Aktien wie MTU oder Nestlé finden sich in einem weltweit aktiven Aktienfonds des Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz. Und dann gibt es jene Papiere, die Fondsmanager Georg von Wallwitz zwar im Auge hat, die aber aus Bewertungsgründen aussen vor bleiben. Ein Gespräch mit dem Firmengründer von Wallwitz über deutsche und Schweizer Aktien – und über Dinosaurier.
Ein klassischer Ansatz: Aktien weltweit auswählen, mit klarem Fous auf Unternehmen, die Marktführer und Monopolisten sind. Fündig geworden ist er auch in Deutschland und der Schweiz. So geht Georg von Wallwitz beim Aktienfonds Phaidros Funds Schumpeter vor. Er ist nicht nur dessen Fondsmanager, sondern auch Vermögensverwalter und Gründer von Eyb & Wallwitz.
Entscheidendes Kriterium für ein Investment ist für von Wallwitz die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens. Immerhin sorgt diese Eigenschaft nicht nur für deren Überleben und Erfolg, sondern letztlich auch für steigende Kurse. Was selbstverständlich klingt, ist keinesfalls gesetzt. Denn es gibt unter Unternehmen viele Dinosaurier, so von Wallwitz. Und deren Ende ist bekannt.
Herr Wallwitz, Deutschland gilt vielen im In- und Ausland derzeit als wirtschaftlicher Problemfall. Zu Recht?
Deutschland hat mit seiner Wirtschaftsleistung noch immer nicht das Niveau von 2019 überschritten, wir sind in der Rezession – und kommen da auch nicht so schnell wieder heraus.
Dennoch haben Sie deutsche Aktien im Fondsportfolio, obwohl Sie weltweit investieren und daher auch zu Alternativen greifen können.
Stimmt. Wir hatten etwa DHL Deutsche Post im Portfolio. Die Aktie war für uns eine Wette auf die Konjunktur. Wir gingen beim Kauf von einem übertriebenen Konjunkturpessimismus aus und rechneten mit einer weichen Landung der US-Wirtschaft und einer sich stabilisierenden Weltkonjunktur. Das wäre für ein Logistikunternehmen ein gutes Umfeld. Die Überlegung war richtig, aber die Aktie spielte nicht mit, weshalb wir uns wieder von ihr getrennt haben.
Stattdessen sind Sie in MTU Aero investiert.
Richtig, eine unserer stärkeren Aktien. Das Thema Rüstung ist hier nicht so offenkundig wie etwa bei Rheinmetall. MTU stellt bekanntlich auch Rüstungsgüter her, eben Triebwerke.
Allerdings, das komplette militärische Geschäft macht laut Geschäftsbericht 2023 nur 10% des Gesamtumsatzes aus.
MTU stellt die Triebwerke ja nicht nur her, sondern bietet auch Dienstleistungen an wie zum Beispiel Wartungen. Und solche Wartungen sind nun einmal nicht mit der Herstellung militärischer Triebwerke gleichzusetzen. Viele Grossanleger dürfen nicht ohne weiteres in Unternehmen investieren, die einen Rüstungsanteil von mehr als 10% haben.
Hatte das Unternehmen nicht Probleme mit bestimmten Triebwerken? Immerhin mussten rund 3000 Triebwerke in die Inspektion.
Ja, die so genannten Fans, also die Schaufeln, sind falsch beschichtet worden und dann eben schnell kaputt gegangen. Es war nicht die Schuld von MTU – sie hat diese Beschichtungen nicht gemacht. Aber dennoch mussten die Triebwerke der dann stillgelegten Flugzeuge überarbeitet werden. Aus Anlegersicht ist diese Phase aber vorbei.
Wie sind denn die Wachstumsaussichten?
Das Unternehmen profitiert von drei Trends. Erstens sind da die weltweit steigenden Rüstungsausgaben. Zweitens ist nach Corona auch die Nachfrage nach Flugzeugen gestiegen. Und dann gibt es die stete Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit. Im Flugzeugbau bedeutet das zum Beispiel den Bau energieeffizienterer Triebwerke, von Antrieben, die etwa auf Biokraftstoffe umschalten müssen. Ich bin mit der MTU-Aktie daher sehr glücklich.
