Investment und desto geringer das Abwärtsrisiko», sagt McAndrew.
Zudem sind grössere Bilder tendenziell teurer, aber ab einer bestimmten Grösse sinkt der Preis wieder. Der benötigte Platz und der Unterhalt machen diese Werke nur für institutionelle Sammler erschwinglich. «Diese können aufgrund ihrer Marktmacht Discounts erzielen», erläutert McAndrew.
Stark an Bedeutung gewonnen hat zudem die Provenienz eines Bildes. Ist die Herkunft lückenlos belegt, oder gibt es Zweifel über Herkunft und Echtheit? Das wirtschaftliche Umfeld beeinflusst immer auch die Preisbildung. In einer guten Konjunktur sind Sammler eher bereit, Kunst zu kaufen, als in unsicheren Zeiten.
Nach der Finanzkrise 2008 ist denn auch ein Instrument aufgekommen, um die Effizienz des Kunstmarktes zu erhöhen: Zusicherungen.
Beim sogenannten garantierten Preis verpflichtet sich das Auktionshaus oder ein Kunde im Voraus, das angebotene Werk zu einem vereinbarten Preis zu kaufen, falls dieser Preis an der Versteigerung nicht erzielt wird. Finanztechnisch gesprochen, entspricht dies einer Option und einer Tiefstpreisgarantie.
Das Auktionshaus versucht das Œuvre später privat zu einem höheren Preis zu verkaufen. Garantien sollen sicherstellen, dass Kunstwerke nicht zu Discountpreisen verkauft werden müssen. Dies birgt die Gefahr einer Abwärtsspirale, die den gesamten Markt erfassen könnte.
Laut der «New York Times» wurden bei den Abendauktionen von Christie’s und Sotheby’s Mitte Mai in New York 105 von 117 Werken von Dritten mit Garantien unterstützt.
Über garantierte Preise spricht die Industrie aber nicht gerne, könnten doch die vereinbarten Preise, falls sie bekanntwerden, von den Marktteilnehmern als Benchmark wahrgenommen werden. Dies könnte die Preisentwicklung negativ beeinträchtigen.
Nachfragetreiber Museum
Neben Auktionshäusern und Händlern treten auch Museen vermehrt als Garanten auf. So gab das Toledo Museum of Art in Ohio für zwei Werke bei einer Auktion von Sotheby’s eine Mindestpreisgarantie ab. Da beide Werke zu einem höheren Preis versteigert wurden, erhielt das Museum als Kompensation einen prozentualen Anteil des Verkaufspreises.
«Unsere Ressourcen sind beschränkt. Auf diese Weise erhalten wir wenigstens eine finanzielle Kompensation, falls wir die Werke nicht erwerben können», begründete der Museumsdirektor Adam Levine den Schritt.
Auf diese Praxis angesprochen, sagt die Kunsthaus-Mediensprecherin Kristin Steiner: «Das Kunsthaus Zürich trifft keine derartigen Vereinbarungen mit Auktionshäusern.»
Gemäss mehreren Kunstexperten nutzen grosse Galerien auch aus, dass die finanziellen Mittel der Museen oft sehr beschränkt sind. Sie stellen Spenden in Aussicht, falls das Museum einige Bilder eines Künstlers ausstellt, den die Galerie vertritt.
In einem renommierten Museum ausgestellt zu werden, fördert die Nachfrage nach den Werken des betreffenden Künstlers, und die Preise steigen. Auch hier sagt Steiner auf Anfrage: «Während der Direktionszeit von Ann Demeester hat das Kunsthaus Zürich keine solchen Vereinbarungen mit Galerien getroffen.»
Kunstmarkt 2024 und Art Basel
Der Umsatz des Kunstmarktes ist gemäss dem «Art Market Report 2024» zum zweiten Mal in Folge geschrumpft, auf geschätzte 65 Milliarden Dollar (–4 Prozent). Leicht zugenommen hat das Volumen, also die Anzahl Verkäufe, auf 39,4 Millionen (+0,4 Prozent). In den vergangenen 14 Jahren sei der Markt jährlich bloss um 0,6 Prozent gewachsen, stellt das Beratungsunternehmen Deloitte in seinem jüngsten «Art & Finance Report» fest. Damit entwickelten sich die Preise schwächer als die Inflation, womit sie seit 2008 zu konstanten Preisen gefallen sind.
Die Finanzkrise von 2008, die Corona-Pandemie, die Konflikte in der Ukraine und dem Nahen Osten sowie der steile Inflationsanstieg und der unsichere Konjunkturverlauf sorgten für Unsicherheit bei den Akteuren am Kunstmarkt.
An der Art Basel, die vom 10. (für das Publikum vom 13.) bis 16. Juni in Basel stattfindet, setzt die neue Direktorin Maike Cruse einen Schwerpunkt darauf, «die Galerienliste zu verjüngen und zu diversifizieren». 285 Galerien aus 40 Ländern werden an der Art Basel ausstellen, darunter 22 Galerien, die erstmalig dabei sind. Zudem will Maike Cruse in diesem Jahr die Messe stärker mit der Stadt Basel verbinden, durch Ausstellungen und Events im öffentlichen Raum.