Indien, ein Land mit wachsender Zahl an Milliardären und einer Vorliebe für Luxus, wird für Maybach immer wichtiger. Ein Augenschein in Udaipur.
Bässe wummern aus den Lautsprechern, Violinenklänge mischen sich mit Elektrobeats. Tradition und Moderne. 25 weiss gekleidete Models stolzieren über einen weissen Laufsteg, präsentieren den neuesten Chic des angesagten indischen Designers Gaurav Gupta. Die Zuschauer nippen an ihren Gläsern, recken die Hälse, filmen und fotografieren mit ihren Smartphones. Die drei schwarzen Autos im Hintergrund der Bühne werden fast zur Nebensache.
Der DJ dreht den Sound bis zur Schmerzgrenze auf, bis nach gut zwei Stunden der neue Maybach SL Monogram Series auf die Bühne rollt. Endlich. Die Besucher rasten aus. Was für eine Show. Zum ersten Mal präsentiert Maybach ein neues Modell in Indien. Dahinter steckt Kalkül.
Indien ist einer der aufstrebenden Märkte für Luxusautos. Von den jährlich rund 4,3 Millionen verkauften Fahrzeugen entfällt zwar mehr als die Hälfte (2,4 Millionen) auf die kleinen und günstigen Autos von Maruti Suzuki. Aber von den jährlich rund 51 600 verkauften Luxusautos tragen immerhin 40 Prozent einen Stern auf der Motorhaube. Die Wachstumsprognosen liegen bei drei Prozent pro Jahr.
Indien zählt zu den Top Ten der Maybach-Märkte. Künftig soll das Land nach China, den USA und Südkorea zu den Top Five gehören. Im Jahr 2024 verkaufte Maybach mehr als 500 Fahrzeuge in Indien, eine Steigerung von 145 Prozent gegenüber 2023. Im vergangenen Jahr eröffnete Maybach einen neuen Flagship-Store in der Acht-Millionen-Stadt Hyderabad.
Mit Kalkül: Westliche Hersteller verkaufen im Luxussegment Fahrzeuge für rund 1,1 Milliarden Euro, bis 2027 sollen es über 1,5 Milliarden Euro werden. Der indische Markt zählt daher in Zukunft als Absatzbringer.
Da ist es folgerichtig, dass Maybach seine Fahrzeuge und die Marke an zwei Abenden jeweils 200 Kunden und lokalen Journalisten präsentierte und dafür ein Hotel auf einer kleinen Insel mitten im Udaisagar-See bei Udaipur mietete. «Wir haben gemerkt, dass drei Modelle für Indien etwas zu wenig sind und es einen viel grösseren Bedarf und eine höhere Nachfrage gibt», sagt Santosh Iyer, Chef von Mercedes-Benz India. Deshalb folgt nun die Einführung des Roadsters.
Ein Maybach EQS SUV kostet 2,3 Crore, umgerechnet rund 240 000 Euro, der neue Maybach SL kostet 4 Crore, etwa 415 000 Euro. Zum Vergleich: Einen neuen Maruti Suzuki Dzire gibt es umgerechnet für 7700 Euro, den in Indien meistverkauften Maruti Suzuki Wagon-R für rund 6000 Euro.
Urmodelle von Maybach gibt es sogar in Indien
Neben den drei aktuellen Maybach-Modellen S-Klasse, GLS und dem Elektro-SUV EQS steht auch ein seltener Maybach SW38 von 1936 im weitläufigen Park des Hotels. In Indien gibt es davon nur noch drei Exemplare. Erster Besitzer war der Maharadscha Bhupinder von Patiala. Anubhav Nath, der Sohn des heutigen Besitzers und Enkel des Käufers, begleitet an diesem Abend den fast 90 Jahre alten Wagen, der zum ersten Mal überhaupt Neu-Delhi verlässt. Eine besondere Ehre für den Sohn. «Maybach ist mehr als eine Automarke, der SW38 ist mehr als ein Auto – für mich ist das Geschichte und Leidenschaft pur», sagt Nath.
Und die wird ausgiebig gefeiert. Vor der Modenschau begrüssen Daniel Lescow, Leiter Mercedes-Maybach, und der Maybach-Urenkel Ulrich Schmid-Maybach die Gäste. Sie erläutern die Geschichte der Marke und die Bedeutung des indischen Marktes. Schmid-Maybach tritt als Repräsentant der Familie auf und soll der Veranstaltung damit das verleihen, was bei indischen Käufern einen besonders hohen Stellenwert hat: Familie und Tradition.
Maybach, das waren im vergangenen Jahrhundert technisch ausgefeilte Fahrzeuge unter luxuriösem Blech. Wilhelm Maybach und sein Sohn Karl entwickelten ab 1909 zunächst Diesel- und Gasmotoren für Zeppelin-Luftschiffe. Ab 1918 konzentrierten sie sich auf Antriebe für Lokomotiven und Automobile. 1919 entstand der erste Versuchswagen W1, ab 1921 wurde der erste Serienwagen W3 gebaut. Mit dem Maybach Zeppelin DS entstand 1930 die grösste deutsche Limousine mit Zwölfzylindermotor und bis zu acht Litern Hubraum.