Mit Linde haben Sie aber noch ein weiteres deutsches Unternehmen im Portfolio, auch wenn es seinen Sitz nach Dublin verlegt hat.
Streng genommen muss man tatsächlich vom ehemals deutschen Unternehmen sprechen. Es gibt ja einige Unternehmen, die de facto ausgewandert sind. Das hätte politisch einen viel grösseren Aufschrei geben müssen und kein blosses Schulterzucken. Es ist ein Menetekel, kein gutes Zeichen für Deutschland. Immerhin ist Linde ein erfolgreiches Unternehmen. Heute wäre es eines der drei höchstbewerteten Unternehmen im Dax.
Was spricht dafür, dass Linde weiterhin erfolgreich bleibt?
Die starke Marktposition als Oligopolist. Bei Industriegasen gibt es ausser Linde nur noch Air Products und Air Liquide als weitere grosse Anbieter. Das beschert dem führenden Trio beträchtliche Preismacht. Linde ist für viele Kunden unersetzlich und weiss das auch.
Schauen wir auf die Schweizer Unternehmen im Fondsportfolio. Nestlé, Novartis und Roche, das liest sich nach defensiven Klassikern.
Das ist auch unsere Absicht. Wir setzen im Fonds ja auf Monopolisten und Disruptoren. Gerade die Pharmawerte sind Monopolisten nach unserer Definition: Einen besseren Schutz als ein bestehendes Patent gibt es nicht. Dazu kommt als Argument: Diese Forschung können sich nicht viele Unternehmen leisten, sondern nur die Grossen. Allerdings waren die Aktien von Roche und Nestlé im vergangenen Jahr keine reine Freude.
Was hat ihnen denn die erhoffte Rendite verhagelt?
Nestlé war recht hoch bewertet. Und was hoch bewertet ist, kommt bekanntlich irgendwann einmal wieder runter. Roche wiederum war zwar billig, hat es aber nicht geschafft, überzeugende neue Medikamente in seiner Pipeline zu zeigen.
Was macht ihnen denn Hoffnung, dass der dringend nötige Turnaround bei Nestlé gelingt?
Das Wachstum war in den vergangenen Monaten tatsächlich enttäuschend. Aber es ist im Prinzip eine gut geführte Firma, auch wenn sie ihren CEO jetzt ausgetauscht hat. Ausserdem kann Nestlé auch von der Digitalisierung relativ stark profitieren: Zum Beispiel um die Produktion besser zu steuern oder auch die Lagerhaltung zu optimieren. Weil Nestlé ein recht personalintensives Geschäft betreibt, sehe ich besonders grosse Chancen für das Unternehmen, die Personalkosten mit Hilfe der Digitalisierung zu senken. Wir sind daher optimistisch, dass die Umsatzschwäche bei Nestlé sich kaum auf die Profitabilität auswirkt.
Und wie sieht es mit den beiden Schweizer Pharmawerten aus?
Novartis hat sich tatsächlich gut entwickelt, da stimmt die Produkt-Pipeline. Das ist bei Roche nicht der Fall. Dennoch haben wir diese Aktien im Portfolio, weil sie am Ende eben doch grosse Cash-Generatoren sind. Ausserdem sind die Erträge dieser Unternehmen so robust, dass die Dividenden nicht gekürzt werden müssen.
Gibt es eigentlich ein Unternehmen aus einem der beiden Länder, das Sie gern im Portfolio hätten, es aber nie gepasst hat, etwa wegen einer hohen Bewertung?
Bei den deutschen Nebenwerten fällt mir der 3D-Designsoftware-Anbieter Nemetschek ein – er überzeugt mit einer guten Mischung aus Bau und Tech, war aber immer zu teuer. SAP haben wir auch nicht. Das Unternehmen hat vieles richtig gemacht und ist auch günstiger als die US-Anbieter von Unternehmenssoftware, aber die SAP-Aktie war nie ein Schnäppchen. An der Grenze von «zu teuer» ist auch VAT aus der Schweiz. Das Unternehmen baut unter anderem Hochleistungsventile für die Chipindustrie. Ich schaue es mir immer aus der Ferne an.
