Der Nationalrat will die Ukraine-Hilfe nicht an der Schuldenbremse vorbei finanzieren. Das ist beruhigend. Man kann auch bei der Entwicklungshilfe sparen. Sie radikal zu kürzen, nur weil gerade das Geld im Inland fehlt, wäre aber daneben.
Ein reiches Land, das supersolidarisch ist mit sich selbst, vor allem mit den eigenen Rentnerinnen und Rentnern, das hingegen knausert und zaudert, wenn es darum geht, anderen Ländern beizustehen, denen es schlechter geht: Ist das die Schweiz des Jahres 2024?
Beim Bund fehlt das Geld gerade an allen Ecken und Enden. Dafür hat zuerst die Politik gesorgt, indem sie frivol neue Ausgaben beschlossen und bestehende erhöht hat. Dann hat aber auch das Stimmvolk seinen Teil beigetragen, indem es am Sonntag einen milliardenschweren Ausbau der AHV beschlossen hat, der in keiner Weise finanziert ist. Doch daran gibt es nichts zu rütteln, ab 2026 muss das Sozialwerk höhere Renten auszahlen. Das Volk ist der Chef.
Und nicht nur die AHV braucht in kürzester Zeit massiv mehr Geld, sondern auch die Armee. Die Verbilligung der Krankenkassenprämien wird ebenfalls mehr kosten – falls das Volk im Juni auch hier einen Ausbau beschliesst, sogar sehr viel mehr. Gleichzeitig ist man nirgends bereit, zu verzichten.
Schon das Ausbleiben eines weiteren Ausgabenwachstums löst allenthalben Schmerzensschreie aus – auf den Bauernhöfen, in den Büros der Hochschulrektoren, beim Bundespersonal. Kurz und unschön: Wir müssen uns auf höhere Steuern einstellen, wohl auch auf höhere Lohnabzüge. Wenn wir alles wollen, müssen wir auch alles bezahlen.
Schuldenbremse schützt die Jungen
Umso wichtiger ist, dass Bundesrat und Parlament finanzpolitisch endlich wieder realistisch werden. Dass sie das tun, was schon lange ihre Aufgabe wäre: Prioritäten setzen, nicht einfach alles durchwinken, nicht in dubio noch mehr draufpacken, so wie letzte Woche beim Ausbau der Eisenbahn. Dass Haushalte und Firmen bald mehr Geld an den Fiskus abliefern müssen, lässt sich nicht mehr verhindern. Aber wenn die Politik wenigstens in der Lage wäre, hier und dort zu verzichten, liesse sich die Belastung in Grenzen halten.
Am Dienstag hat der Nationalrat einen ermutigenden Entscheid gefällt: Er will die Hilfe für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg nicht ausserordentlich – also an der Schuldenbremse vorbei – finanzieren. Das wäre natürlich der bequemste Weg. Aber wenn das Parlament immer wieder solche Ausnahmen beschliesst, wie es dies leider schon zu oft getan hat – jüngst für die heilige Kuh SBB –, kann man die Schuldenbremse auch gleich abschaffen.
Das wäre kreuzfalsch. Was die heutigen Generationen beschliessen, sollen sie auch bezahlen. Dass diese Regel bei der AHV nicht gilt, ist schon schlimm genug, umso konsequenter muss sie beim Bund eingehalten werden.
Höhere Steuern für die Ukraine
Gleichzeitig stellt gerade die Ukraine-Hilfe die Schweiz vor schwierige Fragen. Dass sie sich mit mehreren Milliarden am Wiederaufbau beteiligen muss, sollte klar sein. Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt, und sie verzichtet wegen der Neutralität nicht nur auf eigene Waffenlieferungen, sondern sie hindert sogar andere Staaten daran, Kriegsmaterial weiterzugeben. All dies spricht dafür, den helvetischen Beitrag eher höher als tiefer anzusetzen.
Es wäre gut, der Bundesrat würde in dieser Frage vorwärtsmachen, auch wenn sich leider noch immer kein Kriegsende abzeichnet. Gerade weil die Finanzlage schlecht ist und die Schuldenbremse eingehalten werden muss, ist es wichtig, die Hilfe rechtzeitig aufzugleisen.
Dass der Bundesrat die kurzfristige Hilfe für die Ukraine mit Kürzungen innerhalb der Entwicklungshilfe finanzieren will, ist angesichts der Lage vernünftig. Hingegen ist die Idee naiv, dass die Schweiz dereinst auch ihren Beitrag an den Wiederaufbau, der ganz andere Dimensionen erreichen wird, allein auf diesem Weg bezahlen kann. Dazu müsste sie die Hilfen für andere Länder nicht nur ein wenig kürzen, sondern radikal zusammenstreichen. Das kann keine ernsthafte Option sein. Es gibt wesentlich schlechtere Gründe, Geld auszugeben, als die Unterstützung der Ukraine.