Während des Krieges stellte Maybach die Produktion von Luxusautomobilen ein. Nach dem Krieg baute Maybach Motoren für Schienenfahrzeuge und Schiffe. 1960 übernahm Daimler-Benz Maybach und benannte das Unternehmen in MTU Friedrichshafen um. Seit 2014 verleiht Mercedes-Benz seiner Luxussparte den Namen Mercedes-Maybach. Statt eigener Modelle setzen die Stuttgarter seither bei Maybach-Modellen auf bestehende Fahrzeuge als Basis, dazu neueste Mercedes-Technik und eine besonders luxuriöse Ausstattung mit hohen Individualisierungsmöglichkeiten.
Bereits in den 1930er Jahren exportierte der Kleinserienhersteller seine Fahrzeuge nach Indien, unter anderem an die Maharadschas von Patiala, Kolhapur und Kotha. Ein Maybach-Techniker aus Deutschland kümmerte sich ab Ende der 1930er Jahre vor Ort um die Fahrzeuge der Kunden.
Seit 16 Jahren montiert Mercedes-Benz in einem Werk in Pune unter anderem Fahrzeuge der E-Klasse, des GLE, des EQS 580 und seit 2015 den Maybach S580. Sie tun dies nicht von Grund auf, sondern als CKD. Die Abkürzung steht für Completely Knocked Down, vollständig zerlegt. Grob vereinfacht wird das Auto in Einzelteilen angeliefert und am Zielort als Bausatz zusammengesetzt. Das spart Importzölle und Steuern. Die Maybach S-Klasse entsteht in Stuttgart, die SUV-Varianten GLS und EQS in den USA, der SL künftig in Bremen.
Ein weiteres Modell in der Palette ergibt durchaus Sinn, denn der Markt für Luxusfahrzeuge in Indien ist riesig. Vielleicht liegt es daran, dass die indischen Kunden ein gutes Gespür für Luxus, Qualität und Handwerkskunst haben. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es unter den geschätzten 1,44 Milliarden Einwohnern Indiens rund 300 Milliardäre gibt. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Milliardäre in Indien verdreifacht.
Indische Autoenthusiasten und Sammler von Luxusfahrzeugen legen besonders viel Wert auf Historie, Luxus, Qualität und Design. Bei Farben wünschen sich indische Kunden vor allem warme und gedeckte Töne, aber auch weiss und schwarz. Edle Materialien wie spezielle Hölzer, Gold und Silber sind ebenso gefragt. Fahreigenschaften und Höchstgeschwindigkeit sind für die Wahl der Modelle hingegen weniger entscheidend – bei der Qualität der Strassen und dem hohen Verkehrsaufkommen ist dies wenig überraschend.
Das Durchschnittsalter der Kunden ist deutlich tiefer als in Europa
Die indischen Maybach-Kunden sind häufig Geschäftsleute, Sportler und Prominente und nicht nur wohlhabend, sondern auch jung: Das Durchschnittsalter der indischen Kunden liegt bei 38 Jahren. Neben dem nackten Blech interessieren sie sich für Mode, Kunst und andere Lifestyle-Themen.
Eine Besonderheit für Indien hat das neue Modell allerdings. Während sich die Besitzer bei den bisherigen Maybach-Modellen in der Regel chauffieren lassen, fahren sie im zweisitzigen SL selbst. Dazu seien seine Kunden auch bereit, sagt Santosh Iyer. Aus seiner Sicht legen die Maybach-Kunden den Schwerpunkt auf Exklusivität und Individualisierbarkeit. 75 Prozent aller Maybach-Fahrzeuge werden auf Kundenwunsch ab Werk individualisiert.
An drei Ständen können die Kunden in Udaipur in die Welt von Maybach eintauchen, sich über die Handwerkskunst der Manufaktur informieren, Reisetaschen, Lederwaren, Bekleidung, Sonnenbrillen oder Jacken anprobieren. Und so einen ersten Kontakt mit der Traditionsmarke bekommen.
Denn auch wenn die Maybach-Statthalter mit dem Verkaufsergebnis 2024 zufrieden sind – bei einem Gesamtabsatz von 21 000 Maybach-Automobilen weltweit im Jahr 2024 wirken die über 500 in Indien verkauften Fahrzeuge mager.
Nach der Show ist die Party noch nicht vorbei. Die Musik spielt noch einmal, diesmal etwas leiser. Denn jetzt sind die Auftragsbücher der Maybach-Verkäuferinnen und -Verkäufer geöffnet, und sie haben ein offenes Ohr für ihre Kunden. Rund 50 Bestellungen gehen bei diesem Event ein. Luxus funktioniert eben weltweit.
Die Reise zur Veranstaltung wurde von Mercedes unterstützt.