Das Ergebnis der Bundestagswahl gibt Union und SPD genug Parlamentssitze zum Regieren. Das erleichtert die Koalitionsbildung, was die Börse positiv aufnehmen dürfte. Das Resultat und erste Anzeichen einer Konjunkturwende machen günstige deutsche Nebenwerte attraktiv.
Ausländische Investoren dürften das Ergebnis der Bundestagswahl positiv werten und es vielleicht sogar zum Anlass für zumindest kurzfristige, taktische Investitionen in deutsche Aktien nehmen. Denn dass die Unionsparteien CDU und CSU gemeinsam mit der SPD eine Parlamentsmehrheit haben, erleichtert die Regierungsbildung und macht eine lange Hängepartie unwahrscheinlicher.
Wie internationale Grossanleger über die Wahl nachdenken, zeigt eine Übersicht der Research-Boutique Vanda. Die Strategen versorgen von ihren Büros in Singapur, London, New York und Sydney aus institutionelle Investoren mit Einschätzungen zu Wirtschaft und Märkten, für taktische Investmentideen, die oft eher kurzfristig sind. Der Spickzettel von Vanda für die Bundestagswahl aus der Vorwoche sieht so aus:
Szenarien für Bundestagswahl und Finanzmärkte
Das positive Marktszenario («Bull Case») zeigt eine Parlamentsmehrheit für Union und SPD. Für diesen Fall sagten die Strategen eine deutlich positive Marktreaktion am heutigen Montag voraus.
Eine Einschränkung: Bislang liegt nur das vorläufige amtliche Endergebnis vor. Was bis zum amtlichen Endergebnis in den kommenden Tagen geschieht, hat der Berliner «Tagesspiegel» vor der Wahl zusammengefasst: «An den Tagen danach prüfen die örtlichen Wahlvorstände nochmals die Niederschriften auf eventuelle Unregelmässigkeiten. Dabei kann es auch um Zweifelsfälle gehen, wie die Frage, ob Briefwahlunterlagen rechtzeitig eingegangen sind. Offene Fragen gehen an den Kreiswahlleiter und unter Umständen auch an den Bundeswahlleiter. Erst wenn alles geklärt ist, wird das amtliche Endergebnis festgestellt. Dieses Ergebnis kann – meist nur geringfügig – von dem am Wahlabend veröffentlichten vorläufigen Ergebnis abweichen.»
Aufgrund des sehr nahe an der entscheidenden Schwelle von 5% liegenden Ergebnisses des BSW dürfte zumindest diese Partei auf eine Sensation beim amtlichen Endergebnis hoffen, so unwahrscheinlich diese auch sein mag. Ein Einzug des BSW in den Bundestag würde die Zweiparteienkoalition von Union und SPD vereiteln. Der BSW-Europaparlamentarier Fabio De Masi deutete Montagfrüh auf der Plattform X bereits die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde an, auch wegen der vermutlich beträchtlichen Zahl an zu spät aus dem Ausland eingetroffenen Briefwahlstimmen.
Verhaltene Erwartungen der Strategen an die Regierung
Insgesamt sind die Erwartungen vieler Bankvolkswirte und Marktstrategen an die neue Bundesregierung eher gering. Die meisten gehen nicht von einem schnellen, grossen Wurf in der Wirtschaftspolitik aus. Die Ökonomen der Deutschen Bank bewerten am Montagmorgen die Aussicht auf eine rasche Regierungsbildung als positiv, schreiben aber dennoch von einem «gemischten Wahlergebnis». Die Parteien der Mitte hätten keine Zweidrittelmehrheit für die Reform der Schuldenbremse. Diese liesse sich nur durch Unterstützung von Die Linke oder AfD erreichen. «Dies könnte von den Märkten negativ gesehen werden, weil es die Wahrscheinlichkeit einer entschiedenen Änderung der Fiskalpolitik verringert», urteilen die Bankökonomen Marion Mühlberger, Ursula Walther und Robin Winkler.
