Nach dem Rücktritt von Stefan Schärer sucht Swiss Ice Hockey schon wieder einen neuen Präsidenten. Der Nachfolger muss dringend die strukturellen Probleme im Verband lösen.
Das Schweizer Eishockey ist ein Potemkinsches Dorf. Hinter der glänzenden Fassade einer boomenden Liga und zwei WM-Silbermedaillen des Nationalteams innert sechs Jahren verbirgt sich eine windschiefe Hütte. Es fehlen eine Zukunftsperspektive und junge Spieler, die die aktuelle Generation dereinst ersetzen. Vor allem aber fehlt die Einigkeit zwischen Verband und Liga.
Stefan Schärer war vor 15 Monaten als Präsident von Swiss Ice Hockey angetreten, um Liga und Verband zu versöhnen. Dass der ehemalige Spitzenhandballer so schnell an dieser Aufgabe gescheitert ist und am Donnerstag demissionieren musste, lag weniger an mangelndem Sachverstand als an seinem forschen Umgangston.
Verband, Liga und Klubs schauen im Schweizer Eishockey nur auf sich und verfolgen ihre eigenen Interessen. Die Nahtstelle zwischen Nachwuchs- und Profisport ist die grösste Baustelle. Vor vier Jahren spaltete sich die National League vom Verband ab. Die zweitklassige Swiss League, in der junge Schweizer Talente Spielpraxis bekommen, blieb hingegen unter dem Dach von Swiss Ice Hockey.
Die Klubs der Swiss League wollen aber an der zentralen Vermarktung der National League partizipieren. Doch die Grossklubs denken nicht daran, ihre Erträge zu teilen. Sie bestimmen die Agenda. Doch wenn die Vereine in der National League nicht umgehend mehr Geld in den Nachwuchs investieren, dann brechen ihr früher oder später die Spieler weg. Bereits jetzt werden Schweizer Junioren seltener im NHL-Draft gezogen als noch vor einigen Jahren. Um die langfristige Nachwuchsförderung sicherzustellen, braucht es schnellstmöglich die Vereinigung der beiden obersten Ligen.
Die Aufblähung der National League während der Covid-Pandemie von zwölf auf 14 Teams war ein Fehler. Klubs wie der HC Ajoie sind latent überfordert und haben im Profi-Eishockey nichts verloren. Die National League hat sich die Erweiterung der Liga über die Erhöhung der Ausländerzahl von vier auf sechs pro Match erkauft. Die Befürworter argumentierten damals damit, durch die Öffnung des Marktes würden auch die hohen Löhne unter Druck geraten.
Doch noch immer verdienen Eishockeyprofis ausserhalb der geächteten russischen Kontinental Hockey League nirgends so viel wie in der Schweiz. Das Durchschnittssalär eines National-League-Spielers dürfte sich bei rund 250 000 bis 300 000 Franken bewegen; die Topverdiener kassieren mindestens eine Million.
Im Schweizer Eishockey stellt sich nun die Frage, wer sich der Aufgabe annimmt, diese Lohnspirale zu stoppen und damit das windschiefe Eishockey-Haus wieder ins Lot rückt. Bereits wenige Stunden nach dem Rücktritt Schärers kursierten erste Namen. Die Liste reicht vom ehemaligen Nationaltrainer Ralph Krueger über Raeto Raffainer bis hin zu früheren Fussball-Exponenten, die auf der Suche nach einer Beschäftigung und etwas Rampenlicht sind. Immerhin wartet mit 120 000 Franken Lohn und 20 000 Franken Pauschalspesen eine stattliche Entschädigung.
Gesucht wird eine Führungspersönlichkeit, die das Eishockey kennt und sein Ego hintanstellen kann. Der abtretende Präsident Schärer ist nicht nur an seinem Umgangsformen, sondern auch an der Tatsache gescheitert, dass er sich zu stark ins operative Geschäft eingemischt hat. Für dieses hat Swiss Ice Hockey mit Martin Baumann seit kurzem einen fähigen CEO verpflichtet.
Mit einem Eigenkapital von gegen 2,7 Millionen Franken ist Swiss Ice Hockey auch finanziell gut genug aufgestellt. Doch für eine erfolgreiche Zukunft braucht es jetzt Einigkeit im Schweizer Eishockey. Schärers Verdienst ist es, den Weg für eine integrative Person frei gemacht zu haben, die diese Einigung herbeiführen kann. Schärer selbst war der Aufgabe nicht gewachsen.