Es mag coolere Schuhe als Skechers geben. Aber dank Fokus auf breites Publikum hat der Gründer aus der Firma eine Erfolgsgeschichte gemacht. Nun verkauft er die drittgrösste Schuhmarke der Welt in einem kritischen Moment.
Wenn Robert Greenberg ins Kino ging, hat er jahrelang den Saal angeblich immer ein paar Minuten vor dem Ende des Films verlassen. Der Grund: So konnte er das Schuhwerk des hinausströmenden Publikums analysieren.
Tatsache ist: Von Schuhen hat der Mann eine Ahnung. Sonst hätte er seine Firma Skechers zu Wochenbeginn nicht dem Finanzinvestor 3G für 9,4 Milliarden Dollar verkaufen können.
Die amerikanische Marke ist bekannt für günstige, bequeme Turnschuhe. Das Unternehmen ist mit einem Umsatz von knapp neun Milliarden Dollar eine der grössten Schuhfirmen weltweit.
Anfang mit Perücken und Rollschuhen
Es ist ein weiter Weg, den der ehemalige Coiffeur Greenberg aus Boston als Unternehmer zurückgelegt hat. Nach einem einträglichen Handel mit Perücken stieg er in den Vertrieb von Jeans ein.
Seine ersten Erfahrungen mit Schuhen sammelte er Ende der 1970er Jahre. Greenberg war nach einem besonders kalten Winter von der Ost- an die Westküste der USA gezogen und eröffnete in Los Angeles einen Laden für Rollschuhe.
Doch als der Boom mit dem Freizeitgerät wenig später abflaute, stieg Greenberg auf Damenkleider und Turnschuhe um, die er unter dem Namen L. A. Gear verkaufte. Die Marke stand für kalifornischen Lebensstil. Sie spezialisierte sich weniger auf sportliches, sondern mehr auf modisches Schuhwerk.
Damit war sie sehr erfolgreich, auch weil sie vom Aerobic-Hype profitierte. Der Umsatz stieg innerhalb weniger Jahre von ein paar Millionen Dollar auf über 900 Millionen Dollar im Jahr 1990. Man konnte es sich sogar leisten, Michael Jackson als Werbeträger zu verpflichten.
Doch die Zusammenarbeit mit dem Pop-Star gestaltete sich schwierig, die «Billie-Jean»-Sneakers mit Laschen und Nieten in Anlehnung an den gleichnamigen Song verkauften sich weniger gut als erwartet. Überhaupt geriet das Unternehmen zunehmend in Probleme, weil seine Produkte aus der Mode kamen. Greenberg zerstritt sich mit neuen Investoren und verliess L. A. Gear. Unter den neuen Besitzern meldete das Unternehmen 1998 schliesslich Konkurs an.
Aber der Geschäftsmann liess sich durch diesen Flop nicht entmutigen. Zunächst versuchte er es mit dem Vertrieb von Doc-Martens-Schuhen, schon bald gründete er jedoch mit Skechers wieder eine eigene Marke. Mit dieser sollte er das mit L. A. Gear Erreichte um ein Vielfaches übertreffen.
Falsche Versprechungen für einen trainierten Po
Die ersten Skechers erinnerten noch stark an Doc-Martens-Stiefel, es folgten klobige Freizeitschuhe. Seine Erfahrungen mit L. A. Gear hatten Greenberg gelehrt, dass eine zu enge Nische gefährlich sein kann.
Deshalb vergrösserte er die Produktepalette und setzte auf ein immer grösseres Zielpublikum, insbesondere auch Kinder und eine ältere Kundschaft. Zudem achtete er darauf, dass seine Schuhe günstiger als jene der Konkurrenz waren.
Nicht alles funktionierte. Ein Reinfall waren die sogenannten Shape-ups. Die Turnschuhe mit einer gebogenen Sohle sollten die Po-Muskeln trainieren und der Trägerin den Gang ins Fitnessstudio ersparen.
Das Problem: Das Versprechen aus der Skechers-Werbung mit Prominenz wie Kim Kardashian war wissenschaftlich nicht nachzuweisen. Der Konzern musste 2012 in einem Vergleich mit den US-Wettbewerbsbehörden wegen Irreführung der Konsumenten 40 Millionen Dollar bezahlen.
Greenberg konnte dem Shape-up-Fall rückblickend etwas Positives abgewinnen. Man habe das Fachwissen rund um die neue Technologie als Grundlage für den Bereich Sportschuhe nutzen können, wurde er in den Medien zitiert. Später machte sich die Firma die Bequemlichkeit der Kundschaft zunutze: mit Schuhen, in die man hineinschlüpfen kann, ohne die Hände zu gebrauchen.
Lohn der Familienmitglieder «vergessen»
Auch nach dem Börsengang von Skechers im Jahr 1999 behielt die Familie die Kontrolle über das Unternehmen. Seit Jahrzehnten arbeitet Greenbergs Sohn Michael an seiner Seite und sitzt bis heute in der Führungsetage.
Überhaupt ist die Familie stark in das Unternehmen eingebunden. Auch die übrigen Kinder Greenbergs und weitere Verwandte arbeiteten in der Firma oder erhielten Geld für irgendwelche Leistungen – wobei die Übersicht manchmal etwas verlorengegangen ist. So musste Skechers 2024 nachträglich «vergessene» Kompensationen an Familienmitglieder und nahestehende Personen offenlegen und der Börsenaufsicht eine Busse bezahlen.
Weil die Greenbergs mit der Firma eng verbandelt und im Konzern tätig sind, kam die Ankündigung des Verkaufs für viele Beobachter überraschend. Vermutlich hat US-Präsident Donald Trump mit seinen Zollplänen nachgeholfen. Diese stellen Schuhfirmen, die ihre Ware hauptsächlich in Asien fertigen lassen, vor Herausforderungen.
Die damit verbundene Unsicherheit hat den Kurs von Skechers einbrechen lassen. Für die Private-Equity-Firma 3G war das eine günstige Gelegenheit, die Kontrolle zu übernehmen. Sie bietet 63 Dollar pro Aktie, was einer Prämie von 30 Prozent entspricht. Der Finanzinvestor setzt darauf, dass das mit den Zöllen nicht so schlimm kommt wie ursprünglich befürchtet.
Die neuen Besitzer werden Skechers von der Börse nehmen. Doch der 85-jährige Robert Greenberg, sein Sohn Michael und die übrige Führungsetage bleiben auf ihren Posten. Ihr Schuh-Know-how wird auch weiterhin gefragt sein.
Denn 3G ist bisher auf andere Branchen fokussiert und durch seine Investitionen im Konsumgüterbereich bekannt geworden – wie etwa den Bier-Riesen AB Inbev, den Ketchup-Hersteller Kraft Heinz oder Fast-Food-Ketten wie Burger King. Eine Schuh-Connection gibt es allerdings: Der 3G-Mitgründer Carlos Alberto Sicupira und Marc Lemann, der Sohn des 3G-Mitgründers Jorge Paulo Lemann, gehören zu den grössten Einzelaktionären der Schweizer Turnschuhmarke On.