Das könnte teuer werden: Der Gewerkschafter Pierre-Yves Maillard nimmt die Forderung der Mitte-Partei auf, die Renten für Ehepaare zu erhöhen. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider steht auf verlorenem Posten.
Auf den ersten Blick verlief das Treffen unspektakulär. Die Sozialpolitiker des Ständerats haben am Dienstag an einer ganztägigen Sitzung beraten, woher das Geld für die 13. AHV-Rente kommen soll. Handfeste Entscheide sind nicht gefallen. Auf den zweiten Blick jedoch zeigen sich wichtige Weichenstellungen. Sie lassen erahnen, wohin sich die Debatte über die künftige Finanzierung nicht nur der 13. Rente, sondern der AHV generell entwickeln wird. Die Probleme sind gravierend, ab dem Jahr 2029 sind rasch wachsende Defizite in Milliardenhöhe zu erwarten.
Einen interessanten Schachzug macht Pierre-Yves Maillard. Der Präsident des Gewerkschaftsbunds und SP-Ständerat hat an der Sitzung durchgebracht, dass die Bundesverwaltung zusätzliche Abklärungen liefern muss. Sie soll eine Art Gesamtschau zur Finanzlage der AHV erstellen. Dabei – und hier wird es spannend – geht Maillard explizit auch auf die nächste grosse Streitfrage ein: die Erhöhung der Renten von Ehepaaren.
Anders formuliert: Maillard umarmt die Mitte. Sie verlangt mit einer Volksinitiative, dass künftig auch verheiratete Paare zwei volle AHV-Renten beziehen können. Heute erhalten sie höchstens 1,5 maximale Einzelrenten, weil Paare tiefere Lebenshaltungskosten pro Person haben als Alleinstehende.
Die Mitte-Partei sieht darin eine Heiratsstrafe und verlangt deren Abschaffung. Das würde noch einmal fast 4 Milliarden Franken im Jahr kosten und die Probleme der AHV zusätzlich vergrössern. Sogar manchen Mitte-Exponenten ist das nicht geheuer. Doch ihre Partei hat sich mit der Initiative selbst unter Zugzwang gesetzt.
Ansprüche sind gestiegen
Maillard hat dieses Dilemma rasch erkannt: Wie könnte die Mitte eine AHV-Vorlage ablehnen, die höhere Renten für Ehepaare vorsieht, ohne sich unglaubwürdig zu machen? Wenn er nun verlangt, dass der Bund Berechnungen darüber anstellt, wie sich ein Ausbau für Ehepaare auswirkt und wie stark im Gegenzug die Steuern oder Lohnbeiträge erhöht werden müssen, kann man dies als ersten Schritt hin zu einer neuen Mitte-links-Allianz sehen.
Eine solche hat es unter dem früheren Sozialminister Alain Berset schon einmal gegeben. Sie boxte 2017 eine grosse Rentenreform durch das Parlament, die jedoch vom Volk abgelehnt wurde. Schon damals kombinierten die Linke und die Mitte alias CVP ihre Herzensprojekte: eine generelle Rentenerhöhung hier, eine gezielte Verbesserung für Ehepaare dort.
Allerdings bewegte man sich damals noch auf einem ganz anderen Anspruchsniveau. In den Genuss des Ausbaus wären nur künftige Rentner gekommen. Und der Ausbau für Ehepaare war gemessen an der Mitte-Initiative geradezu bescheiden. Der Plafond wäre «nur» von 1,5 auf 1,55 Einzelrenten gestiegen. Heute hingegen geht die Mitte aufs Ganze und verlangt zwei volle Renten. Umso grösser fallen die Mehrkosten aus. Das hat auch damit zu tun, dass das Volk mit der 13. Rente beschlossen hat, die Leistungen für alle – auch für die heutigen – Pensionierten zu erhöhen.
Wie lange darf die Politik abwarten?
