Was Melania Trump trägt, gibt zu reden. Einen Vorgeschmack erhielt man neulich bei der Abdankung von Jimmy Carter. Vielleicht antwortet sie darauf wieder mit «I Really Don’t Care. Do U?»-Jacke.
Man hätte die nächsten Jahre gern über die Anzüge der ersten amerikanischen Präsidentin Kamala Harris diskutiert, jeden leicht variierten Schalkragen seziert, die Schluppenblusen gezählt, bei den Treffen mit mehr oder weniger grossen Staatsmännern die vielleicht variierende Absatzhöhe der Pumps nachgemessen. Aber am Montag zieht Donald Trump wieder ins Weisse Haus ein und mit ihm seine Frau Melania. Diesmal angeblich sogar als Vollzeit-First-Lady in Washington, wie sie in einem Interview bei «Fox News» erklärte. Während der ersten Amtszeit verbrachte sie die meiste Zeit in ihrer Wohnung in New York.
Melania Trumps Auftritte sorgten bereits damals regelmässig für Gesprächsstoff, und mit dem schwarzen Valentino-Mantel, den sie vergangene Woche bei der Beerdigung des Ex-Präsidenten Jimmy Carter trug, geht die zweite Amtszeit vielversprechend los. Auf dem übergrossen weissen Kragen waren, wenn man genau hinschaute, zwei sich küssende Renaissance-Skulpturen zu sehen. Ein Schrei nach Liebe in dieser kalt regierten Welt? Alles auf Kuschelkurs in der nächsten Runde? Oder vor allem eine Anspielung auf ihre eigene bevorstehende «Renaissance» als First Lady of the United States, kurz Flotus?
Zufälle gibt es auf hochpolitischer Ebene nicht. Die Modekritikerin der «New York Times» Vanessa Friedman wird nicht müde, zu betonen, dass auch modische Entscheidungen hier eine Rolle spielten, weil sie etwas über den Charakter beziehungsweise die Agenda einer Person verraten, und nicht selten ähnlich strategisch durchgeplant sind wie ein Staatsbankett. Das mag oberflächlich erscheinen, war im Fall von Melania Trump allerdings vergleichsweise tiefgründig: Denn während sie sich während ihrer Zeit als First Lady so gut wie nie öffentlich erklärte, sprach zumindest ihre Garderobe Bände.
Ihr Kleidungsstil zeigt sie als Unnahbare
Das fing mit dem Kleid für den Inaugurationsball an, das sämtliche Beobachter überraschte. Melania wählte dafür – geradezu tollkühn – einen kaum bekannten Designer namens Hervé Pierre und war angeblich selbst beim Design involviert. Pierre wurde daraufhin ihr Stylist und Berater. Auch jenes taubenblaue Kostüm mit doppeltem Schalkragen von Ralph Lauren bei der Parade tagsüber war eine ausgesprochen stilvolle Wahl gewesen, die ihr die wenigsten zugetraut hatten.
Doch je öfter sie in der Öffentlichkeit stand, desto zugeknöpfter und farbloser wurden die Kostüme, die sie mit breitem Gürtel auf der Taille zugurtete. Dazu trug sie stets klassische, hochhackige Pumps und perfekt frisierte Haare. Eine stramm weibliche Rüstung, die Unnahbarkeit und Kontrolle ausstrahlte. Oft glichen sich die Kleider, obwohl sie von unterschiedlichen Marken stammten. Dann wieder schien die First Lady völlig freizudrehen.
Unvergessen der Tropenhelm im Kolonialstil auf der Afrikareise 2018. Als verwechselte sie diplomatisches Reisen mit einer Agatha-Christie-Mottoparty. Und natürlich diese grüne Zara-Jacke mit dem Aufdruck «I Really Don’t Care, Do U?», die sie auf dem Weg zu einem Flüchtlingscamp trug, wo mexikanische Einwandererkinder festgehalten wurden. Diese waren wegen eines Gesetzes ihres Mannes von ihren Eltern getrennt worden. Die Bilder davon sorgten damals für die wildesten Spekulationen darüber, was sie sich dabei bloss gedacht hatte.
Absage an amerikanische Labels
In ihrer vergangenen Herbst erschienen Autobiografie «Melania» erklärte Trump, dass der Aufdruck tatsächlich als Botschaft an die Presse gedacht war, deren Kritik ihr herzlich egal sei. Angeblich soll die Idee zu besagter Jacke sogar ihr Mann gehabt haben, wobei man im Laufe der Zeit eher den Eindruck bekam, dass seine Meinung sie noch weniger interessierte als die von allen anderen. Seinen Wahlspruch «Buy American, hire American» zumindest befolgte ausgerechnet seine Frau bei der Kleiderwahl weit weniger strikt, als es beispielsweise Michelle Obama oder zuletzt Jill Biden taten.
Während Obama häufig jüngere oder afroamerikanische Designer trug und Biden US-Labels wie Gabriela Hearst bevorzugte, trug Melania Trump besonders häufig europäische Marken, vor allem Dolce & Gabbana oder, wie jüngst am Wahlabend, Dior. Das mag auch damit zu tun gehabt haben, dass Designer wie Tom Ford oder Marc Jacobs sie demonstrativ nicht hatten einkleiden wollen. Aber letztlich geht Melania Trump als ehemaliges Model vor allem danach, was ihr am besten steht, nicht danach, was der Binnenwirtschaft nutzt.
Sieht man sie bald in Jeans?
In der zweiten Amtszeit dürften ihre Auftritte selbstsicherer, womöglich sogar etwas weniger reserviert werden. Denn in besagtem «Fox News»-Interview erklärte die 54-Jährige nicht nur, dass sie ihre eigene Meinung habe, sondern auch, dass sie sich von der Öffentlichkeit oft missverstanden fühle. Deshalb plane sie nach den Memoiren eine Doku. «Mein Leben ist unglaublich. Unglaublich busy», erklärte sie, was wohl bedeuten soll, dass es durchaus etwas zu erzählen oder zu zeigen gebe. Also habe sie ihrem Agenten gesagt: «Zieh los und mache einen Deal für mich.» Zugeschlagen hat, wenig überraschend, Jeff Bezos mit Amazon Prime. Erscheinen soll der Film noch dieses Jahr.
Die Frau, die vorher nur redete, wenn es unbedingt sein musste, öffnet nun also die Tür einen Spalt breit und wird sich womöglich auch in Sachen Garderobe etwas offener geben. Auch einmal einen privaten Look einstreuen. Selbst Königin Camilla posiert inzwischen in Jeans. Dazu raten Kostümdesigner in solchen Fällen.
Ob Hervé Pierre Melania Trump wieder zur Seite stehen wird oder sie sich wie mittlerweile jeder C-Prominente einen professionellen Stylisten zulegt, ist bislang nicht bekannt. Was auch immer sie demnächst trägt – irgendwer wird sich etwas dabei gedacht haben.