Dem Wahlsieger Friedrich Merz und auch den Besitzern deutscher Aktien könnte jedoch zu Gute kommen, dass es zuletzt Anzeichen dafür gab, dass die Konjunktur ihren Tiefpunkt hinter sich gelassen hat. Ein Beispiel dafür ist der Sprung des ZEW-Indikators zu den Konjunkturerwartungen von rund 300 befragten Finanzanalysten von 10,3 auf 26 Punkte binnen eines Monats.
Das ZEW schrieb bei der Veröffentlichung am 18. Februar von «Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung»: Dies sei der stärkste Anstieg des ZEW-Erwartungsindex für Deutschland in den vergangenen zwei Jahren gewesen.
In die selbe Richtung weist ein weiterer spannender Börsentrend. Die Aktien des frühzyklischen Chemiesektors markierten Mitte Januar ein Kurstief und begannen zu steigen. Dies gilt insbesondere für die deutschen Chemiekonzerne BASF, Lanxess und Evonik.
Trendwende bei den deutschen Chemiekonzernen Mitte Januar
Der Verband der Chemischen Industrie vermeldet allerdings noch keine Erholung. «Das Chemiegeschäft bleibt schwierig», heisst es in einer Pressemitteilung des Verbands vom 28. Januar. Anders als noch im Vorjahr habe sich die Lage der Branche zum Jahresanfang 2025 nicht verbessert.
Dass die Chemie-Börsenwerte steigen, während die Branche noch leidet, hat eine plausible Erklärung: Während viele kleinere Verbandsmitglieder stark vom deutschen Markt abhängig sind, verkaufen die grossen Börsenkonzerne international, hier vor allem in China. Falls die seit Jahren schwache Wirtschaft dort Anzeichen einer Erholung zeigt, wäre das sehr gut für die grossen deutschen Konzerne.
Und genau danach sah es zuletzt aus. Der chinesische Leitindex CSI 300 markierte ebenfalls Mitte Januar ein Zwischentief und begann zu steigen, angeführt von den Technologieaktien. Eine Belebung in China hilft nicht nur den Dax-Aktien, sondern auch Unternehmen aus dem MDax wie dem Chemiekonzern Lanxess.
Wahl und Belebungszeichen sprechen für Nebenwerte
Kleinere deutsche Aktien sind derzeit sehr niedrig bewertet und unbeliebt. The Market hatte Anfang Dezember darauf hingewiesen, dass der Index MSCI Germany Small Caps zeitweilig sogar auf seinen Buchwert gefallen war. In der Vergangenheit blieb die Bewertung selten lange derart niedrig, ein solcher Tiefstand war also meist ein gutes Kaufsignal.
Einige ausländische Investoren setzen bereits auf eine Erholung der deutschen Nebenwerte. Stratege Steven Schlegel von der Research-Boutique Aletheia riet am 13. Februar seinen Kunden, einen ETF auf den Nebenwerteindex MDax zu kaufen. In der Hoffnung, dass eine neue Bundesregierung die Staatsausgaben erhöhen und die Energiekosten senken werde. Dazu komme die Aussicht auf einen Waffenstillstand in der Ukraine. Schlegel verweist darauf, dass die ZEW-Konjunktureinschätzung der aktuellen Lage vermutlich ihren Tiefpunkt hinter sich gelassen habe. Der MDax liege rund 25% unter seinem Höchst, anders als der auf Rekordniveau gehandelte Dax.
«Wenn wir das Renditeprofil des MDax zusammennehmen mit dem ZEW-Signal, sehen wir eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen starken Indexanstieg in den kommenden zwölf Monaten», schreibt Schlegel.
Die seit langem negative Sicht der Anleger auf deutsche Nebenwerte beginnt offenbar zu drehen. The Market stellt immer wieder aussichtsreiche deutsche Nebenwerte vor, die Leser in unserer Empfehlungsliste finden. Jetzt scheint ein besonders guter Zeitpunkt, um auf solch starke Geschäftsmodelle mit oftmals niedriger Bewertung zu setzen.