Sie hatten einmal gesagt, viele Unternehmen seien wie Dinosaurier. Wer sich nicht anpasse, sterbe aus. Wie gross ist der Dinosaurieranteil in Deutschland, im Vergleich zu den USA?
Der Anteil ist hierzulande deutlich grösser. Ein erheblicher Teil der Unternehmen im Dax stammt aus der Kaiserzeit. Wenn es wenigsten die Weimarer Republik gewesen wäre. Aber Deutsche Bank, BASF oder Daimler, das sind alles gute kaiserliche Unternehmen. Der Befund sollte einem zu denken geben – Stichwort Innovation oder Unternehmergeist. Ein hohes Unternehmensalter bedeutet nicht das Ende, aber diese Firmen stehen vielfach vor einer möglicherweise schmerzvollen Transformation. Wenn Sie den Dax durchgehen, ist das ganz erstaunlich: Die meisten Unternehmen sind im 19. Jahrhundert gegründet worden. Im Dow Jones Industrial dagegen stammt dagegen kaum ein Unternehmen aus dem 19. Jahrhundert. Nicht einmal mehr General Electric ist im Index enthalten. Das junge Alter der Unternehmen sieht man spiegelbildlich auch mit Blick auf die Liste der reichsten Menschen des Landes. In Amerika finden sich darauf Jeff Bezos oder Elon Musk, die ihr Vermögen selbst gemacht haben. Die Ausnahme ist die Familie Walton, die hinter Walmart steht. In Deutschland sind die grossen Vermögen in aller Regel vererbt.
Was für Aktien fragen eigentlich die Kunden Ihrer Vermögensverwaltung nach?
Oft genau jene Unternehmen, die auch in der Presse genannt werden. Es gibt allerdings eine gewisse Bewegung weg von Aktien wie Eon, Bayer oder BASF. Die sind nur noch bei den älteren Anlegern beliebt. Die Jüngeren sind eher an digitalen Unternehmen interessiert, sie wollen Nvidia oder Microsoft in ihrem Depot sehen.
Stichwort Aktienkultur – sehen Sie diesbezüglich in Deutschland eine positive Entwicklung?
Ich habe keine greifbaren Zahlen, doch aus dem Bauch heraus ist mein Eindruck, dass die Jugend sich dank Brokern wie Trade Republic oder anderen Apps an das Handeln via Smartphone gewöhnt hat. Ob das immer gut ist, weiss ich nicht, da so auch schnell Geld vernichtet werden kann. Ich hoffe aber, dass das Interesse diesmal nachhaltiger ist als der deutsche Aktienboom um die Jahrtausendwende. Die Alten, die bislang abseits standen, werden das zwar auch weiterhin tun. Doch bei der Jugend sehe ich da gute Signale.
Kann die Aktienrente dabei helfen? Also das Generationenkapital, das dem deutschen umlagebasierten Rentensystem ein Kapitalmarktelement hinzufügen will?
Ja. Und sei es nur, dass man sich deswegen damit beschäftigt oder vorgerechnet bekommt, dass Aktien ein sinnvoller Bestandteil der privaten Altersvorsorge sind. Ich denke zwar nicht, dass es sinnvoll ist, die Börsenentwicklung der vergangenen zehn Jahre einfach auf die Zukunft zu übertragen. Aber es wäre schon gut, wenn es wenigstens nicht auch aus der Politik hiesse, Aktien seien Teufelszeug. Manchmal tut das schon weh.
Georg von Wallwitz
Georg von Wallwitz ist geschäftsführender Gesellschafter und Lead Portfolio Manager bei Eyb & Wallwitz. Der studierte Philosoph und Mathematiker hat Eyb & Wallwitz 2004 gemeinsam mit Giselher von Eyb gegründet. Ausserdem ist von Wallwitz Portfoliomanager des Phaidros Fund Schumpeter Aktien. Zuvor hat er beim Fondsanbieter DWS und der Privatbank Hauck & Aufhäuser, heute Hauck Aufhäuser Lampe, gearbeitet. Rund 2,8 Mrd. € stecken in der Vermögensverwaltung, in den vier Fonds des Hauses gut 1,7 Mrd. €.