Das Drogenkartell Jalisco Nueva Generación hat auf einem Grundstück Jugendliche zwangsrekrutiert und wahrscheinlich zahlreiche von ihnen umgebracht. Die Polizei hat das anscheinend verschleiert.
Lokale Medien im mexikanischen Teilstaat Jalisco hatten schon in der Vergangenheit berichtet, dass junge Männer mit Arbeitsangeboten in Lager gelockt und dort als «Fusssoldaten» des Drogenkartells Jalisco Nueva Generación zwangsrekrutiert werden. Zeugen sprachen von einem brutalen Rekrutierungsprozess, bei dem diejenigen, die sich als nicht hart genug herausstellen, umgebracht werden.
Ein grausiger Fund liefert nun neue Indizien für die Berichte. Anfang März hat eine organisierte Gruppe von Angehörigen von Vermissten in Jalisco angeblich ein solches verlassenes Lager des Drogenkartells entdeckt. Es handelt sich dabei um ein grosses, als Pferderanch getarntes und mit einer Mauer abgeschirmtes Grundstück nahe der Gemeinde Teuchitlán. Die Aktivisten waren zuvor anonym informiert worden, dass sich dort möglicherweise ein Massengrab mit verschwundenen Personen befinde.
Im Boden versteckte Öfen
Auf der Suche nach ihren verschwundenen Angehörigen stiessen sie nicht nur auf das mutmassliche Ausbildungslager des Drogenkartells, sondern sie entdeckten dort auch mehrere hundert Paar Schuhe und mehr als Tausend Kleidungsstücke sowie Koffer und Rucksäcke. Ausserdem fanden sie laut eigenen Angaben Überreste von menschlichen Knochen und drei im Boden versteckte Öfen, die anscheinend zum Kremieren von Leichen verwendet worden waren. Die Aktivisten gehen davon aus, dass es sich bei den entdeckten Kleidungsstücken und Utensilien um persönliche Gegenstände von Personen handelt, die im Lager ermordet und kremiert wurden.
Mexikos Sicherheitsminister Omar García Harfuch, der die nationale Drogenbekämpfung koordiniert, hat inzwischen die Angaben der Aktivistengruppe im wesentlichen bestätigt. Die Drogenkriminellen hätten zwangsrekrutierte Personen, die bei der «Ausbildung» zu Kartellmitgliedern Widerstand geleistet hätten oder versucht hätten zu fliehen, gefoltert und ermordet. Ob diese darauf wirklich vor Ort kremiert worden seien, müssten die Untersuchungen jedoch noch zeigen.
Wurden die Verbrechen von der Polizei verschleiert?
Das «Izaguirre Ranch» benannte Grundstück wurde bereits im September 2024 von der Polizei durchsucht. Dabei wurden zehn bewaffnete Personen festgenommen, zwei Entführte befreit und eine Leiche entdeckt. Doch es wurden damals erstaunlicherweise keinerlei Hinweise auf weitere Verbrechen veröffentlicht. Es besteht der dringende Verdacht, dass das wahre Ausmass der Verbrechen damals verschleiert wurde.
Dies hat inzwischen zu einem politischen Streit zwischen der nationalen Regierung von Präsidentin Claudia Sheinbaum und der Regierung des Teilstaats Jalisco geführt. Mit rund 15 000 offiziell vermissten Personen ist weist er die höchste Zahl von Verschwundenen auf. Die tatsächliche Zahl dürfte allerdings noch deutlich höher sein, da viele Leute Repressalien der Drogenmafia befürchten müssen, wenn sie verschwundene Angehörige melden.
Jalisco wird von der gemässigt linken Oppositionspartei Movimiento Ciudadano regiert. Die Opposition macht Sheinbaum für die mögliche Verschleierung der Verbrechen in der Ranch verantwortlich, da die nationale Regierung zuständig ist für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Die Präsidentin wiederum schiebt die Schuld auf die Regierung von Jalisco, denn diese leitete die Untersuchung vor Ort.
Sie wirft deren Untersuchungsbehörde Nachlässigkeit und Desinteresse bei ihrer Arbeit vor. Der zuständige Staatsanwalt von Jalisco verteidigt sich damit, dass die Ranch zu gross gewesen sei, um das ganze Grundstück nach menschlichen Überresten und Asche abzusuchen. Sheinbaum hat nun angekündigt, dass die Generalstaatsanwaltschaft in Mexiko-Stadt die Untersuchung übernehmen werde. Deren Leiter Alejandro Gertz hat erklärt, es sei nicht glaubwürdig, dass die regionale Behörde nichts von den in der Ranch begangenen schweren Verbrechen gewusst habe.
Erste Festnahmen
Inzwischen gibt es erste Fahndungserfolge. Am 21. März hat die Guardia Nacional einen Anführer des Drogenkartells verhaftet, der für die Rekrutierung von Jugendlichen in der «Izaguirre Ranch» verantwortlich gewesen sein soll. Der Drogenboss war nach Mexiko-Stadt geflohen. Kurz danach wurden auch zwei frühere Polizisten festgenommen. Beide hatten der lokalen Polizeieinheit angehört, welche im Gebiet der Ranch zuständig war. Die Verhaftungen haben die Vermutung bestärkt, dass Teile der lokalen Polizei die Drogenkriminellen geschützt oder sogar aktiv mit ihnen zusammengearbeitet hatten.
Inzwischen zeigt sich aber, dass die Untersuchung weiterhin nicht mit der nötigen Professionalität geführt wird – wie häufig bei solchen Verbrechen mit Verschwundenen in Mexiko. Noch bevor die Generalstaatsanwaltschaft die kriminalistische und forensische Untersuchung aufgenommen hat, wurden am 20. März mehrere hundert Journalisten und Angehörige von Vermissten auf das Grundstück gelassen. Schuhe und Kleidungsstücke lagen dort immer noch herum. Es ist davon auszugehen, dass am Tatort eine grosse Menge an Beweismaterial unbrauchbar gemacht wurde.
Gleichzeitig spricht die Organisation der Angehörigen der Verschwundenen von einer beispiellosen Kampagne der Diffamierung und Diskreditierung gegen sie, seit sie ihre Entdeckung öffentlich gemacht hat. Bilder, Audioaufnahmen, Videos und Screenshots von Whatsapp-Chats von Mitgliedern seien mittels KI in Umlauf gebracht worden. Es bleibt schwierig in Mexiko für Angehörige, welche Aufklärung von Verbrechen an ihren Familienmitgliedern verlangen.