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Ein Australier bedruckt ein T-Shirt, um Passanten zu bitten, seine demenzkranke Ehefrau zu beachten. Die Idee findet nun weltweit Nachahmer.
Jim, ein älterer Herr aus Australien, hat es sich zur Aufgabe gemacht, seiner demenzkranken Ehefrau Maureen zu einem möglichst unbeschwerten Leben zu verhelfen. «Meine Philosophie ist es, Maureen jeden Tag den besten Tag zu bieten, den sie haben kann», sagte der Mann, der seinen Nachnamen nicht öffentlich machen möchte, dem australischen Medium «Manly Observer». Anfangs habe er befürchtet, dass jeder Tag Maureens letzter sein könnte. Nun sagt er: «Wir haben grosses Glück.» Denn viele Menschen würden durch eine Demenzerkrankung ihre Persönlichkeit verändern, Maureen dagegen sei nach wie vor «die gleiche glückliche Person». Dass über Jims Aufgabe und Maureens Demenz nun weltweit geredet und gepostet wird, liegt an Kim Smee.
Smee, Chefredaktorin des «Manly Observer» aus Sydney, hätte kaum gedacht, dass diese Geschichte um die Welt gehen würde. Sie hatte über das Leben und Lieben des älteren australischen Paares in ihrem Medium geschrieben, das doch laut eigenen Angaben bloss eine «hyperlokale» Nachrichten-Website darstellt, die Themen behandelt von der Küstengegend nordöstlich Sydneys.
Übersetzung nach Hongkong, Illustration aus China
Von dort sei der kürzlich erschienene Artikel sogar «für eine Leserschaft in Hongkong übersetzt worden», schrieb Smee in einem Facebook-Post. Einige Leser habe die Geschichte so berührt, dass sie weiter recherchiert hätten. Dazu postete Smee eine Illustration, die ein chinesischer Künstler angefertigt hatte, nachdem ihn die Geschichte des australischen Paares so begeistert hatte.
Die beiden Eheleute sind seit mehr als 55 Jahren verheiratet. Sie leben in der Nähe von Manly, einem kleinen Strandvorort in Sydney, zwanzig Minuten per Fähre von der Innenstadt entfernt.
Obwohl nahe an der Millionenmetropole gelegen, gilt Manly als ein ruhiges Örtchen: Viele Einheimische kennen sich und stoppen gerne mal auf ein Pläuschchen am Strassenrand oder an der Strandpromenade. Auch die kleine Redaktion des «Manly Observer» hat eine enge Bindung an ihre Leserinnen und Leser und berichtet über den einen oder anderen Einheimischen, unter anderem eben auch über Maureen und Jim.
Vor vier Jahren wurden bei Maureen Alzheimer und vaskuläre Demenz diagnostiziert. Ein Schock für die Familie. 2021 stand es so schlecht um Maureen, dass sie völlig geschwächt ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Die behandelnden Ärzte sagten ihrem Ehemann damals, dass Maureen das Wochenende nicht überleben werde. Doch sie überlebte und kämpfte weiter, auch wenn sich ihr geistiger Zustand mit den Jahren verschlechterte.
Maureen soll sich nicht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen fühlen
Dreimal pro Woche geht Jim mit Maureen in Manly Kaffee trinken oder essen, unternimmt mit ihr einen Spaziergang am Wasser. Dabei bemerkte er, dass seine Frau immer wieder versucht, andere Passanten anzusprechen oder nach ihren Händen zu greifen. Meist sei dies jedoch unbemerkt geblieben, erzählte er. Da Jim nicht wollte, dass sich Maureen aufgrund ihrer Krankheit aus der Gemeinschaft ausgeschlossen fühlt, überlegte er sich eine Lösung und liess ein T-Shirt bedrucken: «Meine wunderschöne Frau hat Demenz, bitte sagen Sie Hallo zu ihr.»
Seitdem nähmen sich zahlreiche freundliche Menschen aus allen Gesellschaftsschichten die Zeit, Maureen anzusprechen, berichtete der «Manly Observer». Unter ihnen seien auch viele ausländische Touristen. «Ich möchte mich wirklich bei allen Leuten bedanken, die vorbeigekommen sind und sich mit Maureen unterhalten haben», sagte Jim. Sie alle würden nicht nur Maureens Tag verschönern, sondern so auch seinen Tag besser machen.
Nachdem sich die Geschichte von Jim und Maureen über den «Manly Observer» in sozialen Netzwerken über die ganze Welt verbreitet hatte, schrieben unzählige Leser nicht nur begeisterte Kommentare über die innige Liebe des Paares. Etliche wollen die Idee auch nachahmen – und ein ähnliches T-Shirt für sich und ihre Angehörigen drucken lassen.
440 000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland
Demenz betrifft heutzutage immer mehr Menschen. Sind es 2022 laut Angaben des Australian Institute of Health and Welfare rund 400 000 der 26 Millionen Australier gewesen, so sind in Deutschland im selben Jahr rund 1,8 Millionen Personen erkrankt gewesen. Allein im Laufe des Jahres 2021 sind laut der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft in Deutschland etwa 440 000 Menschen neu an Demenz erkrankt. Infolge der demografischen Veränderungen komme es inzwischen zu weitaus mehr Neuerkrankungen als zu Sterbefällen unter den bereits Erkrankten, so die Gesellschaft. Deswegen nehme die Zahl der Demenzerkrankten auch kontinuierlich zu.