Demonstrationen werden bewilligungspflichtig, vorsätzlich verursachte Polizeieinsätze müssen künftig verrechnet werden.
Auch wer die demokratischen Grundrechte hochhält und für die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit eintritt, vielleicht sogar selbst an Kundgebungen teilnimmt, kann es nicht übersehen: Demonstrationen werden gerade in der Stadt Zürich immer wieder missbraucht.
Unter diffusen Pseudomottos wie «Let the night shine bright like a diamond» ziehen Gewaltbereite durch die Stadt und hauen auf alle und alles ein, was ihnen vor die Brechstange kommt – egal, ob es sich um Bankfilialen, Trams oder alternative Buchläden handelt.
Doch genug ist genug. Das müssen sich fast zwei Drittel der Zürcherinnen und Zürcher gesagt haben, die am Sonntag zwar nicht die «Anti-Chaoten-Initiative» der SVP angenommen haben, aber doch den Gegenvorschlag dazu. Die Initiative kam auf rund 41 Prozent Ja-Stimmen, der Gegenvorschlag auf knapp 64 Prozent. Beide Vorlagen wollen die Regeln für Demonstrationen verschärfen.
Der Gegenvorschlag nimmt zwei Kernforderungen der Initiative auf. Erstens gibt es künftig im ganzen Kanton Zürich eine zwingende Verrechnung der Polizeikosten für ausserordentliche Einsätze – dies allerdings explizit nur bei vorsätzlichem Handeln. Zweitens braucht es neu für jeden Demonstrationszug und für jede stehende Kundgebung eine Bewilligung der Gemeinde.
Ein Tag Polizei kostet 300 000 Franken
Obwohl es sich um eine kantonale Abstimmung gehandelt hat, betreffen die zwei neuen Regelungen in erster Linie die Stadt Zürich. Dort finden die meisten Kundgebungen und Demonstrationen statt, im Schnitt fast eine pro Tag. Und dort versammeln sich in der Regel auch die Schläger und ziehen durch die Strassen.
Die Stadt Zürich ist bis jetzt der Ort, an dem für Demonstrationen besonders lasche Regeln gelten. In der Auffassung der links-grünen Mehrheit gehört es zum Grundauftrag der Polizei, nicht nur legale, sondern auch illegale und gewalttätige Kundgebungen zu begleiten. Und was zum Grundauftrag gehört, wird nicht in Rechnung gestellt.
Dabei können die Kosten sehr hoch sein: Als Klimaaktivisten 2021 Teile der Zürcher Innenstadt besetzten, schlug der Polizeieinsatz an einem einzigen Tag mit fast 300 000 Franken zu Buche. Bezahlt wurde dies von den Steuerzahlern.
Ausserdem hat die Stadtregierung erst im November entschieden, dass es für Demos bis 100 Personen keine Bewilligung mehr braucht. Beide Regelungen müssen nun angepasst werden.
Kein Stadt-Land-Graben
Ausgeblieben ist am Sonntag ein für den Zusammenhalt im Kanton tendenziell heikles Szenario: Es hätte sein können, dass zwar die mehrheitlich bürgerlichen Landgemeinden einer Verschärfung zustimmen, nicht aber die links-grün dominierte Stadt Zürich. In diesem Fall hätte das Land der Stadt also eine strengere Regel aufgezwungen.
Doch es kam anders: Selbst die Stadt Zürich hat den Gegenvorschlag mit 53 Prozent angenommen. Nur die Kreise 3, 4 und 5 waren dagegen, als einzige Wahlbezirke im ganzen Kanton. «Niemand wird sagen können, dass die Stadt Zürich majorisiert worden ist», sagte der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr (parteilos) am Sonntag vor den Medien.
Wie genau der Gegenvorschlag in ein Gesetz gegossen wird, steht noch nicht fest. Die SVP hat am Sonntag bereits eine «messerscharfe Umsetzung» gefordert, die FDP «einen konsequenten Einsatz» der neuen Regeln. Die SP und die Grünen wiederum pochen darauf, dass die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit nicht eingeschränkt werde und dass die Umsetzung grundrechtskonform erfolge.
Aus der Sicht von Mario Fehr ist dies möglich. Er hatte vor rund einem Monat bereits einen möglichen Vorschlag für die Anpassung des Polizeigesetzes präsentiert. Diese sei verfassungskonform und stimme mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts überein, sagte Fehr.
So sollen unter anderem die Polizeikosten den Verursachern «anteilsmässig nach Massgabe ihres konkreten Beitrags auferlegt werden», wie es im Entwurf heisst. Nicht im Entwurf enthalten ist aber eine mögliche Obergrenze für die finanziellen Forderungen, wie es sie etwa in Bern gibt. Der Vorschlag kommt nun in den Kantonsrat.
Verfassung geändert
sho. Problemlos angenommen worden ist am Sonntag auch eine weitere Vorlage. Sie hat zwar keinen Zusammenhang mit der «Anti-Chaoten-Initiative», betrifft aber die Justiz: Die Anpassung der Kantonsverfassung schafft die Voraussetzungen, um Kriterien für die Wählbarkeit in die obersten Zürcher Gerichte festzulegen. Der Volksentscheid über das unbestrittene Geschäft war obligatorisch, die Zustimmung beträgt fast 90 Prozent.