In der Unterhaltungselektronik hat es der stationäre Handel schwer. Der Trend geht zu weniger und kleineren Läden. Doch bei den Sportgeschäften besteht die Chance, dass ein Konkurrent zugreift.
Plötzlich musste es schnell gehen. Der Migros-Führung wurde klar, dass Kosmetik bei Melectronics und SportX nichts mehr bringt. Darum sucht der Händler nun einen Käufer für die beiden Ladenketten.
Damit sind Ideen, wie man das Überleben der Ladenformate sichern könnte, Makulatur. Erst vor einem Jahr hatte Migros verkündet, sie wolle Melectronics-Abteilungen mit einem stark reduzierten und auf Haushaltsgeräte und die Eigenmarke Miostar fokussierten Sortiment in die Supermärkte integrieren. Doch dieser Plan ist nun mit dem geplanten Verkauf bereits wieder überholt, wie Migros-Sprecher Marcel Schlatter sagt.
Allenfalls werde zu einem späteren Zeitpunkt in der neu gegründeten Supermarkt AG geprüft, wie viel Platz es dereinst noch für Elektronik in den Migros-Geschäften hat.
Die Schweiz, ein hartes Pflaster
Aber im Moment steht die Frage im Vordergrund, wer an Melectronics interessiert sein könnte – wenn es überhaupt potenzielle Käufer gibt. Die Migros veröffentlicht keine Geschäftszahlen zu den einzelnen Fachmärkten. Einzig der rückläufige Gesamtumsatz von 1,5 Milliarden Franken (2023) für alle Ketten ist publik.
Das schwierige Marktumfeld ist der Hauptgrund, weshalb Migros die Läden loswerden will. Zum einen hat sich der Handel mit Unterhaltungselektronik zu einem beachtlichen Teil ins Internet verlagert. Mehr als die Hälfte aller Waren kaufen Schweizerinnen und Schweizer online ein, so viel wie in keiner anderen Kategorie.
Zum anderen wird der Wettbewerb hauptsächlich über den Preis geführt – das Niveau liegt bei der Unterhaltungselektronik in der Schweiz meist tiefer als in den Nachbarländern.
Theoretisch könnte eine ausländische Kette die Gelegenheit nutzen, um sich auf einen Schlag eine Schweizer Präsenz aufzubauen, indem sie zumindest einen Teil der 98 Melectronics-Filialen übernimmt.
Doch die Entwicklung der letzten Zeit spricht eher gegen ein solches Szenario. Mehrmals versucht hat es Fnac-Darty. Allerdings hat die französische Kette erst vor einem Jahr ihre Fnac-Shop-in-Shops in fast allen Deutschschweizer Manor-Filialen nach zwei Jahren wieder geschlossen und verkündet, man wolle sich auf die Romandie konzentrieren. Auch die Media-Markt-Schwesterfirma Saturn hat sich nach einem kurzen Gastspiel ganz aus der Schweiz zurückgezogen.
Der Chef von Media Markt Schweiz hat unlängst darüber sinniert, zusätzlich zu den grossen Märkten kleinere Geschäfte an Hochfrequenzlagen in Innenstädten zu eröffnen. Diese wären insbesondere für Abholungen und Rücksendungen gedacht. Nicht auszuschliessen, dass hierfür – wenn überhaupt – allenfalls vereinzelte Melectronics-Filialen infrage kämen. Aber auf die allermeisten Läden dürfte das nicht zutreffen.
Sportgeschäfte attraktiver für Übernahme
Etwas optimistischer als bei der Unterhaltungselektronik sind Detailhandelsexperten für das Sportgeschäft, weil hier die Margen noch etwas höher sind. Verschiedentlich genannt wird der französische Riese Decathlon.
Dieser war mit der Übernahme der Athleticum-Sportmärkte von Manor-Besitzerin Maus Frères an ein Schweizer Filialnetz gekommen, das seither fortlaufend weiter ausgebaut worden ist. Unter Immobilienspezialisten ist bekannt, dass die Firma zurzeit auf der Suche nach Ladenflächen ist.
Gut möglich, dass sie ihr Netz mit ein paar SportX-Standorten arrondiert und diese in eigene Geschäfte umwandelt. Schon heute ist die Kette mit Läden in Migros-Einkaufszentren präsent, wie etwa im Länderpark Stans, und verkauft ihr Sortiment über den Migros-Onlinemarktplatz Galaxus.
