Beim Parteitag in Berlin rücken die Christlichdemokraten zusammen. Sie beschliessen ein Sofortprogramm für eine «Asylwende» – und Merz gibt ein gewagtes Versprechen.
«All in», so beschrieb der CDU-Chef Friedrich Merz seine Strategie, als er kürzlich spontan entschied, migrationspolitische Anträge in den Bundestag einzubringen. Ein Begriff aus dem Pokerspiel: Wer «all in» geht, geht ins Risiko ohne Rücksicht auf Verlust. Beim CDU-Parteitag am Montag in Berlin setzte Merz diesen Kurs fort, als er erneut ankündigte, die AfD wieder klein zu machen. Im Jahr 2018 hatte er schon einmal versprochen, die AfD «zu halbieren». Danach musste er von dieser Zusage wieder abrücken.
Mit Blick auf die vorgezogene Bundestagswahl Ende Februar sagt er über die AfD: «Es gibt keine Zusammenarbeit, es gibt keine Duldung, es gibt keine Minderheitsregierung.» Dafür erntete er stehenden Applaus von den 956 anwesenden Delegierten.
Erst drei Tage zuvor war das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, das die irreguläre Migration verringern sollte, im deutschen Parlament knapp gescheitert. Für Grüne und SPD stellte Merz’ Aussage, ihm sei egal, wer zustimme, auch wenn es Stimmen der AfD seien, ein Eklat dar. Seitdem mobilisieren die beiden Parteien gegen Merz und seine CDU – Hunderttausende demonstrieren «gegen rechts».
Inzwischen dreht sich die Debatte auch um die Frage: Wäre es für SPD und Grüne überhaupt noch vorstellbar, nach der Wahl mit der Union aus CDU und CSU unter einem Kanzler Merz zu koalieren? Selbst einige ranghohe Funktionäre der CDU können darauf keine klare Antwort geben. Andere hingegen, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jens Spahn, zeigen sich selbstbewusst: Nach der Wahl, so seine Einschätzung, werde den Vertretern von Rot-Grün mehr an ihren Bundestagsbüros und Dienstwagen gelegen sein, als man derzeit öffentlich zugeben wolle.
CDU zeigt Geschlossenheit beim Thema Asyl
Auch das Schreckgespenst Minderheitsregierung ist ein Thema. Ein CDU-Ministerpräsident merkt jedoch an, dass für ihn ein Bündnis aus Union, Grünen und SPD das grössere Übel sei. Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann haben beim Parteitag allerdings eine Minderheitsregierung ausgeschlossen. Für Deutschland wäre dies eine untypische Regierungsform.
Damit bleiben als realistische Koalitionspartner nur SPD und Grüne – sowie die FDP, falls sie den Einzug in den Bundestag schafft. Doch es ist offen, ob Bündnisse mit Beteiligung der Grünen oder der SPD nach dem hitzigen Wahlkampf und den jüngsten Konflikten überhaupt noch realistisch sind.
Der Streit in der Asylpolitik erhöht den Druck. Nach der Abstimmung im Bundestag kam es nicht nur zu bundesweiten Demonstrationen «gegen rechts», Linksradikale stürmten auch CDU-Büros. Eine Mitarbeiterin im Bundesland Rheinland-Pfalz erhielt Morddrohungen.
In der Migrationsfrage soll nun Entschlossenheit demonstriert werden. Die Delegierten beschliessen am Montag per Handzeichen einstimmig einen 15-Punkte-Plan für eine «Asylwende» und mehr Wettbewerbsfähigkeit. Es soll ein Sofortprogramm sein, dass nach einer erfolgreichen Wahl umgesetzt wird.
Ein zentraler Punkt des Plans sind die Zurückweisungen an allen deutschen Aussengrenzen – auch für Menschen, die Asyl beantragen wollen. Bislang galt das Aussprechen des Wortes «Asyl» auf deutschem Boden als eine Art Garantie dafür, zumindest vorübergehend bleiben zu dürfen.
Söder gibt sich freundschaftlich
Auf dem Parteitag bemüht sich das Personal um Merz sichtbar um Geschlossenheit. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder betont, er stehe hinter Merz als Kanzlerkandidaten. Seine einzige Spitze zielt auf die Statur von Merz: «Friedrich, du siehst nicht nach dickem Sauerländer aus. Mehr so nach Berliner Brokkoli-Auflauf.»
Im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl, als die Rivalität zwischen Söder und dem damaligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet im Wahlkampf Punkte kostete, wirkt der CSU-Chef aber geradezu kooperativ.
Kurz nach 17 Uhr strömen die Ersten aus dem Saal. Eigentlich hätte der Parteitag zu diesem Zeitpunkt schon vorbei sein sollen. Erst eine halbe Stunde später schliesst Merz seine Rede mit den Worten: «Eines nicht allzu fernen Tages wollen wir sagen dürfen: Wir sind wieder stolz auf unser schönes Land und vor allem auf die Menschen, die mit anpacken, unsere Zukunft zu gestalten.»
«Stolz auf unser schönes Land» – das klingt eher nach dem CDU-Altkanzler Helmut Kohl als nach Angela Merkel. Vor Merz liegt die Mammutaufgabe, seine Partei in eine neue Ära zu führen. Der erste grosse Test dafür steht am 23. Februar an, wenn die Deutschen ein neues Parlament wählen.