Nach den Missbrauchsskandalen ist das Image der katholischen Kirche in der Deutschschweiz schlecht. Das zeigt eine Umfrage.
Die katholische Kirche hat einen schlechten Ruf. Zu diesem Schluss kommt die Kirche selbst: Mehr als ein Viertel der Katholiken kann sich einen Austritt vorstellen. Dies hat eine repräsentative Bevölkerungsumfrage der Forschungsstelle Sotomo ergeben, die die katholische Kirche des Kantons Zürich in Auftrag gegeben hat.
Die 2913 befragten Personen aus der Deutschschweiz gaben unter anderem Auskunft darüber, wie sie zu einem Kirchenaustritt stehen, welche Emotionen sie mit der katholischen Kirche verbinden und welche Engagements sie schätzen.
Gerade einmal 15 Prozent der Befragten beurteilen das Image der katholischen Kirche positiv oder eher positiv, 65 Prozent beurteilen es negativ oder eher negativ, und 20 Prozent sind unschlüssig oder neutral. Junge Leute, Frauen und Konfessionslose äusserten sich besonders kritisch. Wohlwollender waren jene Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage, die der katholischen Kirche angehören. 38 Prozent sehen deren Bild positiv oder eher positiv.
Als positiv bewertet wird das soziale Engagement der katholischen Kirche, das für viele ein Grund ist, Mitglied zu bleiben. Die Befragten wünschen sich ausserdem Begleitung durch die Kirche bei wichtigen Ereignissen wie Trauerfeiern (75 Prozent), Taufen (69 Pr0zent) oder der Hochzeit (63 Prozent). Beispiele aus dem Alltag zeigten eine steigende Nachfrage von christlicher Fürsorge, etwa der Spitalseelsorge. In diesem Bereich hat die Kirche ihr Personal ausgebaut.
Aus Sicht der katholischen Kirche sind die Ergebnisse der Umfrage «nicht überraschend, aber ernüchternd», wie es in einer Medienmitteilung vom Dienstag heisst.
Der Grund für das negative Image sei klar der Umgang mit den Missbrauchsfällen. Im September 2023 hatten die Historikerinnen Monika Dommann und Marietta Meier einen Bericht vorgestellt, wonach Kirchenoberhäupter in der Schweiz über Jahrzehnte hinweg Fälle von sexuellen Übergriffen vertuschten. Insgesamt 1002 Missbrauchsfälle sind belegt, bei denen es sich aber nur um die «Spitze des Eisbergs» handelt, wie die Historikerinnen erklärten. Einige Archive hätten nicht ausgewertet werden können.
Die Kirche müsse die Missbrauchsfälle weiter aufarbeiten und sowohl den Mitgliedern als auch der Öffentlichkeit transparent Rechenschaft darüber ablegen, so wird der Präsident des Synodalrats, Raphael Meyer, in der Mitteilung vom Dienstag zitiert. Er sieht es zudem als «Pflicht, unsere Mitglieder in ihren guten Argumenten für den Verbleib in der Kirche zu bestärken».
In Zukunft soll das «Gemeinschaftliche und Solidarische», das durchaus an der Kirche geschätzt werde, stärker in die Öffentlichkeit getragen werden.
Als Reaktion auf den Missbrauchsskandal hat die katholische Kirche des Kantons Zürich bereits im letzten Herbst angekündigt, dass angehende Seelsorger neu einen Eignungstest absolvieren müssten – und zwar extern. Dafür sollen einheitliche psychologische Abklärungen und einheitliche Standards entwickelt werden.
Neu soll nicht mehr entscheidend sein, wie fromm jemand ist, sondern ob er eine gesunde Persönlichkeitsstruktur hat. Der Kommunikationschef der Kirche sprach gegenüber der NZZ von einem Paradigmenwechsel. Bisher entschied der Regens, also der Leiter des jeweiligen Priesterseminars, zusammen mit dem Bischof über die Eignung eines angehenden Seelsorgers.
Eine weitere Neuerung betrifft die Trennung von Opferhilfe und Meldestellen. Personen, die sich bei einer kirchlichen Stelle melden, werden künftig nicht mehr dort beraten, sondern an die kantonale Opferhilfe verwiesen. Die Kirche erklärte die Entflechtung damit, dass Mitarbeitende kirchlicher Meldestellen oft mit den Tätern bekannt gewesen seien.