Aktuell hat Decathlon in der Schweiz 33 Filialen, vier weitere Eröffnungen stehen kurz bevor. Zudem lässt die Firma mit über 1000 Mitarbeitenden ausrichten, man «sei ständig auf der Suche nach neuen Talenten» für alle Standorte in der Schweiz.
Tatsächlich hat Decathlon-Konkurrent Ochsner Sport deutlich mehr Filialen und Personal. Zusammen mit dem Schuhhändler Dosenbach gehört dieser zur deutschen Deichmann-Gruppe und betreibt mit rund 1800 Angestellten 77 Geschäfte in der Schweiz.
Ambitionierte Wachstumsziele in Europa hat die britische JD Sports. Von einem Interesse an der Schweiz ist bis jetzt noch nichts bekannt.
Neuausrichtung von SportX abgebrochen
Im Zusammenhang mit Ochsner gibt es eine interessante Personalie. So setzte die Migros 2020 Patrik Pörtig, den ehemaligen Chef von Dosenbach-Ochsner, als Leiter der Fachmarkt AG ein, also die Gesellschaft, in der Melectronics, SportX, Bike World, Micasa, Do it + Garden und Obi (eine Franchise der deutschen Muttergesellschaft) gebündelt sind.
Wie bei Melectronics gab es in Pörtigs Amtszeit bei SportX Versuche, die Kette mit einem neuen Konzept zu retten. Erst vor etwa anderthalb Jahren kündigte die Migros eine aufwendige Neulancierung an. Das Konzept sah mehr Beratung vor, Coaching-Angebote und eine stärkere Ausrichtung auf «mentale Fitness».
Doch nach ein paar Testfilialen wurde die Umwandlung gestoppt. Nur gerade die Streichung des zweiten X im Namen wurde durchgezogen (früher hiessen die Läden SportXX).
Mit dem absehbaren Verkauf oder Verschwinden von Melectronics und SportX stellt man sich in der Migros die Frage nach dem Sinn der Fachmarkt AG. Laut Sprecher Schlatter sollen die restlichen Fachmärkte Micasa, Bike World, Do it + Garden sowie Obi – falls die Migros sie behält – künftig jeweils von einer regionalen Genossenschaft geführt werden.
Das würde bedeuten: Das 2021 gestartete Konstrukt einer eigenen Firma für alle Fachmärkte brauchte es dereinst nicht mehr. Dessen Auflösung wäre eine Vereinfachung der auch nachher noch komplexen Migros-Strukturen. Und Fachmarkt-Chef Pörtig hat mit der Leitung der Genossenschaft Migros Zürich ab Juli 2024 bereits eine neue Aufgabe.
Unklarheiten bei der Neuvermietung der Ladenflächen
Worauf es auch immer bei Melectronics und SportX hinausläuft: Klar ist, dass sich die Migros für einen Teil der Filialen eine neue Nutzung überlegen oder einen neuen Mieter suchen muss.
Dies dürfte nicht allzu einfach sein, heisst es bei Immobilienfachleuten. Gefragt nach potenziellen Interessenten für Ladenfläche in der Schweiz, nennen sie die Drogeriekette Müller, zu der auch der Spielwarenhändler Franz Carl Weber gehört, die Discounter Aldi und Lidl, den dänischen Möbelhändler Jysk, den niederländischen Discounter Action, der mehrheitlich Non-Food-Artikel verkauft und der den Markteintritt in die Schweiz vorbereitet, oder mit einem ähnlichen Konzept Stokomani aus Frankreich, das kürzlich im Wallis den ersten Laden eröffnet hat.
Dazu kommt: Die Fachmärkte befinden sich in der Regel in einem Einkaufs- oder Fachmarktzentrum. Solche Zentren bringen durch die vorgegebenen Öffnungszeiten einerseits einen Zwang für alle Mieter, immer geöffnet zu haben, unabhängig davon, ob es sich für den einzelnen Laden lohnt oder nicht. Andererseits stellt sich die Frage des Zugangs ausserhalb der Ladenöffnungszeiten, falls sich zum Beispiel ein Fitnessstudio einmieten sollte.
Zudem werden die Zentren meist von Geschäften aus dem Migros-Kosmos dominiert. Solange nicht klar ist, was mit den übrigen Formaten passiert, weiss ein neuer Mieter nicht genau, auf welches Konkurrenzumfeld er sich einlässt. Ein Grund mehr für die Migros, rasch Klarheit zu schaffen.