Anzugsjacke
Das grösste Comeback erleben in der Herrenmode derzeit ausgerechnet die Dinge, die längst für tot erklärt wurden: Nach Krawatte und Smoking ist jetzt auch der doppelreihige Blazer in den neuen Kollektionen zurück.
Bei den letzten beiden Ausgaben der Männermodewochen (für diesen Frühling und Sommer sowie den kommenden Herbst und Winter) beherrschte ein Thema die Laufstege überdeutlich: Tailoring. Anzüge, Anzughosen, Anzugsjacken, darunter Hemden oder Rollkragenpullover und feine Lederschuhe. Das Kleidungsstück, das am meisten hervorstach, war der doppelreihige Blazer.
Givenchy empfiehlt ihn aktuell für schwarze Abend-Outfits. Bei LGN Louis Gabriel Nouchi sind die Schultern aufgepumpt wie in den Achtzigern und die Ärmel verkürzt wie in den späten Nuller jahren. Alexander McQueen kombiniert schmal geschnittene Modelle zu kurzen Shorts. Bei Ami Paris sind die Schnitte locker, die Jacken werden für einen lässigen Look offen getragen.
Von extra elegant über extrem cool bis super casual soll also alles möglich sein mit dem doppelreihigen Blazer. Die Frage ist, warum er plötzlich wieder Dreh- und Angelpunkt so vieler Kollektionen ist?
Schluss mit hübscher Schluffimode
Vor rund dreieinhalb Jahren hatte noch das Gegenteil von Tailoring Hochkonjunktur: Loungewear. Die hübsche Schluffimode aus Cashmere und Seide war gerade richtig in Zeiten der Lockdowns. Bequem für den Körper, dem Geist immer noch ein Mindestmass an Disziplin vorgaukelnd. Trendforscher prophezeiten schon parallel ein gesteigertes Interesse an hoher Schneiderkunst.
Grundtenor: Sobald die Pandemie vorbei ist, wollen sich Menschen wieder chic machen und nach Mode suchen, deren Architektur ihnen im wahrsten Sinne des Wortes neuen Halt gibt. Unbestreitbar, dass sie recht behalten haben.
Interessant ist, dass ausgerechnet die Dinge aus der Herrenschneiderei das grösste Comeback erleben, die längst für tot erklärt wurden. Krawatten? Haben selbst ganz wichtige Politiker für mehr Atmungsaktivität abgelegt, sind aber auf den Runways plötzlich wieder da (und verkaufen sich auch besser).
Smokings? Sieht man nicht einmal mehr bei hochkulturellen Veranstaltungen, werden von Designern aber rauf und runter interpretiert (und trenden bei Anbietern von Leihmode). Doppelreihige Blazer? Tragen ja nicht einmal mehr Londoner Banker in Mayfair? Aufgepasst!
Austin Butler, Luke Evans, Matt Smith, Harry Styles, Ryan Gosling, David Beckham, Mark Ronson, John Gaines, Maluma, Tainy, Fireboy DML: Sie alle setzten zuletzt auf doppelreihige Blazer. Bei den Grammy Awards vor ein paar Wochen war der doppelreihige Anzug auffällig oft zu sehen. Schaut man sich all die Männer darin mal genauer an, wünscht man sich, dass «DB» (die englische Abkürzung für «double breasted») auch nicht mehr verschwinden.
Der doppelreihige Blazer formt den Oberkörper seines Trägers wie keine andere Anzugjacke. Es liegt an seiner doppelreihigen Knopfleiste: Links ist eine, rechts ist eine. Zugeknöpft ziehen sie den Stoff so zusammen, dass sofort der Eindruck einer sportlichen Körpermitte entsteht. Die Anordnung der Knöpfe verstärkt die Anmutung einer definierten Silhouette zudem. Solide Schultern, schmale Taille: die sogenannte V-Silhouette. Ein athletisch-herkulisches Schönheitsideal, nach dem viele Männer streben.
Der doppelreihige Blazer als Inbegriff von Eleganz
Ursprünglich wurde der doppelreihige Blazer für die sportlichen Aktivitäten der britischen Royals im späten 19. Jahrhundert erfunden. Vorbild war der Marine-Blazer des britischen Militärs (dunkelblau und mit goldenen Knöpfen). Die doppelreihige Knopfleiste sorgte dafür, dass der Blazer selbst bei ausschweifenden Bewegungen geschlossen blieb.
Der überlappende Stoff im Bereich des Oberkörpers konnte sich dabei immer ein bisschen mitbewegen, also Spielraum geben. Wirklich lang dauerte es aber nicht, bis der doppelreihige Blazer zum Symbol für Lebensart und Inbegriff von Eleganz wurde.
Weil Prinz Edward VIII. den doppelreihigen Blazer in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu öffentlichen Terminen trug, wurde er zu einer Art Must-have. Vor allem in Hollywood. Cary Grant und Humphrey Bogart trugen doppelreihige Blazer nicht nur bei Dreharbeiten, sondern auch im Privatleben. Übrigens auf unterschiedliche Art und Weise.
Grant war 1,84 Meter gross, seine Blazer eher lang. Über Bogart weiss man bis heute nicht so richtig, wie gross er war. Mal ist die Rede von 1,65 Meter, mal werden 1,70 Meter angeben und mal 1,74 Meter. Jedenfalls war er kein Riese und seine Blazer kurz. Womit wir bei der wichtigsten Faustregel für den Kauf eines doppelreihigen Blazers wären: Je kleiner der Mann, desto kompakter sollte die Jacke geschnitten sein.