Jahrelang haben sich der Weltfussballverband und die Stadt voneinander entfremdet. Es wäre höchste Zeit für einen Neubeginn. Ein Wegzug wäre alles andere als irrelevant.
Der Tag, an dem der Weltfussballverband der Schweiz symbolisch den Rücken kehrte, liegt bereits fast sechs Jahre zurück. Am 24. September 2018 zelebrierte die Fifa ihre Weltfussballer-Ehrungen in London. Seitdem fand die jährliche Feier einmal in Mailand statt, dann in Paris, später erneut in London.
Bis zum 24. September 2018 hatte es einen unausgesprochenen Deal gegeben. Die Fifa garantierte der Schweiz Glanz und Glamour. Es galt als selbstverständlich, dass die Stars des Sports zu den Weltfussballer-Ehrungen nach Zürich kommen. Auch sonst verstand es der damalige Präsident Joseph Blatter, Prominente anzulocken, die in der Limmatstadt eine gewisse Weltläufigkeit verströmten. Gleichzeitig zahlte die Fifa stets nur halb so hohe Steuern wie Kapitalgesellschaften, obwohl sie Milliardenumsätze erwirtschaftete. Man tat einfach so, als sei sie kein Konzern, sondern immer noch eine Art Quartierverein.
Es war eine Beziehung, die auf Emotionen und Illusionen fusste und somit brüchig war. Blatters Nachfolger Gianni Infantino, bei dem sich ein enormer Reformeifer mit einem mindestens so grossen Machtwillen mischt, hat die instabile Liaison unsentimental beendet. Eine wichtige Repräsentanz der Fifa befindet sich heute in Paris. Ab August soll die Rechtsabteilung in Miami arbeiten. Dass der Fifa-Kongress am Freitag beschliessen dürfte, die Erwähnung Zürichs als Hauptsitz aus den ersten Absätzen seiner Statuten zu streichen, wirkt nur folgerichtig.
Infantino hat sich noch nie bemüht, Politiker in der Schweiz zu umgarnen. Auch in der Öffentlichkeit zeigt er sich praktisch nie. Interviews mit ihm sind eine Rarität. Konsequent weigert sich Infantino, jene emotionale Nähe zu schaffen, welche Blatter aufzubauen verstand.
Manche Politiker wiederum lassen kaum eine Gelegenheit aus, deutlich zu machen, wie sehr sie ablehnen, was aus der Fifa geworden ist. Der Zürcher Gemeinderat verbot während der Weltmeisterschaft, die 2022 in Katar stattfand, Public Viewings. Das war nicht zuletzt ein Affront gegen den Veranstalter.
Kühl reagiert nun auch das Büro von Stadtpräsidentin Corine Mauch auf die anstehende Abstimmung am Fifa-Kongress. «Die Stadt Zürich hat Kenntnis von den vorgeschlagenen Statutenänderungen», sagt eine Sprecherin. «Sie äussert sich nicht zu diesem Geschäft einer privaten Institution.»
Noch wäre es nicht zu spät, die Beziehung zwischen Zürich und Fifa auf eine neue, sachlichere Basis zu stellen. Gefragt sind keine verklärenden Romantisierungen. Es ist zwecklos, alten Zeiten nachzutrauern, in denen der Kommerz im Fussball eine geringere Rolle spielte. Und es ist irrelevant, ob sich Messi oder Cristiano Ronaldo noch einmal in der Stadt zeigen.
In aller Nüchternheit darf es jedoch als Privileg betrachtet werden, dass die wichtigsten Turniere des grössten Sports der Welt, der auch identitätsstiftend und völkerverbindend wirkt, von Zürich aus organisiert werden. Nicht einmal Olympische Spiele entfalten eine vergleichbare globale Sogwirkung wie eine Fussball-WM, ganz zu schweigen von anderen kulturellen und gesellschaftlichen Anlässen.
Hiesige Rechts- und Finanzexperten können mitbestimmen, in welche Richtung sich der Fussball entwickelt, von dem sich immer noch Milliarden Menschen begeistern lassen. Sie haben, um nur ein Beispiel zu nennen, einen direkten Einfluss darauf, ob bei Stadionprojekten Arbeiterrechte beachtet werden.
Mancher Beobachter mag denken, dass es keine Rolle spielt, wenn sich der skandalumtoste Weltfussballverband nach Katar oder Saudiarabien verabschieden würde. Das ist ein Trugschluss.
«Die Fifa ist in der Schweiz glücklich», sagte ihr Mediendirektor Bryan Swanson diese Woche. Man erwäge die Eröffnung von Aussenstellen an anderen Orten in der Schweiz und somit eine Ausweitung der Präsenz im Land. Das tönt wie ein Gesprächsangebot, auf das es sich einzugehen lohnt.