Die Wahl des neuen Speakers im Repräsentantenhaus war ein erster Test für Donald Trumps Kontrolle über seine Partei. Der angehende Präsident bestand ihn knapp: Sein Favorit, der Amtsinhaber Mike Johnson, gewann im ersten Wahlgang – dank einer späten Wende.
Mike Johnson, der amtierende Speaker im Repräsentantenhaus, investierte über die Neujahrstage viel Zeit, um seine Wiederwahl am Freitag in der ersten Abstimmung zu sichern. Von zu Hause aus in Louisiana telefonierte er mit den republikanischen Abgeordneten, die ihm die Gefolgschaft verweigerten. Am Donnerstag sprach er mit einigen von ihnen im Capitol während über zweier Stunden, um sie zu überzeugen. Gleichzeitig stärkte ihm auch Donald Trump den Rücken: «Mike hat meine komplette und totale Unterstützung», schrieb der angehende Präsident auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social am Montag. Am Freitagmorgen legte Trump nach: «Ein Erfolg für Mike heute wird ein grosser Erfolg für die Republikanische Partei sein.»
Auch Trump soll in den vergangenen Tagen mit einigen Widerständlern in den eigenen Reihen persönlich telefoniert haben. Trotzdem schien es für Johnson zunächst nicht für eine Bestätigung im ersten Wahlgang zu reichen. Er brauchte mindestens 218 der insgesamt 434 Stimmen. Da die Republikaner gegenüber den Demokraten nur eine knappe Mehrheit von 219 zu 215 Sitzen verfügen, durfte Johnson nicht mehr als einen konservativen Abgeordneten verlieren. Am Ende stimmten jedoch 3 Republikaner vorerst nicht für Johnson. Zudem enthielten sich 6 weitere Republikaner ihrer Stimme, als ihr Name in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen wurde. Erst als klar schien, dass Johnson die Abstimmung verlieren würde, stimmten sie für Johnson.
Zwei Widerständler ändern ihre Stimme
Somit hatte der amtierende Speaker am Ende des ersten Wahlgangs lediglich 216 Stimmen auf seinem Konto. Alle 215 demokratischen Abgeordneten wählten ihren Fraktionsführer Hakeem Jeffries. Formal wurde die Abstimmung jedoch noch nicht geschlossen. Johnson traf sich mit 2 der 3 Widerständler zu Gesprächen in seinem Büro: Ralph Norman aus South Carolina und Keith Self aus Texas. Was er ihnen dort gesagt oder gar versprochen hat, blieb zunächst unklar. Aber Norman und Self änderten danach ihre Stimme und wählten doch noch Johnson. Somit war Johnson im ersten Wahlgang wiedergewählt.
Später erklärte Self, dass Trump ihn nach seiner ersten Stimmabgabe angerufen hätte. Es sei eine «lebhafte Diskussion» gewesen. Johnson habe ihnen seinerseits versprochen, sie bei wichtigen Gesetzesvorlagen verstärkt in die Verhandlungen einzubeziehen.
Damit glückte den Republikanern und ihrem künftigen Präsidenten doch noch ein einigermassen reibungsloser Start in die Legislatur. Die Wahl eines Speakers ist wichtig. Ohne ihn kann das Repräsentantenhaus seine Arbeit nicht aufnehmen. Fraglich wäre auch gewesen, ob der gesamte Kongress am Montag ohne einen Speaker den Wahlsieg von Trump hätte zertifizieren können. Trotzdem bleibt die Frage, ob die Geschlossenheit der knappen republikanischen Mehrheit ausreicht, um Trumps Agenda mit neuen Gesetzen durch den Kongress zu bringen.
Auch Trump trifft eine Teilschuld an dem holprigen Start in die neue Legislatur. Kurz vor Weihnachten torpedierten er und Elon Musk den von Johnson mit den Demokraten ausgehandelten Überbrückungshaushalt im Kongress. «Stoppt den Diebstahl eurer Steuergelder», schrieb der Tesla-Gründer und Trump-Vertraute zunächst auf X. Trump selbst forderte neue Verhandlungen über die Vorlage und obendrein eine Abschaffung oder temporäre Aufschiebung der Schuldenobergrenze. «Alles andere ist ein Betrug an unserem Land.» Der angehende Präsident desavouierte damit seinen Speaker, ohne viel zu erreichen. Der Kongress verabschiedete eine veränderte Vorlage ohne grosse Einsparungen und ohne die Schuldenobergrenze anzutasten.
Mit McCarthys Fehlern vor Augen
Johnson wollte die Fehler seines Amtsvorgängers Kevin McCarthy unbedingt vermeiden. Dieser brauchte vor zwei Jahren volle 15 Wahlgänge, um den Vorsitz im Repräsentantenhaus zu erringen. Während vier Tagen machte er dabei gegenüber den Abweichlern am rechten Flügel seiner Partei allerlei Zugeständnisse, um sie umzustimmen. Unter anderem akzeptierte McCarthy, dass nur ein einziger Abgeordneter eine Vertrauensabstimmung – «motion to vacate» – einfordern konnte.
Seine Nachgiebigkeit wurde McCarthy nach nur neun Monaten im Amt zum Verhängnis. Mithilfe der Demokraten wurde er von 8 republikanischen Rebellen im Oktober 2023 aus dem Amt gejagt. Danach brauchte die konservative Fraktion rund drei Wochen, um mit Johnson einen neuen Speaker zu wählen. Nun haben die Republikaner für die neue Legislatur vereinbart, dass es mindestens 9 Abgeordnete für eine «motion to vacate» brauchen soll. Offenbar sollen die Widerständler aber von Johnson auch gefordert haben, dass einer von ihnen den Vorsitz des sogenannten Committee on Rules übernimmt. Dieser Ausschuss entscheidet darüber, welche Vorlagen unter welchen Regeln zur Abstimmung gelangen. Dem dürfte Johnson bei seiner Unterredung mit Self und Norman jedoch kaum zugestimmt haben.
In erster Linie fordern die rechten Republikaner ernsthafte Kürzungen bei den staatlichen Ausgaben, um das amerikanische Schuldenproblem in den Griff zu bekommen. Im Grunde hat dies auch Trump im Wahlkampf versprochen, ohne aber genau zu definieren, welche Ausgaben er kürzen möchte. Gleichzeitig stellte er Steuersenkungen in Aussicht, die das staatliche Haushaltsdefizit eher noch vergrössern könnten.