Die Christlichdemokraten sind von einem zentralen Satz über das Verhältnis zum Islam im Entwurf für das neue Grundsatzprogramm abgerückt. Entscheidend ist aber eine ganz andere Passage.
Wie hast du’s mit dem Islam? Diese Frage beschäftigt die Christlichdemokraten seit einigen Monaten verstärkt. Im Dezember des vergangenen Jahres stellte die CDU ihren Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm vor. Besonders ein Satz sorgte für viele Reaktionen: «Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland», sollte es fortan heissen. Ein klarer Bruch mit der Merkel-Ära, in der die CDU immer weiter nach links rückte. Der Satz ist nun gestrichen.
Stattdessen heisst es in einer längeren Passage: «Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.» Der Zentralrat der Muslime, der bereits den ursprünglichen Satz kritisierte hatte, ist auch von der neuen Version empört: «Ein weiterer Versuch der Christlich Demokratischen Union in trüben Gewässern zu fischen, um Muslime zu stigmatisieren», sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das letzte Wort zum Programm haben die Delegierten auf dem CDU-Parteitag im Mai.
CDU will Generalverdacht gegen Muslime vermeiden
Der Zentralrats-Vorsitzende ist nicht der einzige, der sich an der Neuausrichtung störte. Am vergangenen Wochenende tagte die Antragskommission für den Leitantrag für das Grundsatzprogramm, über das am Bundesparteitag abgestimmt werden soll.
Von mehreren Teilnehmern heisst es, dass die Bundestagsabgeordnete Serap Güler früh darauf drängte, die Textstelle zu ändern. Hin zu einer differenzierteren Version, die nicht als Generalverdacht gegen Muslime gedeutet werden könne. CDU-Chef Friedrich Merz war nur zu Beginn dabei, verschwand dann zum Bundespresseball. Er gab der Diskussion zur Änderung seinen Segen, bestand aber darauf, dass die Auslegung zur deutschen «Leitkultur» im Programm bliebe.
Ganze zwei Stunden soll hitzig diskutiert worden sein. Widerspruch gab es unter anderem vom Fraktions-Vize Jens Spahn, der auf persönliche Diskriminierungen aufgrund seiner Homosexualität durch Menschen muslimischen Glaubens verwies. Schliesslich konnten sich alle auf eine finale Version einigen. Doch der Vorgang sorgte innerhalb der Kommission für Zähneknirschen. Man müsse Probleme klar benennen, besonders im Hinblick auf die Landtagswahlen im Osten, so die Haltung der Merzianer.
Zurückweisungen an der deutschen Aussengrenze?
Nach aussen wird die Änderung von den Christlichdemokraten als Abkehr der misslichen Aussage des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff präsentiert. Der Islam gehöre auch zu Deutschland, sagte der damals. Ein Satz, der der Union bis heute von enttäuschten Konservativen vorgehalten wird.
An anderer Stelle war sich die Kommission schneller einig – zu ihrer eigenen Überraschung. Denn einer von mehr als 2000 Änderungsanträgen handelte von den Zurückweisungen an der deutschen Aussengrenze.
Bereits im alten Entwurf hiess es, dass die Aussengrenzen der EU «besser geschützt» und die Einreise «umfassend elektronisch überwacht» werden müsse. Ergänzt wurde nun, dass Menschen, die bereits in einem anderen Mitgliedsstaat «der EU oder des Schengen-Raums» Aufnahme gefunden haben oder die in einem anderen Staat einen Asylantrag gestellt haben, zurückgewiesen werden müssen.
Wer «Asyl» sagt, darf meist bleiben
Was technisch klingt, ist ein Konflikt, der die Union im Jahr 2018 fast zerrissen hätte und der bis heute die Migration nach Europa prägt: Damals stritten die damalige Kanzlerin Angela Merkel und der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer über die Auslegung des Rechts. Seehofer warb dafür, Migranten, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, zurückzuweisen. Nach europäischem Recht wären die Erstaufnahmeländer zuständig, doch Merkel hielt Zurückweisungen ohnehin nicht für das «richtige Mittel» – und setzte sich durch.
Noch immer gilt: Wer deutschen Boden erreicht und das Wort «Asyl» ausspricht oder sich durch Gesten verständlich macht, kann meistens bleiben.
Sollte also der Antrag zu den Zurückweisungen, der im Grundsatzprogrammentwurf aufgenommen wurde, am CDU-Parteitag beschlossen werden, wäre das ein Dämpfer für die Merkelianer in der Partei. Bis auf wenige Ausnahmen stimmten die Mitglieder der Kommission für den Antrag, der vom CDU-Landesverband Niederrhein eingereicht wurde. «So weit hinausgewagt haben wir uns noch nie,» soll einer der Teilnehmer dazu gesagt haben.