Die Volksabstimmungen zum Mietrecht vom November 2024 haben Spätfolgen. Diese betreffen zwei Parlamentsvorstösse für Liberalisierungen. Das Parlament hat nun einen der Vorstösse beerdigt, der andere liegt auf dem Sterbebett.
Das Mietrecht in der Schweiz ist geprägt durch starke Regulierungen für den Mieterschutz. Marktmechanismen sind zwar ein bisschen toleriert, doch vor allem bei den Altmieten ist die Besitzstandwahrung der Mieter im Vordergrund. Das ist das Ergebnis der Mehrheitsverhältnisse an der Urne: Rund 60 Prozent aller Haushalte sind in Mietwohnungen, und nur ein kleiner Teil der Wohneigentümer gehört zu den Vermietern. Das zahlenmässige Verhältnis von Mietern zu Vermietern liegt bei etwa 5:1.
Selbst kleinste Lockerungsversuche stossen auf hohe politische Hürden. Dies zeigte der jüngste Urnengang zum Mietrecht vom November 2024. Zwei Vorlagen der bürgerlichen Parlamentsmehrheit, welche die Eigentümerrechte ein bisschen stärken wollten, fielen durch. Eine der Vorlagen hätte den Mietern bei akutem Eigenbedarf von vermieteten Wohn- oder Geschäftsräumen in gewissen Fällen eine schnellere Kündigungsmöglichkeit gegeben. Die andere Mini-Reform hätte den Einfluss der Vermieter auf die Untervermietung durch Mieter etwas stärken sollen.
Leise beerdigt
Die Doppel-Schlappe für die Liberalisierer an der Urne hatte Folgen über die zwei direkt betroffenen Vorlagen hinaus. Die bürgerlichen Parlamentsvertreter hat nun der Mut verlassen. Ursprünglich war vorgesehen, dass der Nationalrat in der abgelaufenen Märzsession zwei weitere parlamentarische Initiativen berät, welche die Rechte der Eigentümer ein bisschen stärken wollten. Doch die Lust der Bürgerlichen auf wenig aussichtsreiche Abstimmungskämpfe gegen die Mietervertreter ist derzeit nahe beim Nullpunkt. So hat der Nationalrat am vergangenen Freitag auf Antrag seiner Rechtskommission eine der beiden hängigen Mini-Reformen sang- und klanglos beerdigt. Es gab nicht einmal einen Gegenantrag dazu.
Die Idee hinter der Vorlage war die Einschränkung der Möglichkeit von Mietern, den Anfangsmietzins anzufechten. Grundsätzlich erscheint es in einem Rechtsstaat skurril, dass Mieter einen Mietvertrag unterschreiben, aber sogleich die Anfangsmiete anfechten können. Das verstösst gegen das elementare Prinzip «Verträge sind einzuhalten». Doch das Gesetz lässt im Namen der von der Verfassung geforderten Missbrauchsbekämpfung in drei Konstellationen Anfechtungen von Neumieten zu: Der Mieter steckt in einer Notlage, oder es gibt eine Knappheit auf dem örtlichen Markt, oder der Vermieter hat den Preis im Vergleich zum Vormieter «erheblich» erhöht (laut Bundesgericht um mindestens 10 Prozent). Die nun beerdigte Reform wollte die Anfechtungsmöglichkeit auf Fälle beschränken, in denen eine Notlage des Mieters in Kombination mit einer der beiden anderen Konstellationen vorliegt.
Laut einem Bericht der Rechtskommission des Nationalrats von 2024 gibt es jährlich etwa 1200 Fälle mit Anfechtung von Anfangsmietzinsen; bei einem Fünftel der Fälle führe das Verfahren vor der Schlichtungsstelle nicht zu einer Einigung, womit die unzufriedene Partei eine Klagebewilligung erhalte.
Die Vernehmlassung hat den Widerstand des Mieterverbands und der politischen Linken gegen die Reform bekräftigt. Hinzu kam Widerstand aus Gewerbekreisen, da auch Geschäftsmieten betroffen wären. So äusserte sich zum Beispiel der Branchenverband Gastrosuisse ebenfalls kritisch. Diesen Februar zeigte sich die federführende Nationalratskommission auch im Lichte des Urnengangs vom November 2024 desillusioniert: Man sehe zwar weiterhin Handlungsbedarf, aber die Vorlage sei nicht mehrheitsfähig.
Bescheidenes Marktelement
Eine weitere Mini-Reform zur Stärkung der Eigentümerrechte bei der Mietzinsfestlegung liess der Nationalrat vorderhand noch am Leben: Er stimmte am vergangenen Freitag einer Verlängerung der Behandlungsfrist um weitere zwei Jahre zu. Doch auch diese Vorlage, die auf eine parlamentarische Initiative von 2017 zurückgeht, dürfte es schwer haben. Ein Befürworter deutete im Gespräch an, dass man auch mit dieser Reform kaum in eine Referendumsabstimmung gehen wolle.
Im geltenden Recht ist in vielen Fällen die Kostenmiete im Zentrum (Kosten plus angemessener Ertrag). Mietzinse gelten als missbräuchlich, wenn die Vermieter damit einen «übersetzten Ertrag» erzielen. Laut Bundesgericht gilt der Ertrag als übersetzt, wenn die Nettorendite auf dem Eigenkapital des Vermieters in Tiefzinsphasen mehr als 2 Prozentpunkte über dem Referenzzinssatz für Hypotheken liegt; der Referenzsatz beträgt derzeit 1,5 Prozent.
Was heisst Quartierüblichkeit?
In gewissen Fallkonstellationen wird die Kostenmiete indes übersteuert durch ein marktnäheres Element – die «Orts- und Quartierüblichkeit». Dies gilt vor allem bei der Anfechtung von Anfangsmieten in Liegenschaften, die der Eigentümer vor mindestens dreissig Jahren gebaut oder gekauft hat, sowie bei Einreden von Vermietern gegen beantragte Mietpreissenkungen.
Laut Vermietervertretern stellt aber das Bundesgericht solch hohe Anforderungen an den Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit, dass dieses Kriterium in der Praxis kaum brauchbar ist. Die hängige parlamentarische Initiative will unter anderem die notwendige Mindestzahl vergleichbarer Objekte von fünf auf drei reduzieren, den Richtern in Streitfällen mehr Flexibilität geben und künftig nebst amtlichen Daten auch «branchenetablierte Statistiken» als Vergleichsgrundlage zulassen.
Auch diese Vorlage stiess aber in der Vernehmlassung auf Widerstand bei Mieterverband, Linksparteien und Gastrosuisse. Die Kritiker befürchten höhere Mietzinse für Betroffene. Die Rechtskommission des Nationalrats hat im Februar von der Bundesverwaltung zusätzliche Abklärungen zum Begriff der Orts- und Quartierüblichkeit verlangt. Ob die Kommission Formulierungen findet, die einen Härtetest an der Urne überleben könnten, erscheint zweifelhaft.