Wenn die Mitte und die Linke sich verbünden, heisst das noch nicht, dass sie im Parlament durchmarschieren können. Aber die Chancen auf Mehrheiten in beiden Kammern sind zumindest intakt. Dass Pierre-Yves Maillard Sympathien hat für eine Erhöhung der Ehepaarrenten, zeigte sich bereits im September. Damals liess er via «Blick» verlauten, die Mitte-Initiative beseitige eine Ungerechtigkeit.
Nach der Kommissionssitzung vom Dienstag steigt die Spannung. Ob sich die Mitte auf einen Deal mit der SP einlassen würde, ist nach den ersten Reaktionen unklar. Neben Maillards Antrag hat die Kommission zudem weitere Abklärungen bei der Verwaltung in Auftrag gegeben.
Eine grosse Frage ist: Wie lange kann die Politik abwarten und trotz der 13. Rente auf eine Zusatzfinanzierung verzichten? FDP und SVP sprechen sich dafür aus, vorübergehend Defizite in Kauf zu nehmen, um Zeit zu haben für eine umfassende Reform. Das ist nicht ohne Risiko. In den 2030er Jahren werden die Fehlbeträge schnell und stark wachsen, falls die Reform zu spät kommt oder abgelehnt wird. Darunter leidet die Ertragskraft des AHV-Fonds, und im schlimmsten Fall wäre irgendwann die Liquidität bedroht.
Baume-Schneiders Fahrplan ist hinfällig
Sicher ist vorerst nur eines: Die Zusatzfinanzierung für die AHV wird nicht so schnell kommen, wie sich dies Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider wünschen würde. Sie pocht auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die bereits ab dem Jahr 2026 greifen würde. Das wäre zwar möglich, aber nur, wenn das Parlament den Turbo einschalten würde.
Dazu wird es nicht kommen. Nach all den zusätzlichen Abklärungen, welche die Sozialkommission am Dienstag beschlossen hat, kann die Beratung im Ständerat nicht im Dezember stattfinden. Damit ist Baume-Schneiders Fahrplan hinfällig. Die Zusatzfinanzierung könnte frühestens ab 2027 umgesetzt werden.
Mit jeder Verzögerung wächst jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass das Parlament dem Volk gar keine separate Finanzierungsvorlage für die 13. Rente präsentieren wird. Denn spätestens 2026 muss der Bundesrat ohnehin eine umfassende AHV-Reform vorlegen, welche die Finanzierung des Sozialwerks für das nächste Jahrzehnt klären soll.
Wie der Poker um die AHV ausgeht, hängt stark von der Mitte ab – und bei ihr wiederum davon, ob ihre National- und Ständeräte am gleichen Strick ziehen. Zurzeit sieht es so aus, als bestünde im Parlament der kleinste gemeinsame Nenner in der Verzögerung. SVP und FDP erhoffen sich davon eine ausgewogenere Vorlage, die nicht nur höhere Steuern und Abgaben umfasst, sondern auch eine generelle Erhöhung des Rentenalters.
Die Mitte wiederum kann hoffen, dass ihre Initiative bessere Chancen hat, wenn das Volk nicht schon vorher über eine unpopuläre Steuererhöhung abstimmen muss. Die Linke scheint auch damit leben zu können, wohl in der Annahme, dass im Notfall – wenn es schnell gehen muss – ohnehin nur eine Möglichkeit bleibt: höhere Steuern oder Lohnbeiträge.
Keine Sorgen machen müssen sich die Pensionierten, die sich auf die 13. Rente freuen. Diese soll garantiert im Dezember 2026 erstmals ausgezahlt werden, und zwar so, dass auch Bezüger von Ergänzungsleistungen vollumfänglich davon profitieren. Dafür sorgt der Bund mit einer separaten Vorlage, die von der Sozialkommission am Dienstag einstimmig gutgeheissen worden ist. Will heissen: Der Ausbau der AHV wird fristgerecht realisiert, aber nicht bezahlt.