Unerwünschtes Flirten, unhöfliches Verhalten, unerwünschte Kommentare zum Aussehen und unangemessene Berührungen, das sind ganz klar Formen der Belästigung. Doch trifft das auch auf Roboter zu? In Japan ringt man um Antworten.
Als in Japan Aibo auf der Bildfläche erschien, wurde er wie ein liebes Hundchen behandelt. Aibo ist ein Roboterhund, den die Firma Sony dem japanischen Publikum vor fast zwanzig Jahren präsentierte. Sein Name bedeutet «Partner» und setzt sich zusammen aus Artificial intelligence robot.
Die Entwicklung ist seither nicht stehengeblieben. Roboter dringen in unser Leben ein, wie man es sich, als Aibo noch ein Welpe war, kaum vorstellen konnte. Unser Kommunikationsverhalten hat sich so stark verändert, dass der durch Computer vermittelte Sprachgebrauch unser Alltag geworden ist.
Belästigen von Maschinen
Netiquette im Sinne von Benimmregeln für einen zivilisierten Umgang im Netz hat sich zwar nicht überall durchgesetzt, ist aber weithin bekannt. Diese Regeln der Höflichkeit betreffen wie in der (bisher) normalen Gesellschaft die Kommunikation zwischen uns Menschen. Wie aber steht es mit dem Umgang mit Robotern?
Dass in Japan viel Wert auf Umgangsformen gelegt wird, hat sich herumgesprochen, und deshalb mag man es vielleicht nicht als Zufall betrachten, dass die Frage der angemessenen Höflichkeit gegenüber Robotern zuerst in Japan zum Thema worden ist.
Unter Mitwirkung eines der weltweit angesehensten Robotik-Spezialisten, Hiroshi Ishiguro von der Universität Osaka, wurde in Japan eine Studie über das Belästigen von Robotern durchgeführt. Denn, so heisst es in der Erläuterung des Projekts, «eine Verschlechterung der Beziehungen zu Robotern wird es erschweren, dass die Robotik auch in Zukunft zur Lösung von Problemen der Welt beitragen kann». Ist es also möglich, Roboter zu belästigen?
Die Studie beruht auf der drei Jahre langen Beobachtung eines frei zugänglichen Ausstellungsraums, in dem Besucher mit Robotern in menschenähnlichen Designs interagieren konnten, wobei ihnen mitgeteilt wurde, dass ihr Verhalten beobachtet und aufgezeichnet werde. Erica, ein weiblich aussehender Android-Roboter, spielte die Hauptrolle.
Die meisten Besucher verhielten sich unauffällig, 26 Begegnungen mit Erica wurden aber als «Belästigung» eingestuft und in vier Unterkategorien unterteilt: unerwünschtes Flirten, unhöfliches Verhalten, unerwünschte Kommentare zum Aussehen und unangemessene Berührungen.
Kann man zu einer Maschine unhöflich sein oder mit ihr flirten? Zu diesen Fragen kommt noch eine weitere. Sind die vier genannten Arten der Belästigung allgemeiner Art oder speziell japanisch?
Tradition der Sorgfalt
Höflichkeitsregeln sind kulturell bedingt, und in manchen Kulturen würde man schon den Gedanken einer richtigen Etikette für den Umgang mit Robotern als unsinnig abtun. In Japan gibt es dagegen eine Tradition der Sorgfalt gegenüber Handwerkszeug und anderen Utensilien, die nicht nur im Gebrauch, sondern auch bei der Entsorgung mit einem gewissen Respekt zu behandeln sind. Vor diesem Hintergrund ist die Neigung zu bzw. das Verlangen nach freundlichem, höflichem Umgang mit Aibo, Erica und anderen Robotern leichter verständlich.
Das Forschungsteam um Ishiguro beschäftigt noch eine weitere Frage, nämlich, wie Roboter auf Belästigungen reagieren sollen. Wenn sie mit uns kommunizieren, müssen sie schliesslich dafür programmiert werden. KI-basierte Ansätze könnten es Robotern ermöglichen, auf der Basis gesammelter Daten unangemessenes Verhalten zu erkennen, wofür sie dann passende Reaktionen parat hätten. Das wäre zweifellos ein weiterer Schritt auf dem Weg zu ihrer Integration in die menschliche Gesellschaft.